Warum die Politik endlich handeln muss und auch die Kirche sich einmischen sollte?
Ein Statement unserer YOUPAX-Autorin zum Brand im Flüchtlingscamp auf der Insel Lesbos.
Moria brennt. Es ist viertel vor 7 an diesem Morgen, der mit einer so schrecklichen Nachricht beginnt. In dem Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist ein Feuer ausgebrochen. An mehreren Stellen seien Brände entzündet worden, die nun die vielen dort untergebrachten Menschen bedrohen. Die zugehörigen Bilder geben nur einen kleinen Eindruck in die verehrende Situation und erschüttern mich bereits zutiefst. Als ich die Nachricht lese, liege ich zusammengerollt und mit Tränen in den Augen in meinem Bett. Ich bin bewegungsunfähig, in Schockstarre. Das menschen- unwürdige Flüchtlingslager Moria steht in Flammen. 13.000 Betroffene. Und ich?
Ich bete und komme mir dabei völlig bescheuert vor. Als hätte dieses Gebet in den letzten Monaten und Jahren etwas bewirkt. In mir das Gefühl, absolut nichts tun zu können. So viele haben immer wieder ihre Stimmen erhoben und auf die fatale Situation hingewiesen. Gestern noch standen 13.000 Stühle vor dem Reichstag symbolisch dafür, dass wir Platz für eben diese Flüchtenden haben. Heute sind 13.000 Menschen bedroht von dem Tod, verfolgt von Flammen und weiter auf der Flucht.
Die mahnenden Stimmen wurden nicht gehört und die Politik hat nicht gehandelt. Initiativen sowie Aktivisten und Aktivistinnen haben zuletzt immer wieder davor gewarnt, dass es zu einer Katastrophe kommen würde, wenn nicht die europäische Politik endlich Lösungen finden würde, statt wegzuschauen. Lösungen, welche die knapp 13.000 Betroffenen aus dem für nur etwa 3.000 Hilfesuchende ausgelegten Lager in Sicherheit bringen würden. Zuletzt waren in Moria die ersten Corona-Fälle aufgetreten, wo sich das Virus in kurzer Zeit zu verbreiten drohte. Aus diesem Grund wurde eine Quarantäne über das Camp verhängt, wodurch Unruhen unter den Bewohnenden aufkamen. Lange wurde unter unter dem Hashtag #leavenoonebehind die Forderung verbreitet, Moria zu evakuieren. Moria ist nun evakuiert, denn es liegt in Schutt und Asche.
#Moria now. looks like total wasteland . Photos sent to me by resident Raid. Thoughts among officials of housing ppl on open areas far away from inhabited areas as temp measure . That’s a crisis of gigantic proportions on all levels - political , humanitarian . EU must wake up pic.twitter.com/yKD6aj5q05
— Giorgos Christides (@g_christides) September 9, 2020
Wie genau es zu den Bränden kam, ist noch unklar. Medienberichten zufolge handle es sich um Brandstiftung, da die Feuer an verschiedenen Orten gleichzeitig auftraten. Doch wer genau für die Katastrophe verantwortlich ist - ob Geflüchtete selbst beteiligt waren oder sie von Gegnern ausging - bleibt noch ungeklärt. Die Nachrichten berichten, dass einige Bewohner des Camps die Feuerwehr mit Steinen beworfen haben sollen. Während diese Information in den sozialen Medien Mistrauen auslöst und einen Hass gegen all die Flüchtlinge des Lagers schürt, zeigt es mir erneut wie aussichtslos und menschenunwürdig die Umstände vor Ort gewesen sein müssen.
Zum Glück scheint es, dass sich ein Großteil der Betroffenen rechtzeitig in die umliegenden Wälder hat flüchten können. Auch wenn man das Flüchtlingscamp nie als Heimat oder gar Unterkunft bezeichnen konnte, stehen die Betroffenen nun mit noch weniger da und die EU-Länder hüllen sich noch in Schweigen statt endlich ihre Grenzen zu öffnen.
Ich bin entsetzt, enttäuscht und wütend. Das wäre – und da bin ich mir sicher – auch Jesus. Er war selbst Flüchtling und hat sich für die Armen und die Schwächsten eingesetzt. Als Gottes Sohn hat er stets jenen seine Arme geöffnet, die seine Stütze brauchten. Oder anders: Er hat die Nächstenliebe gelebt, die wir in diesem Fall vergessen haben. Wir als Einzelpersonen sind vielleicht machtlos, aber wir als Glaubensgemeinschaft, als katholische Kirche, waren viel zu lange still. Besser spät als nie ist es an der Zeit, sich einzumischen, eine gemeinsame Stimme zu erheben, die Türen zu öffnen und Nächstenliebe vom Wort zur Tat zu machen.