06.06.2021
Lifestyle

In der Gruppe und doch allein

Sängerin Leonie Dierkes wirft einen Blick auf junge Menschen, die trotz aller Gemeinschaft allein sind

test
Von Lioba Vienenkötter

Es ist quasi der Eurovision Song Contest auf katholisch: Momentan läuft deutschlandweit der Vocation Music Award. An dem Musikwettbewerb für christliche Singer und Songwriter nehmen auch mehrere Künstlerinnen und Künstler aus dem Erzbistum Paderborn teil. Dazu gehört auch Leonie Dierkes aus Paderborn mit ihrem Lied „Background“.

Freitagsmorgens, ein Brückentag. Leonie Dierkes hat schulfrei. Sie ist noch ein bisschen verschlafen, doch im Gespräch wacht sie ganz auf. Sie erzählt mit dem sie sich beim Vocation Music Award bewirbt, ihrer Firmung und ihrem nahen Schulabschluss. Aber alles der Reihe nach.

"I don't know why no one can see you're broken"

Leonie Dierkes ist 15 Jahre alt, sie kommt aus Paderborn und macht dort gerade ihren Realschulabschluss. Sanach möchte sie Erzieherin werden und ihr Abitur machen. Außerdem geht sie in ein paar Tagen zur Firmung. Der Grund, warum sie beim Vocation Music Award mitmacht: „Bei der Firmvorbereitung haben wir den Link für den Wettbewerb bekommen und da ich sehr gerne Musik mache, singe und Lieder schreibe, dachte ich, ich probier’s einfach mal.“

Leonie tritt mit ihrem Lied „Background“ an. Ein rauer Song, der von Jugendlichen erzählt, die am Rand einer Gruppe stehen. Die nicht dazugehören. Die von den anderen nicht bemerkt werden. Sie habe den Text auf Grundlage einer selbst beobachteten Geschichte geschrieben, sagt Leonie und erzählt von einem Freund, dem es genau so ergangen sei. 

Allein in einer Gruppe – das ist ein Phänomen, das Leonie bei einigen jungen Menschen beobachtet. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass zum Jungsein vor allem die Selbstfindung und Selbstinszenierung gehören und man sich erst einmal eine Position in der Gruppe der Gleichaltrigen suchen muss. 

Bei ihrem Freund konnte Leonie irgendwann nicht mehr zusehen. Sie ging auf ihn zu, redete mit ihm, war für ihn da. Sie sagt: „Ein offenes Ohr zu haben, ist in solchen Fällen extrem wichtig und hilfreich. Deshalb singt sie in ihrem Song: „So c'mon c'mon and tell me what's happen”.


Leonie Dierkes, Schülerin aus Paderborn nimmt am Vocation Music Award teil.

"bring them to smile"

Ihr tut es total gut, auf andere zuzugehen, sie anzusprechen und aufzumuntern, erzählt Leonie. Auf diese Weise habe sie auch schon eine andere Freundschaft geknüpft: In diesem Fall war sie diejenige, die am Rand stand und die von einem anderen Mädchen im Urlaub angesprochen wurde. Seitdem sind die beiden gute Freundinnen. Und manchmal helfe schon ein Lächeln, um das Schweigen zu brechen:

Manchmal reicht es, dem anderen eine Hand zu reichen.

»Ein Lächeln kann ziemlich viel ausmachen! Gerade in den letzten Monaten ist mir aufgefallen, wie wichtig ein Lächeln ist: klar, man kann auch mit Maske lächeln, aber das ist nicht das Gleiche. Ein Lächeln kann ansteckend sein, es macht einfach glücklich.«


Leonies Song ist an vielen Stellen  sehr rau: Die Stimmung wird untermalt von sympathisch unperfektem Gitarrenspiel. Die Kombination aus Text und Stimme erinnern an ein Streets of London-Cover von Billie Eilish. Man merkt Leonie sofort an, dass sie weiß, wovon sie singt, dass sie die beschriebenen Situationen schon miterlebt hat und genau erzählen kann, wie sich Jungsein und Einsamkeit anfühlen. Das macht ihren Song so authentisch und einzigartig.

Im Refrain nimmt das Lied dann Fahrt auf: Der Rhythmus wird schneller, Leonie kommt im Gesang richtig aus sich raus: „Der Refrain, der schneller und lauter wird, gibt das Zeichen, auf andere zuzugehen. Er sagt: Geh auf sie zu, rede mit ihnen, mach etwas mit ihnen, lass sie nicht allein!“

In diesem Aufeinanderzugehen sieht Leonie auch den Bezug zum Wettbewerbsthema Berufung: Gerade in der heutigen Happiness-Gesellschaft, in der alle in den Insta-Storys lächeln und Fotos von ihren tollen Erlebnissen posten, müsse man sich um andere kümmern und auf seine Mitmenschen achten, sagt die 15-Jährige. Einen religiösen Bezug sieht sie genau darin: im Paradigma der Nächstenliebe und in Jesus Aufopferung für die Menschen. Diese Gedanken ziehe sie vor allem aus ihrer persönlichen Erfahrung, ihre Firmvorbereitung hätte sie aber darin bestärkt.

Was den Vocation Music Award angeht, ist Leonie recht entspannt: „Ich bin eigentlich gar nicht aufs Gewinnen aus. Mir geht es darum, die Menschen zu berühren und das rüberzubringen, was ich in meinem Lied erzähle: Wir sollten mehr aufeinander achten und aufeinander zugehen.“ Trotzdem weiß sie ganz genau, warum es sich lohnt für ihr Lied abzustimmen: „Mein Lied ist etwas anderes – gerade weil es auf Englisch ist. Es ist außerdem nicht so direkt auf Gott bezogen, es holt Gott in den Alltag hinein, wenn wir Jesu Botschaft als Berufung verstehen.“


Ihr Freund, von dem das Lied erzählt, fände das Lied übrigens sehr schön, sagt Leonie. Er wisse aber nicht, dass es um ihn geht.

Mix