Orte zum Sterben
27.02.2022
Body & Soul

Tabuthema Tod

Warum fällt es uns so schwer, über das Sterben zu reden?!

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von Noah Fritsche

Es mag total seltsam klingen, aber ich glaube der eigene Tod, oder besser das eigene Sterben, sollten in unserem Leben eine viel größere Rolle spielen.
Ich schalte das Radio an. In den News höre ich von einem Autounfall, bei dem vier Menschen ums Leben gekommen sind. Von Hunderten Geflüchteten, die auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrunken sind. Oder kürzlich von einer verstorbenen Sängerin, deren Namen ich noch nie gehört hatte.

Nachrichten über das Sterben erreichen uns also ständig. Sie scheinen uns aber gar nicht so recht zu treffen. Denn von dem Sterben all dieser Menschen sind wir in unserem Leben kaum betroffen. Wenn überhaupt, dann ist es nur ein kurzer Gedanke, wie schrecklich das doch alles ist. Und ja, dann geht das Leben weiter. Das Sterben dieser Menschen ist einfach zu weit weg.

»Letzte Nacht war es bei Oma so weit…«

Ich selbst bin in meinem Leben erst einer sterbenden Person begegnet: meinem Opa. Eine echt seltsame Situation, denn ich wusste gar nicht so richtig, was ich sagen oder tun sollte. Mir fehlte die Erfahrung mit dem Sterben. Und ich bin sicher, so geht es nicht nur mir.
Genauso verhält es sich auch mit dem Tod. Erst vor Kurzem verstarb die Großmutter einer guten Freundin. Erfahren habe ich davon über WhatsApp mit der kurzen Nachricht: »Letzte Nacht war es bei Oma so weit…« Kein richtiges Wort vom Sterben, kein einziges Wort vom Tod.
Es wirkt so, als würden wir dem Sterben und dem Tod am liebsten aus dem Weg gehen. Vielleicht haben wir deshalb auch extra Räume für Sterbende geschaffen. Wir lagern das Sterben im wahrsten Sinne des Wortes aus unserem Lebensraum aus.

Sterben muss lebendig werden

Natürlich benennen wir diese Räume zum Sterben nicht so. Doch im Grunde sind Hospize, Altersheime und Krankenhäuser nichts anderes als Räume für Sterbende. Das soll an dieser Stelle auf keinen Fall nur negativ klingen. Die Arbeit in und die Existenz all dieser Orte ist unheimlich wichtig! Wir sollten aber die Tatsache, dass Sterben allgegenwärtig ist, durch diese räumliche Trennung nicht aus den Augen verlieren.
Sterben gehört zu jedem Leben dazu und trotzdem schaffen wir es nicht, auch das Sterben zu leben.
Was muss sich also ändern?
Ich finde: Wir brauchen ein lebendiges Sterben.
Der erste Schritt, den jeder von uns gehen muss, ist, sich bewusst zu machen, dass das Leben endlich ist. Wir müssen eine Haltung gegenüber meinem eigenen Tod entwickeln und meinen Frieden damit schließen, dass ich nicht ewig leben werde.

Die Hürde über den Tod zu sprechen

Meine Tage auf dieser Welt sind begrenzt und genau das macht das Leben ja erst wertvoll.
Ja, der Gedanke an den eigenen Tod ist zunächst total befremdlich. Und es macht uns gewissermaßen verwundbar. Aber vielleicht ist es genau das, was es so schwierig macht, Sterben in unser Leben mit aufzunehmen.
Diese Hürde zu durchbrechen, das sollte mein und unser Ziel sein. Und dafür brauchen wir Mut. Wir müssen uns überwinden und mit anderen über das Sterben reden. Wir müssen unsere eigene Sterblichkeit annehmen. Und wir können Haltung dem Tod gegenüber nach außen tragen.
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Der Tod als weisende Instanz

Und dann?
Wenn ich gelernt habe, meinen eigenen Tod als nichts Schlimmes zu verstehen, eröffnen sich mir Wege zu einem bewussteren Leben. Ich kann Entscheidungen mit mehr Weitsicht treffen. Es gelingt mir eher mich glücklich zu machen, als nach dem Willen anderer zu leben. Ich werde offener und empathischer gegenüber meinen Mitmenschen.
Sobald mir das gelungen ist, ist der Tod nicht nur noch das traurige Ende eines Lebens, sondern ein Wegweiser durch ein bewussteres Leben

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