Zwei Stories voller Emotionen
Ihr müsst keine Superkräfte besitzen, um guten Stoff für eine spannende Geschichte zu haben. Die beiden Studierenden Tim Wenzel und Anna Schulke zeigen, dass in jedem von uns ein Storyteller steckt und dass wir keine Superheldinnen und Superhelden sein müssen, damit jemand unser Drehbuch liest oder unserer Geschichte beim Lagerfeuer zuhört.
Tim und Anna nehmen am Fachtag Storytelling teil. „Das Thema klang für mich und meinen Berufswunsch interessant, deshalb möchte ich Storytelling lernen“, sagt der 21-jährige Tim, der an der Katholischen Hochschule in Paderborn im fünften Semester Religionspädagogik studiert. Tim möchte Gemeindereferent werden und engagiert sich deshalb ehrenamtlich in der Seelsorge. In seinem Studium ist ein Praktikum vorgesehen, das er zurzeit parallel zum Studium beim Brüderkrankenhaus St. Josef absolviert. Im Workshop erzählt er vor den Teilnehmenden eine Geschichte.
»Glücksmomente können Jugendliche erleben. Es wird Situationen geben, in denen sie ungeahnt über etwas dankbar sind – so wie ich in einem Paderborner Krankenhaus.«
Tim Wenzel
Studierender der Religionspädagogik an der
Katolischen Hochschule in Paderborn
Den Blick weiten
VON TIM WENZEL
„Ich mache ein dreimonatiges Praktikum im Brüderkrankenhaus. Dort bin ich auf einer Station eingesetzt. Jede Woche komme ich ins Krankenhaus, um mit den Patienten ins Gespräch zu kommen. An diesem einen Sonntag war ich vor Ort auf der Station.
Es war relativ ruhig. Dann klopfte ich beim Schwesternzimmer an, um mich zu vergewissern, welcher Patient seelische Unterstützung braucht. Nachdem mir die Schwester das Zimmer nannte, ging ich zum Patienten. Ich sprach mit der der Person und vermittelte Hoffnung. Die Krankheit zerrt an den Kräften der Menschen. Vor allem, wenn sie Rückschläge wegstecken müssen, ist es schwer.
Als ich dann nach einer halben Stunde bei dem Patienten rausgegangen bin, ging ich erneut zum Schwesternzimmer. Ich sagte der Schwester, dass ich bei dem Patienten war. Dann stellte ich die Frage: Wie geht’s Ihnen eigentlich? Daraufhin blickte ich in erstaunte Gesichter. Die Schwester sagte zu mir: Das hat uns ja schon lange keiner mehr gefragt! Da war ich sehr überrascht.
Die Krankenhaus-Seelsorge soll für alle da sein. Doch oft vergessen wir die Menschen, die so stark in etwas involviert sind. Die Schwestern luden mich auf ein Stück Kuchen ein. Wir kamen ins Gespräch und sie erzählten mir, was sie beschäftigt und wie der Alltag im Krankenhaus ist. Nun habe ich einen anderen Blick – auch wie das System wahrgenommen wird. Nach Kaffee und Kuchen ging ich nach Hause.“
„An diesem Abend war ich glücklich und dankbar, was ich erreicht hatte: Seelsorge am Patienten und dem Pflegepersonal.“
Auf die Frage, welchen Titel seine Geschichte trägt, antwortete er: „Den Blick weiten“. Den Blick für unterschiedliche Menschen weiten, möchte Tim in seiner Tätigkeit als Gemeindereferent. Storytelling setzt er in seiner Arbeit um. Im Weihnachtsgottesdienst in einer evangelischen Kirche hält er eine Ansprache über Weihnachten und möchte dabei Elemente des Storytellings nutzen. Er sagt:
„Glücksmomente können Jugendliche in ihrem Alltag erleben. Es wird Situationen geben, in denen sie ungeahnt über etwas unglaublich dankbar sind – so wie ich in einem Paderborner Krankenhaus“.
Die 21-jährige Anna studiert Soziale Arbeit an der Fachhochschule Dortmund. Sie möchte Sozialarbeiterin werden. Bereits während des Abiturs merkte sie, dass ihr die Geschichten von Menschen am Herzen liegen. Vor einem Jahr entschied sie sich für eine Weiterbildung zur ehrenamtlichen Helferin in der Hospizarbeit. Anna erzählte im Workshop eine Geschichte.
»Dieses Erlebnis als ehrenamtliche Hospizbegleiterin war schön. Es hat mir gezeigt, dass meine Tätigkeit sehr wichtig ist und einen Sinn hat. Es ist richtig, was ich tue!«
Anna Schulke
Studierende der Sozialen Arbeit an der
Fachhochschule Dortmund
Absolut schön!
VON ANNA SCHULKE
„Ich begleite seit einem halben Jahr eine ältere Dame im Altenheim.
Die Verständigung mit ihr ist nicht einfach, weil sie nur nicken und den Kopf schütteln kann oder sich durch Laute äußert. Sie sagt damit, ob sie etwas möchte oder nicht. Ich habe ihr bisher viel vorgelesen, ihr Geschichten aus meinem Leben erzählt und wir haben oft zusammen Fernsehen geschaut.
An diesem einen Tag kam ich zu ihr ins Zimmer und fragte, ob ich ihr etwas vorlesen kann oder erzählen soll. Sie wollte das alles nicht. Dann habe ich einfach den Fernseher angemacht und wir haben die Sendung „Bares für Rares“ angeschaut. Sie lag im Bett. Ich saß auf einem Stuhl daneben. Dann machte ich einen trockenen Kommentar über die Sendung. Den sagte ich nicht direkt zu ihr, sondern einfach vor mich hin in den Raum. Plötzlich kam in dem Bett, in dem sie lag ein ganz komisches Geräusch – wie „hmmmhmmm“.
Ich schaute rüber und wunderte mich. Da war ich auf Alarmbereitschaft, dachte mir nur: Oh Gott, was soll ich machen? Soll ich die Schwester holen oder die Klingel drücken? Bis ich dann verstand, dass sie am Lachen war und es nicht Schlimmes zu bedeuten hat, sondern zum ersten Mal eine große Reaktion zeigt.“
„Dieses Erlebnis als ehrenamtliche Hospizbegleiterin war sehr schön. Es hat mir gezeigt, dass meine Tätigkeit sehr wichtig ist und einen Sinn hat. Es ist richtig, was ich tue!“
Anna möchte auch weiterhin Menschen über die Malteser Ambulanten Hospizdienste Dortmund begleiten und ermutigt junge Leute dazu, sich ebenfalls für die Weiterbildung zu entscheiden. Der Dienst begleitet Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt iin ihrem Zuhause, im Seniorenheim, im Krankenhaus oder in stationären Hospizen. Anna gibt ihrer Story den Titel „Absolut schön“, da es ein sehr erfüllendes Ergebnis für sie war.
Die Welt ist voller Geschichten
Zehn Vorschläge, die dir helfen, deine Geschichte spannend zu erzählen, liest du im Artikel „Die Welt ist voller Geschichten: Zehn Tipps für eine packende Story“.
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