12.04.2020
Faszination

Ich habe den Herrn gesehen

YOUPAX-Autorin Miriam stellt sich vor, sie führte ein Interview mit Maria Magdalena. Was sie dabei hört, ist unglaublich.

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von Miriam Pawlak

Ich habe die Osternacht zusammen mit Papst Franziskus und den vielen Gläubigen, die bei der Liveübertragung dabei waren, gefeiert. Es ist ein Ersatz für die leibliche Feier – der Versuch, die Nähe zu Jesus Christus über den Bildschirm aufzubauen, gelingt zwar, weil ich mich ganz darauf einlasse, aber es ist doch nicht dasselbe. 
So ganz nah dabei zu sein, das wünsche ich mir auch für den Tag der Auferstehung Jesu. Es gibt eine faszinierende Frau, die ihn bis zuletzt begleitet hat und die dann die allererste sein durfte und Jesus im Prozess seiner Auferstehung sah. Sie weiß am allerbesten wie es war… Gedanklich bin ich ihr gefolgt. Jetzt stelle ich mir vor, wie ich sie interviewe, die Frau aus Magdala.

Nach dem Johannesevangelium (20, 1-17)

Ich sehe sie vor mir, wie sie mir gegenübersitzt mit ihrem langen dunklen Haar. Sie hat dieses breite Lächeln, das sie selten ablegt – immer strahlt sie… und diese Augen! Sie funkeln bei jeder Silbe, die sie betont. Ich finde sie sehr schön. Wir sitzen an dem Ort, wo es geschah. Die Auferstehung – als sie im Prozess war. 
Ich bitte sie mir alles ganz genau von vorne zu erzählen. Und in dem Moment legt sie schon los: Als es Morgen war – „und es war wirklich sehr früh, es war noch dunkel“, betont sie, stand sie auf um das duftende Salböl, das sie in der Nacht zubereitet hatte, in ein Alabastergefäß umzufüllen, um es besser transportieren zu können. Es war eine wohlriechende Mischung, schließlich wusste sie ja, welche Düfte Jesus besonders gefielen, sagte sie und sie zwinkerte dabei. 
Ich will jetzt eigentlich fragen, welche, aber sie ließ mir keine Minute. Sie redet einfach weiter und es ist zu schön ihr zuzuhören, so dass ich mich wieder zurücklehne und ihr einfach nur zuhöre. Sie erzählt mir, dass es für Frauen total gefährlich war, das Haus allein zu verlassen. Natürlich hatte sie Angst, aber es war ihr wichtiger zum Grab zu gehen. Ihr liebster Mensch lag dort und sie wollte ihn salben, wie sie es gewohnt war. „Das hat für mich immer etwas mit Hingabe zu tun“, sagte sie und ihre Augen wurden dabei feucht.

Aus dem Mund der Auferstehungszeugin

Aus ihr sprudelt es danach nur so heraus: „Als ich am Grab angekommen war, kam der große Schock: der Stein war weg! Ich war bis in die Knochen verschreckt. Ich muss etwas tun, schnell handeln, zum Denken blieb keine Zeit, dachte ich. In meinem Kopf ging der Alarm an – der Leichnam ist weg, ich muss ihn auf jeden Fall wiederholen – was mache ich jetzt?“ Sie schreit mit weit aufgerissenen Augen, als sei es gerade erst passiert. Da erzählt sie weiter: „Ich rannte einfach los zu Simon Petrus und Johannes, aber sie glaubten mir natürlich nicht und liefen selbst zum Grab. Als ich an der Grabstätte ankam, da waren sie schon wieder weg. Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich war so wütend und traurig zugleich. Wütend, wie jemand einfach den Leichnam meines Herrn aus dem Grab nehmen konnte und ich weinte vor tiefer Trauer, weil ich Angst hatte, ihn nicht mehr wiederzusehen. Ich dachte, ich hätte schon alle Tränen vergossen, als ich ihn sterben sah. Noch nie zuvor hatte ich so viel geweint. Aber ich begann wieder zu schluchzen. Ich beugte mich also vorsichtig in die Grabkammer. Das war genau hier, wo wir jetzt sitzen. Jetzt denkst du wahrscheinlich, dass ich geträumt habe, aber, was ich dir sage, ist wahr. 

Ich sah zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten. Dann redeten sie plötzlich mit mir. Frau, warum weinst du?fragten sie mich und ich antwortete ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben. Maria Magdalena sieht mich an. „Das Ganze war merkwürdig“, sagt sie und fährt fort: „Mir lief es heiß den Rücken hinunter. Sowas hatte ich noch nie erlebt! Denn kaum hatte ich den Satz gesagt, drehte ich mich um und dann war da diese Gestalt. Ich dachte, das kann ja nur der Gärtner sein, wer sonst würde sich jetzt hier aufhalten? Dieser fragte mich: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Das waren seine Worte. Daran erinnere ich mich noch genau. Ich hatte ja nichts zu verlieren also habe ich ihm gesagt, dass wenn er meinen Jesus weggebracht hat, sollte er mir gefälligst sagen, wohin er ihn gelegt hat! Dann würde ich ihn schon holen. Ich drehte mich wieder um und fuhr mir mit meinem Tuch über das Gesicht, um mir den Schweiß und die Tränen abzuwischen. 

Plötzlich, dieser Moment. Diese Sekunde. Das kannst du dir kaum vorstellen, das musst du erlebt haben“, wiederholt sie und sie macht eine kurze Pause und atmet ein und aus. Ich höre, dass es ein unterbrochener Atemzug ist. Sie beginnt zu zittern, jetzt fließen ihr Tränen über das ganze Gesicht. Sie spricht im Flüsterton weiter: „Er hat mich bei meinem Namen genannt. Maria, sagte er. In dem Moment wandte ich mich um, sah ihn und antwortete auf Hebräisch mit Rabbuni. Meister, rief ich! Ich stolperte fast über meine eigenen Füße, als ich ihn gerade umarmen will, da sagt er: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen.

Ich wusste gar nicht, wie mir geschah, es ging auf einmal alles so schnell, aber diesen liebevollen Blick, mit dem er mich ansah, diese warmherzige Stimme, in der er mit mir sprach, die werde ich niemals vergessen können. Das war einmalig.“

Eine junge Frau mit rotem Tuch im Wind

Ihre Stimme wird ruhiger und auch ich spüre meinen Atem wieder. Sie erzählt die Geschichte noch zu Ende: 
„Jesus gab mir dann den Auftrag, zu unseren Brüdern zu gehen und ihnen zu sagen, dass er hinaufgeht zu seinem und unserem Vater, zu seinem und zu unserem Gott. Ich war so beseelt von dieser intimen Begegnung mit ihm, dass ich nicht anders konnte, als so schnell wie möglich die Botschaft zu verkünden. Ich habe den Herrn gesehen!, rief ich dem ganzen Dorf zu, das gerade erst in der Morgendämmerung erwachte. Vielleicht hielten die Leute, die mich rennend und wild gestikulierend sahen für verrückt, aber das war mir egal: Ich habe den Herrn gesehen! Das ist das einzige, was in dem Augenblick zählte und es ist diese Begegnung mit ihm, die mich prägt.“

Maria strahlt so eine innere Kraft aus. Sie hat das alles so erzählt, als sei es gerade erst passiert. Ich habe immernoch Gänsehaut. 
Es ist dabei auch in mir etwas passiert – in mir ist die Geschichte des Evangeliums real geworden. Er lebt. Ich trau mich, Maria aus Magdala hat mir den Mut vorgelebt, auch mir ist jetzt danach zu rufen: Ich habe ihn gesehen! HALLELUJA!
Traust du dich auch?

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