Weltreise
23.10.2019
Faszination

„Hier sein, fühlt sich an wie ein Traum“

Nathalia kommt aus Vitória in Brasilien. Sie ist eine der wenigen Süd-Nord Freiwilligen und berichtet YOUPAX warum das eine besondere Chance ist.

test
von Sophie Kiko

Glück im Unglück. Als Nathalia sich vor einem Jahr in ihrer Heimat Brasilien den Knöchel brach und ins Krankenhaus musste, lernte sie Maria und Nikolia kennen. Zwei deutsche Schwestern, die damals einen Freiwilligendienst in Brasilien absolvierten. Begeistert von anderen Sprachen und Kulturen stellte sie sich die Frage: „Wenn die Beiden nach Brasilien kommen können, kann ich dann auch nach Deutschland gehen?“. Heute hat sich die junge Brasilianerin diesen Traum erfüllt. Sie ist eine der aktuell sechs Süd-Nord Freiwilligen, die über den Mundus Eine Welt e.V. ihren Weg in verschiedene soziale Einrichtungen des Erzbistums Paderborn gefunden haben.

Nathalia Araújo Pignaton
Nathalia Araújo Pignaton

»Alles kommt mir so magisch und unwirklich vor.«

Nathalia Araújo Pignaton 
22 Jahre, Freiwillige aus Brasilien

Nach langen Vorbereitungen und viel Aufregung aufseiten der Organisatoren konnte sie Ende August mit fünf weiteren Freiwilligen aus Namibia, Madagaskar, Albanien und Brasilien in Empfang genommen werden. Zwei Weitere sollen noch kommen. Im gemeinsamen Sprach- und Orientierungskurs hatten sie vier Wochen Zeit, gemeinsam anzukommen, sich einzuleben und einen ersten Einblick in die deutsche Kultur zu bekommen, bevor es dann Ende September in die Einsatzstellen ging. Die 22-Jährige Nathalia arbeitet nun seit etwa drei Wochen in der Kita St. Christophorus in Sennelager mit.

Zwischen all den Kindern begegnet sie einem als junge, strahlende Frau. „Dass ich hier in Deutschland bin, fühlt sich an wie ein Traum. Alles kommt mir so magisch und unwirklich vor.“, erzählt sie mir beim gemeinsamen Rundgang über das Gelände. Seit zwei Wochen unterstützt die junge Brasilianerin nun die Zebragruppe der Kindertagesstätte: 13 Kinder mit und ohne Behinderung. Dabei steckt Nathalia eigentlich noch mitten im Studium der Wirtschaftswissenschaften, welches sie für die Zeit in Deutschland pausiert. Sie sagt: „Ich war, von der Idee noch einmal länger wegzugehen, fasziniert, aber hatte nicht damit gerechnet, dass das klappt.“

Von der Freude über die Möglichkeiten im Ausland, ließ sich ihre Familie nicht direkt anstecken. Während die Mutter der jungen Brasilianerin fürchtete, dass sie ihr Studium vernachlässigen würde und sich vielmehr einen festen Job für ihre Tochter wünschte, hatte ihr Vater grundsätzlich keine Meinung. „Vor allem hat sich aber mein Bruder Sorgen gemacht. Viele Brasilianer denken die Deutschen seien kalt und zurückhaltend. Er hatte wirklich Angst, dass ich mich stark verändern und ich sehr ernst zurückkommen würde“, erzählt sie lachend, wobei sie gleichzeitig eine Träne verdrückt. Meistens vermisse sie ihre Familie nicht, aber gerade heute hat ihr Bruder ihr unzählige Fotos aus vergangenen Zeiten geschickt, die sich Nathalias Gastfamilie gewünscht hatte. Sie berichtet, dass sie sich darin verloren habe und an viele schöne Erinnerungen zurückdenken musste. „Die Chance hier zu sein ist das Heimweh allerdings wert. Ich muss und kann noch in vielen Dingen wachsen und stärker werden“, sagt sie.

».Ich musste zum ersten Mal aus meiner Komfortzone herauskommen. Mein größter Fehler war, dass ich versucht habe, alles alleine zu schaffen.«

Gerade die ersten Tage in der Kita waren nicht leicht für die Freiwillige. Die Kinder seien zwei Stunden schüchtern gewesen. Danach wurde Nathalia voll gefordert. „Dabei musste ich zum ersten Mal aus meiner Komfortzone herauskommen. Mein größter Fehler war, dass ich versucht habe, alles alleine zu schaffen. Vieles von dem, was die Kinder wollten, konnte ich nicht verstehen“, erzählt sie. Gerade, wenn es zu Streitigkeiten kam, war die junge Frau somit überfordert und habe sich nicht überwinden können, Hilfe zu suchen.

Nathalia habe dann schnell gemerkt, dass sie mit sich selbst zu streng gewesen ist. Für die kommende Woche nahm sie sich vor, entspannter an die Arbeit zu gehen und in schwierigen Situationen eine ihrer zwei Kolleginnen hinzuzuziehen. Damit habe alles schon viel besser geklappt und trotzdem sei die Arbeit mit den verschiedensten Kindern anstrengender als gedacht. „Die Kinder geben mir allerdings bereits nach dieser kurzen Zeit viel zurück. Das ist die Anstrengung wert.“

Nathalia genießt die Arbeit mit den Kindern

Um ihren Aufgaben noch besser gerecht zu werden, nutzt Nathalia ihre tägliche Mittagspause, um sich zurückzuziehen und Deutsch zu lernen. Sie möchte die Zeit sinnvoll nutzen und Sprachbarrieren überwinden. Ihre Gastfamilie habe sie schon gefragt, ob sie mit ihr ins Kino gehen möchte, doch von deutschen Filmen verstehe sie kaum etwas. Für die junge Brasilianerin ist die Sprache ausschlaggebend, um sich besser einbringen zu können und ihren Kollegen und Mitmenschen näherzukommen.

 In ihrer Gastfamilie hat die Brasilianerin hingegen kaum Sprachprobleme. Da ihr Gastvater gutes Portugiesisch und ihre Gastmutter Englisch spricht, konnten sie schnell eine Verbindung zueinander aufbauen. „Meine Familie hier ist ganz anders als die in der Heimat. Für sie ist Nachhaltigkeit und ökologisches Denken von hoher Relevanz. Außerdem unterstützen sie mich in meinem künstlerischen Interesse. Das sind Themen, für die in Brasilien oft kein Platz ist, da andere Probleme im Fokus stehen.“

Die aktuellen Süd-Nord Freiwilligen des Mundus Eine Welt e.V.s

Bis zum 31. Oktober haben auch alle interessierten Jugendlichen des Erzbistums zwischen 18 und 28 Jahren noch die Chance sich last minute beim Mundus Eine Welt e.V. auf einen der begehrten „weltwärts“-Plätze zu bewerben und ein aufregendes Jahr in den verschiedensten Ländern dieser Welt zu erleben. Nathalia sagt: „Jeder sollte die Erfahrung machen aus der Heimat wegzugehen. Es fühlt sich an, als sei man in einer anderen Welt. Alles ist magisch und irgendwie neu. Du kannst sein, wie du möchtest und eine Pause zwischen Schule, Uni oder Beruf einlegen.“ Der Freiwilligendienst sei eine Herausforderung, ein Schritt ins Unbekannte. Jedoch sei die Möglichkeit zu besonders, um sich nicht zu bewerben. Nathalia sagt: „Ich würde es zu jeder Zeit wieder tun.“

Jedes Jahr reisen rund 3.500 junge Deutsche in Entwicklungsländer auf der ganzen Welt, um in den kulturellen Austausch zu kommen, sich für mehr Weltoffenheit einzusetzen und in den unterschiedlichsten Projekten mitzuarbeiten. Umgekehrt nahmen im Jahr 2018 nur 640 junge Menschen aus aller Welt die Chance wahr durch die „weltwärts“-Förderung der Bundesregierung einen internationalen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Deutschland zu absolvieren. Erstmalig konnte in diesem Jahr auch der Mundus Eine Welt e.V. des Bundes des deutschen katholischen Jugend Paderborn es acht jungen Frauen und Männern ermöglichen, daran teilzunehmen und für sie eine Einsatzstelle im Umkreis Paderborn finden. Der Verein entsendet schon seit 2008 jährlich etwa 15 Freiwillige aus dem Erzbistum in Länder wie Südafrika, Madagaskar, Brasilien und Peru. Die zuständige Referentin Theresa Rode berichtet, dass es an der Zeit war, den Partnerländern auch etwas zurückzugeben, indem nun auch Freiwillige aus diesen Ländern nach Deutschland kommen können.

YOUPAX ist gespannt, was Nathalia im kommenden Jahr in Deutschland erleben wird. Um über ihre gesammelten Erfahrungen, ihren Glauben und die politischen Situationen in Brasilien zu sprechen, werden wir sie in einigen Monaten wiedertreffen.

Logo Mundus Eine Welt e.V.

Weitere Infos zu Freiwilligendiensten im Erzbistum Paderborn und zur Bewerbung für einen Nord-Süd Freiwilligendienst findest du auf der Homepage des Mundus eine Welt e.V.s

Mix