Oft fühlen wir uns von Schönheitsidealen gefesselt.
30.01.2020
Body + Soul

"Warum sehe ich nicht so aus?"

body positivity - oder: Wie kann man lernen, den eigenen Körper zu akzeptieren?

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Von Lioba Vienenkötter

„Ich bin zu dick.“ „Warum sehe ich nicht so aus?“ „Warum habe nur ich Pickel im Gesicht?“ – gebt es zu: Mindestens einen dieser Gedanken hattet ihr auch schon mal im Kopf oder habt ihn vielleicht sogar ausgesprochen. Wir alle zweifeln mal an unserem Körper, manche mehr, manche weniger. An so einem Körper kann man aber auch viel bemängeln: das Gewicht, die Größe, Pickel, Dehnungsstreifen, Körperbau, krumme Nasen, die Haarfarbe, die Augenfarbe, ja auch die Form der Knie. Und häufig bemerkt man selbst nicht wie irrational die eigene Kritik ist, dass man sich über Dinge beklagt, die andere nicht bemerken.

Wie kommt man aus dieser Unsicherheit raus? Wie lernt man, den eigenen Körper zu akzeptieren? Schwierige Fragen. Für diesen Artikel habe ich Antworten gesucht – und mehr als eine gefunden.

Um die Unsicherheiten gerade junger Menschen besser einschätzen zu können, habe ich mich mit Franzi Hupperich unterhalten. Franzi hat Erziehungswissenschaften studiert, arbeitet in einer Jugendwohngruppe und ist Pfadfinderleiterin in Schermbeck. Sie bekommt von ihren Pfadis (13-16) häufig mit, dass diese mit dem eigenen Gewicht, der Figur unzufrieden seien. Franzi sagt, jeder sei irgendwann unzufrieden mit dem eigenen Körper. „Aber gerade in der Pubertät, wenn der Körper sich schnell verändert, beginnen Jugendliche sich mit anderen zu vergleichen.“ Dafür bräuchte es nicht immer das Internet: oft reicht es schon, wenn die beste Freundin die schlankeren Hüften habe oder der Kumpel den definierteren Bauch.

Gerade das Gewicht sorgt oft für Unsicherheit.

Eine Studie der World Health Organisation aus dem Jahr 2014 hat ergeben, dass 50 Prozent der 15-jährigen Mädchen und ein Viertel der gleichaltrigen Jungen sich selbst ein wenig oder viel zu dick fänden. Franzi hat oft erlebt, dass sich die Jugendlichen vollkommen vom Urteil ihrer Altersgenossen abhängig machen. Ein besonders drastisches Ereignis sei es gewesen, als ein Mädchen im Zeltlager bis zum Nachmittag nichts gegessen habe, weil ihr Schwarm sie als fett bezeichnet habe. Wenn die Jugendlichen mit ihren Unsicherheiten zu ihr kämen, versuche Franzi sie wiederaufzubauen, denn sie sagt: „Jeder ist so perfekt, wie er gemacht wurde“. Es sei trotzdem oft schwer, den Jugendlichen gut zu zusprechen, denn „wenn man sich selbst nicht schön findet, dann lässt man das auch von anderen nicht zu“.

Ein großes Problem sieht Franzi in den Medien, in denen man um Körper und Nacktheit nicht herumkommt. Und während Frauenzeitschriften vor allem Tipps dazu veröffentlichen, wie Frau der Männerwelt gefallen könne, präsentieren sich im Fernsehen und auf Instagram perfekt gestylte, trainierte und geschminkte Menschen. Von Filtern ganz zu schweigen. Die Studie „warum sehe ich nicht so aus?“ von ANAD (einem Verein, der Wohngruppen für Menschen mit Essstörungen betreut) zeigt, welchen Einfluss mediale Bilder auf unsichere Jugendliche haben können. Die Studie hat ermittelt, dass bei 70 Patientinnen der 241 Menschen mit Essstörung die Serie „Germany’s next Topmodel“ einen starken und bei weiteren 72 Patientinnen etwas Einfluss auf die Entwicklung ihrer Essstörung hatte. Der Großteil der Betroffenen (85 %) sieht eine potenzielle Verstärkung der Krankheit durch die Sendung. Ähnliche Auswirkungen lassen sich auch für andere Formate wie „The Biggest Loser“ und ähnliche vermerken.

Nacktheit und Körperlichkeit begegnen uns in der Öffentlichkeit überall.

Hanna Bohnekamp, selbst Teil der Medienwelt, unterstreicht hingegen die Chancen, die social media bieten, sie beschreibt ihren Account als „Seelsorge im Internet“. Sie zeigt sich trotz Akne auf ihrem Instagram-Account ungeschminkt, thematisiert ihre Unsicherheiten offen und bezeichnet sich selbst als „Skinfluencerin“. Die persönlichen und oft emotionalen Nachrichten ihrer Zuschauenden zeigen ihr, welche Hilfe ihre stories für viele sind und wie viel Kraft sie vermitteln kann. Oft fühle man sich im Freundeskreis mit seiner Unsicherheit allein, das Internet biete die Möglichkeit sich mit anderen zu vernetzen und sich gegenseitig Mut zuzusprechen.

Das ist auch der Grundsatz der body positivity-Bewegung. Ich frage Hanna, was body positivity für sie bedeute. Sie antwortet: „Kein Problem damit zu haben, nicht ins Raster zu passen. Sich also zum Beispiel auch ohne Make-up wohlzufühlen und dafür geradezustehen, sich nicht verunsichern zu lassen durch Blicke oder so etwas.“. Klingt einleuchtend. Bei meiner Recherche habe ich eine weitere Erklärung gefunden, die mir zugesagt hat, von Kathrin vom Blog „Marshmallow-Mädchen“. Sie schreibt: 

„Der Kernpunkt von Body Positivity ist zu verstehen, dass das physische Aussehen und der Wert, den ein Mensch hat, zwei vollkommen unterschiedliche Dinge sind.“

Kathrin
vom Blog "Marshmallow-Mädchen"

Ich finde das so treffend, weil man schnell vergisst, dass der Körper mehr ist als nur eine biologische Erscheinung, er ist immer auch ein soziales Konstrukt. Schließlich legt die Gesellschaft fest, was schön ist. Schließlich präsentiert die Gesellschaft in der Öffentlichkeit, in den Medien nur schöne Körper.

Ich frage Hanna nach einem Lösungsansatz, nach einem Tipp für alle, die sich mit dem eigenen Körper unwohl fühlen, sie zuckt mit den Schultern. „Das ist leider voll schwer, man muss da nämlich selber raus. Aber das ist ja gleichzeitig eine gute Nachricht, denn man hat es selber in der Hand. […] Man kann sich selber helfen.“ Natürlich ist das nicht so einfach, schließlich müsse das eigene Bewusstsein dazu kommen, dass das Leben so viel schöner als die Gedanken sei. Hanna sagt, dass es wichtig sei, sich nicht über die Unzufriedenheiten zu definieren:

Man sollte sich nicht verstecken.

„Ich muss mich nicht mich über meine Akne als Mensch definieren. Denn ich bestehe ja nicht nur daraus.“

Hanna Bohnekamp
Instagrammerin und "Skinfluencerin"

Für Hanna habe es sich bewährt, aus dem Kontakt mit ihrer community Kraft zu schöpfen und sich gleichzeitig für andere mit den gleichen Problemen starkzumachen: Wenn sie ohne Make-up aus dem Haus geht, versuche sie besonders viel zu lächeln, um dem Gegenüber zu zeigen, dass man auch mit Hautunreinheiten glücklich sein könne. Dabei sei ihr überhaupt erst aufgefallen, dass sie viel weniger angestarrt werde, als sie es selbst gedacht hatte.

Für Hanna habe es sich bewährt, aus dem Kontakt mit ihrer community Kraft zu schöpfen und sich gleichzeitig für andere mit den gleichen Problemen starkzumachen: Wenn sie ohne Make-up aus dem Haus geht, versuche sie besonders viel zu lächeln, um dem Gegenüber zu zeigen, dass man auch mit Hautunreinheiten glücklich sein könne. Dabei sei ihr überhaupt erst aufgefallen, dass sie viel weniger angestarrt werde, als sie es selbst gedacht hatte.

Vielleicht hat Michael Swiatkowski eine Antwort auf die Frage, wie man sich selbst leichter akzeptieren kann. Er arbeitet im Kompetenzzentrum für digitale religiöse Kommunikation am Zentrum für angewandte Pastoralforschung der Ruhr-Uni Bochum. In diesem Rahmen beschäftigt er sich auch mit Körperdarstellungen im Internet. Er sagt: "Über das Körperbild auch in christlichen Kontext zu sprechen ist wichtig. Allein aus dem Grund dieses Feld nicht nur den anderen gesellschaftlichen Deutungsmuster zu überlassen und somit die Chance auf die Unterstützung beim gelingendem Leben von jedem Einzelnen zu nicht zu verpassen. Die Bewegung body positivity im Kontext um das Thema Körperbilder bietet hervorragende Anschlussmöglichkeiten sowohl für pastorale Reflexion, als auch seelsorgliches Handeln. Im Feld der Jugendpastoral kann es schnell zu einem Hauptthema werden."

Körperliches und geistiges Wohl bedingen sich gegenseitig.
Der Körper ist unser Tempel.

»Wie wir über unseren Körper denken, kann uns sowohl physisch als auch geistlich beeinflussen. Hier sind also drei Tipps, um ein besseres Körperbild zu modellieren.
1) Verwende eine wertschätzende Sprache über Ihren Körper.
2) Einen gesunden Lebensstil verfolgen im Sinne der Verantwortung für den uns gegebenen Körper.
3) Beachte deine Einstellung, versuche deine Einstellung wertfrei zu erfassen anstatt den Körper zu kritisieren. Das verschiebt den Fokus auf deine innere Sichtweise, anstatt ein Urteil über einen Körpertyp zu fällen.«

Michael Swiatkowski
Theologe am Kompetenzzentrum für digitale religiöse Kommunikation

Wenn ich mir all diese Antworten so anschaue, egal ob von Franzi Hupperich, Hanna Bohnekamp oder Michael Swiatkowski, dann bleibt bei mir vor allem ein Gedanke hängen: Selbstakzeptanz. Ich glaube, man muss nicht alles am eigenen Körper lieben, man darf zweifeln und Baustellen haben, aber es ist wichtig, den eigenen Körper zu akzeptieren, ihn wertzuschätzen und zu respektieren. Wir haben nur den einen und gerade die kleinen Unterschiede machen uns aus und schön. Feiern wir die Differenzen, anstatt sie zu problematisieren.

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