Leben in der Großstadt
30.09.2019
Heimat

Stadtkind oder Mädchen vom Lande?

Vom Dilemma der fast unbegrenzten Möglichkeiten.

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von  Anna Petri

Wo möchte ich leben? Spätestens mit dem Auszug aus dem Elternhaus steht diese Frage an. Sei es, dass man zum Studieren weg ziehen möchte oder einen neuen Job in einer anderen Stadt gefunden hat. Für viele – wie auch für mich – ist diese Frage wohl auch immer mit der Entscheidung zwischen einem Leben in einer eher ländlichen Gegend oder dem Leben in einer größeren Stadt verbunden. Wo fühle ich mich auch längerfristig wohl? Bin ich eher ein Stadtkind, das den Trubel und die unausweichliche Hektik der Großstadt braucht? Oder favorisiere ich eher das beschauliche und ruhigere Leben auf dem Dorf?

Leben auf dem Land

Wir leben heute in einer Zeit der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten. Das bietet auf der einen Seite großartige Chancen, macht einem die eine oder andere Entscheidung aber nicht unbedingt leichter. Bei meinen Großeltern war das noch anders. Man blieb in der Regel in der Stadt, in der man aufgewachsen war und stieg dort häufig in den elterlichen Betrieb ein. Der Freundeskreis war dort und auch der zukünftige Lebenspartner kam in der Regel aus dem gleichen Ort. Klar, es gab auch Leute, die zum Studieren weg zogen, aber das war eher die Ausnahme.

In der Stadt scheint die Freiheit grenzenlos.

Heute sieht das ganz anders aus. Viele wollen nach der Schule als erstes die große weite Welt erobern. Ich selbst komme aus einer eher kleinen Stadt. Aufgewachsen bin ich in Südkamen, einem Stadtteil von Kamen, den man schon als eher ländliche Gegend bezeichnen kann. Dort war ich eingebunden in die dörflichen Strukturen, ging einmal die Woche in eine Jazz-Dance-Gruppe und engagierte mich in meiner örtlichen Kirchengemeinde. Als Kind habe ich diese Geborgenheit auch sehr genossen. Vor allem die Nähe zur Natur und das Spielen im Wald oder auf dem Feld. Meine Kindheit war wirklich wunderbar. Aber genauso war für mich auch immer klar, dass, wenn ich mal groß bin, ich nach Berlin gehen werde. Ich kannte die Metropole von Besuchen bei meinen dort lebenden Verwandten und war schon als Jugendliche von dem Flair dieser Stadt fasziniert. Alles war so groß, so international und an jeder Ecke atmete man ein Stück deutscher Geschichte. Wenn ich heute darauf angesprochen werde, was mich an der Großstadt so reizt, dann ist es vielleicht genau das. Man lebt gemeinsam mit vielen Tausend Menschen und genießt dadurch eine gewisse Anonymität, aber auch eine schier grenzenlose Freiheit.

Die Landungsbrücken in Hamburg

Berlin wurde es zwar nicht, aber jobbedingt hat es mich dann nach Hamburg verschlagen. Ich konnte dort ein paar Jahre das Großstadtleben genießen. Ich brauche eine gewisse Anonymität und ich liebe es, spontan ins Theater oder in Museen zu gehen, oder mich mit Freunden einfach auf einen Kaffee zu treffen. Mich reizt es, an jeder Ecke etwas Aufregendes und Neues zu entdecken. Ich habe herausgefunden, dass ich ganz klar ein Stadtmensch bin.

Auf einen Kaffee mit Freunden

Ganz anders sieht es in meinem Freundeskreis aus. Sebastian, den ich seit der Grundschule kenne, ist aus Kamen in ein noch kleineres Städtchen gezogen, ins hessische Meineringhausen. „Ich finde es schön, dass hier jeder jeden kennt und dass man schon morgens auf dem Weg zur Arbeit von allen gegrüßt wird“, erzählt er mir. Auch der Anschluss an die dortige Kirchengemeinde sei für ihn sehr wichtig. „Ich denke schon, dass es wesentlich einfacher ist, in einer kleinen Gemeinde Leute kennenzulernen und sich dort zu engagieren“, so Sebastian. „Ich bin definitiv ein Landmensch“, fügt er lächelnd hinzu.
Bei Daniel sieht es etwas anders aus. Er lebt in Unna auch eher in einer kleineren Stadt, die Nähe zu Dortmund ist ihm jedoch sehr wichtig. „Ich könnte mir niemals vorstellen, so völlig auf dem platten Land zu wohnen. Da würden mir einfach die Ausgehmöglichkeiten und auch die Kino- und Konzertbesuche fehlen.“ Allerdings genießt Daniel es auch, nicht direkt in einer Metropole zu leben. „Abends bin ich froh, wenn ich nach Hause komme und es ruhig ist. Und wenn mir nach Großstadttrubel ist, dann setze ich mich einfach in den Zug und bin in zwanzig Minuten in Dortmund.“

»Ich finde es schön, dass hier jeder jeden kennt, und dass man schon morgens auf dem Weg zur Arbeit von allen gegrüßt wird.«

Sebastian Kosubek
liebt das Leben auf dem Land.

Auch wenn dies nur kleine Ausschnitte von Lebensentwürfen sind, sie zeigen: Jeder hat seine ganz persönliche Vorstellung, wie er leben möchte und muss für sich selbst herausfinden, wo er am besten hinpasst. Ich stelle übrigens gerade auch in den sozialen Netzwerken eine leichte Tendenz zurück zum Landleben fest. Die Influencerin Jacko Wusch veröffentlichte jüngst ein Video, in dem sie über einen Umzug aus Berlin zurück in ihre alte Heimat Ostwestfalen diskutiert.

https://www.youtube.com/watch?v=T4mKYc--eVw

Vielleicht liegt es an der aktuellen politischen Lage und den immer mehr in den Fokus rückenden Themen „Klimawandel“ und „Nachhaltigkeit“, dass eine gewisse Sehnsucht nach dem einfachen Leben und der Nähe zur Natur in uns wächst. Eine Sehnsucht, die einen spüren lässt, dass man den Trubel der Stadt einfach hinter sich lassen möchte, umim Wald spazieren zu gehen oder um sich um den eigenem Gemüsegarten zu kümmern. 

Für mich war es letztendlich die Familie, die mich wieder näher in Richtung Heimat gebracht hat: nach Dortmund. Zwar lebe ich nicht auf dem Dorf, der Alltag ist aber auch nicht mit dem Großstadtleben Hamburgs vergleichbar. Dafür genieße ich jetzt wieder die Zeit mit den lieben Menschen um mich herum. Momentan fühlt sich diese Entscheidung einfach richtig an. Als Christin glaube ich, dass Gott einen Plan mit jedem von uns hat. Manche Menschen spüren, dass Gott sie auf dem Land braucht, für andere ist der Platz in der Stadt vielleicht genau richtig, weil man dort seine Berufung gefunden hat. Am Ende ist es das eigene Gefühl, das aus einer auf den ersten Blick schwierigen Entscheidung doch eine recht einfache Sache machen kann. Ob wir nun Stadtkinder oder Landmenschen sind – am wichtigsten ist, dass wir uns in unserer Umgebung wohl fühlen und das Gefühl haben, am richtigen Ort zu sein.

Mix