27.11.2017
Andacht

"Du bist dran."

Meine Gedanken zum Thema "Politik"

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Von Johannes Schäfers
Zu meiner Schulzeit hingen auf den Fluren und im Treppenhaus meiner Schule Bilder, die wir Schülerinnen und Schüler im Kunstunterricht zuvor gestalten durften oder musste. Eines dieser Bilder habe ich auch Jahre später noch vor Augen, auch wenn ich nicht einmal weiß, wer es geschaffen hat: Ein schwarzer Tonkarton, auf dem schemenhaft mit weißer Kreide ein Gesicht gezeichnet wurde. Total minimalistisch, unwichtig ob männlich oder weiblich, jung oder alt. An der Stelle, an der man einen Mund erwarten würde, klebten zwei Heftpflaster wie ein X überkreuzt.
Das eigene Spiegelbild

»Jeder Mensch braucht einen anderen Menschen als Gegenüber.«

JOHANNES SCHÄFERS
Gemeindereferent in Paderborn
und Referent der Diözesanstelle Berufungspastoral

„Jemandem den Mund verbieten“, ist die Redensart, die mir dazu in den Sinn kommt. Auch wenn hier nicht klar ist, wer hier das sprechen verbietet. Ist es die Außenwelt, die dem gezeichneten Menschen das Wort verbietet? Ihm nicht erlaubt an der Kommunikation der anderen teilzunehmen. Und wenn dies gemeint ist, warum ist es ihm nicht erlaubt? Zu jung? Zu alt? Zu männlich? Zu weiblich? Zu dumm? Zu klug? Zu fremd? Zu anders? Zu…? Kann es für die Einschränkung der Kommunikation von Außen überhaupt eine Rechtfertigung geben?

Oder hat sich der gezeichnete Mensch selbst das Wort verboten. Weil er sich nicht beteiligen will oder kann. Ich glaube, in dieser Möglichkeit liegt ein entscheidendes Problem vieler Menschen unserer Zeit. Vor der letzten Wahl sagte mir ein Freund: „Ich gehe nicht wählen. Ich habe doch sowieso keine Ahnung davon.“

Richtungsweisend
Innen und Außen
Fensterblick
Regnerische Aussichten

Wo stehen wir jetzt und wo wollen wir eigentlich hin?

Der Ursprung solcher Meinungen liegt vielleicht in der Komplexität der Politik oder sogar der ganzen Welt. Aber ich vermute auch, dass viele unserer Mitmenschen diese Haltung teilen, weil sie sich zu selten fragen, was ihnen wirklich wichtig ist.

Welche Werte, Themen oder Errungenschaften ihnen so bedeutend sind, dass sie dafür das Wort ergreifen wollen oder dass sie zumindest mit ihre Stimme eine politische Partei unterstützen, der sie eine Kompetenz in diesem Themenfeld zutrauen. Dabei ist dies doch entscheidend: Wo stehen wir jetzt und wo wollen wir eigentlich hin? Ohne eine Idee der Zukunft gibt es auch nichts, auf das man sich als Mensch oder Gesellschaft hinentwickeln kann.

„Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.“

MATTHÄUS 25, 35f

Manche anzustrebende Ziele kann man aus sich selbst heraus generieren, weil es einfach Themen gibt, die einem selbst sehr wichtig sind. Mir ist es zum Beispiel wichtig, dass jede und jeder ein Leben lang die Chancen hat, etwas zu lernen und sich somit weiter zu entwickeln. Dafür setzte ich mich selbst ein und unterstütze aber auch Menschen, denen ich zutraue, dass sie dies ermöglichen.

Das Evangelium eröffnet uns dazu einen anspruchsvollen Katalog von Themen, die uns als Christen wichtig sein sollten. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10), sagt dazu Jesus über sich selbst und alle Menschen. Hier steckt drin, dass jeder Mensch das Recht zu leben hat und auch, dass es eine gutes, gefülltes Leben sein soll.

Aber nicht im individualistischen Sinn (jeder für sich soll es gut haben), sondern im globalen Sinn (er ist für alle gekommen). Das geht dann natürlich nur mit Kompromissen, denn die Ausdehnung des eigenen erfüllten Lebens stößt durch die Ausdehnung des erfüllten Lebens unserer Mitmenschen immer wieder auf Grenzen.

Konkreter wird Jesus dann im Matthäusevangelium: „Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.“ (Mt 25,35f) Er zeigt uns Grundbedürfnisse des menschlichen (Zusammen-)Lebens auf, für die es sich einzusetzen lohnt: Jede und jeder hat das Bedürfnis nach Essen und Trinken, einem Obdach und Kleidung, und vor allem nach einen anderen Menschen, der ihn annimmt, der sich bei Krankheit kümmert und selbst bei eigener Schuld noch den Kontakt aufrecht erhält. Jeder Mensch braucht einen anderen Menschen als Gegenüber.

Jeder hat einen anderen Weg

Damit diese Bedürfnisse erfüllt werden, muss nicht jeder ein politisches Amt übernehmen, aber die Chancen und Verpflichtungen, die unsere aktuell hart umkämpfte Demokratie bieten, müssen von uns genutzt werden. Interesse am anderen und dessen Bedürfnissen und die eigene entwickelte Mündigkeit sind entscheidend. Weil wir alle Teil dieser Welt und unserer Gesellschaft sind, müssen wir uns auch so engagieren.

Guter Gott. Ich bin Teil dieser Welt, die Du erdacht hast. Hilf mir meinen Ort, meine Aufgabe, mein Gegenüber zu erkennen. Damit die Welt die Gestalt annimmt, die Du für sie erhoffst. Amen.

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