Svenja Comino KjG Paderborn
14.01.2021
Faszination

Dönerpädagogik, KjG und Glaube

Svenja Comino über ihren Alltag und den Entschluss zur Taufe mit 24 Jahren

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von Sophie Kiko

Svenja Comino ist nicht auf den Mund gefallen. Sie spricht gerade heraus, was sie denkt. Beruflich ist sie immer im Einsatz für die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Ehrenamtlich ist die 24-jährige seit September neuer Teil der ehrenamtlichen Diözesanleitung der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) Paderborn. Dabei war es gar nicht so selbstverständlich, eine Führungsposition in einem katholischen Verband zu übernehmen, denn mit dieser Entscheidung entschied sich Svenja auch für den Glauben und ließ sich taufen. Wir kommen ins Gespräch über die pädagogische Arbeit, den Wert von Ehrenamt und eine Taufe in der Zeit der Kirchenaustritte.

Sozialarbeiterin mit Herz und Seele

Svenja Comino kommt aus Hamm - der Stadt, „in der sich die Züge trennen oder man umsteigen muss“, wie sie sagt. Auch wenn das etwas lieblos klingen mag, liegt ihr so viel an ihrer Heimatstadt, dass sie nie daraus weggezogen ist. Nach dem Schulabschluss hat sie ein Jahr als Bundesfreiwillige gearbeitet. Sie begleitete Internatskinder in ihrem Alltag und spielte, wie sie selbst es bezeichnet, eine Art ‚Elternersatz‘. Dabei hat sie gespürt, was sie erfüllt: für andere da zu sein, mit Menschen zu interagieren und Jugendliche in ihrer persönlichen Entwicklung zu bestärken. 

Svenja Comino

Nach drei Jahren dualem Studium der sozialen Arbeit arbeitet sie nun in einer Einrichtung für ambulantes betreutes Wohnen. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 16 und 21 Jahren, die dort leben, entstammen individuellen Hintergründen in der Jugendhilfe, wie Konflikte im Elternhaus oder gegenwärtige Lebenskrisen. Das Ziel: dass die Jugendlichen dazu befähigt werden, irgendwann ein eigenständiges Leben zu führen. Um das zu erreichen, motiviert Svenja Comino die Jugendlichen dazu, den Müll runterzubringen, sie geht mit ihnen gemeinsam einkaufen, organisiert Arztbesuche und Behördengänge und ist einfach für all das da, was den Jugendlichen auf dem Herzen liegt.

Dass dies nicht immer so einfach ist, muss auch sie feststellen. Drogen, Alkohol, Selbstverletzung oder aggressives Verhalten führen immer wieder zu Konflikten – auch mit den Betreuenden. Dabei seien die Jugendlichen auf der Suche nach einem Ventil, um mit ihren Emotionen umzugehen und diesen Luft zu machen.

Döner

»Es geht bei der Arbeit mit den Jugendlichen zum großen Teil um Beziehungsarbeit. Wir nennen das 'Dönerpädagogik'.«

Svenja Comino

Ich kenne Svenja nach solchen Situationen. Bei Zug- und Autofahrten wirkte sie abwesend, weil sie die Auseinandersetzungen mit sich herumgetragen hat. Stets gepaart mit der Sorge um die Jugendlichen. Ein Großteil ihres Berufs sei eben Beziehungsarbeit – oder wie es in ihrer Einrichtung heißt: „Dönerpädagogik“. Denn: „Nur weil ein Jugendlicher mich gerade mit den schönsten Schimpfwörtern beleidigt, die der Wortschatz hergibt, gehe ich danach trotzdem mit ihm einen Döner essen. So vermitteln wir ein Gefühl von Sicherheit und Bestand trotz aufgekommener Konflikte“, erklärt Svenja Comino.

Vom Gruppenkind zur Diözesanleitung in der KjG

Svenja ist musikalisch, singt in einer Band und einer Musicalgruppe und ist ehrenamtlich engagiert. Seit 2008 ist sie aktiv in der KjG Hamm. Das war sie nun zwölf Jahre lang ohne selbst katholisch gewesen zu sein. 

Svenjas Weg in der KjG begann, wie bei vielen, mit einer Gruppenstunde sowie dem ersten Zeltlager. Damals war sie zwölf Jahre alt und seither stets fester Bestandteil der Hammer Pfarrgemeinde. 2016 engagierte sie sich als Gruppenleiterin und vertrat ihre Gemeinde auf Bezirks- und später Diözesanebene. Dahinter steckte ihr Wille, sich für Kinder und Jugendliche starkzumachen und mit Aktivitäten positiv zu ihrer Kindheit und Jugend beizutragen, wie es bei ihr der Fall war. Seit September übernimmt sie in der Diözesanleitung des Verbandes Verantwortung für die rund 3.500 Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

„Ich bin schon mein halbes Leben Teil dieses Verbandes. Ein Leben ohne KjG ist schwer vorstellbar und gerade undenkbar. Es klingt kitschig, aber KjG bedeutet für mich Familie“, erzählt sie. Ohne lang zu überlegen, berichtet sie davon, gemeinsam aufgewachsen zu sein und sich in der Gemeinschaft immer akzeptiert und wertgeschätzt zu fühlen. In all den Jahren habe die KjG auch einen Beitrag dazu geleistet, dass sich Svenja selbst entwickeln, finden und entdecken konnte, indem sie immer mehr Verantwortung übernommen habe.

Svenja Comino bei KjG Aktion
Nicht nur im Ferienlager für jeden Spaß zu haben

Wer wird denn heute noch katholisch? Svenja!

Wer in der KjG aktiv ist, muss nicht unbedingt katholisch getauft sein. Auch für nahezu alle Ämter auf den verschiedenen Ebenen spielt die Konfessionszugehörigkeit keine Rolle. Um Diözesanleitung zu werden, ist das anders: Hierzu müssen die Kandidierenden der katholischen Kirche angehören. Deshalb hat sich Svenja Comino kurz vor ihrer Wahl taufen lassen - wobei der Entschluss dazu schon länger feststand. 

Sie sagt: „Ich bin schon ewig Teil der KjG und dementsprechend lang ist auch das ‚K‘ – also der katholische Glauben in meinem Leben. Ich habe immer an Gott geglaubt und tue es auch heute. Meine Eltern wollten aber, dass ich die Entscheidung, woran ich glaube, selbst treffe.“ 

Svenja erzählt, dass sie auch häufig abends vor dem Schlafen gebetet habe, ohne dazu erzogen worden zu sein. Sie habe das einfach für sich getan, weil es ihr Halt gegeben habe, mit Gott zu sprechen und für Dinge zu beten, die in ihrem Leben nicht so gut liefen. „Ich habe eigentlich nie gedacht, dass ich zwingend eine Konfession brauche, um an Gott zu glauben. Irgendwann habe ich dann aber persönlich gemerkt, dass ich gerne für mich auch offiziell katholisch sein möchte.“

Svenjas Taufe im September 2020
Svenjas Taufe im September 2020

»Sich taufen zu lassen heißt keinesfalls, nicht kritisch zu sein. Gerade jetzt braucht die katholische Kirche Menschen, die dazu beitragen, sie zu verändern.«

Svenja Comino

Eine Taufe im Erwachsenenalter ist heutzutage eher ungewöhnlich.
 Svenja hat dafür auch Kritik einstecken müssen. Für sie stehen die aktuell stark diskutierten, strukturellen Probleme der katholischen Kirche aber nicht im Konflikt mit der Entscheidung, ihren Glauben durch den Kircheneintritt zu festigen: „Die Taufe schließt für mich eine kritische Positionierung nicht aus. Ich bin auf jeden Fall der Meinung, dass sich etwas ändern muss. Dabei bin ich der festen Überzeugung, dass man nur was verändern kann, wenn man selbst Teil dessen ist.“ 

Entsprechend glaubt sie daran, dass durch jeden weiteren Menschen, der sich entschließt, katholisch zu werden, die katholische Gemeinde und damit die Kirche ein bisschen bunter wird und sich verändert. Viel Potenzial, die Kirche im Sinne der Kinder und Jugendlichen zu verändern, sieht sie dabei auch in der Arbeit der KjG, die den Glauben in diesem Sinne vorlebt: 

„Wenn ich alle Hürden außer Acht lassen würde, will ich irgendwann auf die Kirche schauen und sagen: Die haben es geschafft! Endlich werden alle Menschen akzeptiert. Egal welche sexuelle Orientierung und egal welches Geschlecht. Dass man einfach katholisch sein kann, so wie man möchte.“


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