Grüne Augen einer Frau, die nach oben schaut
06.09.2018
Perspektive

Wofür schlägt dein Herz?

YOUPAX-Autorin Miriam Pawlak ist auf der Suche. Vielleicht nach ihrer Berufung.

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Von Miriam Pawlak

Diese eine Frage bewegt mich schon sehr lange. Extrem lange. Wie geht es nach dem Studium weiter? Für manchen von euch klingt das vielleicht banal, aber ich bin auf der Suche. Ich befinde mich im letzten Abschnitt meines Studiums. Zwar habe ich eine Idee, wie es weitergehen könnte, aber trotzdem spüre ich eine innere Unruhe. Kann ich meine Ziele verwirklichen und damit glücklich werden? Mich treibt aber noch eine viel stärkere Frage: Ist das auch der Weg, der für mich persönlich bestimmt ist - der Weg, den Gott mit mir vorhat? 

Dazu gibt es eine Vorgeschichte: Als ich eines Tages ganz entspannt im Internet surfte und mir schon fast die Augen ausfielen, las ich: "Was in mir angelegt ist, ist der Weg, den Gott mit mir vorhat". Das ist doch wie auf mich zugeschnitten, dachte ich. Sekunden später war ich auf der Seite des Bergklosters im sauerländischen Bestwig gelandet. Immer wieder las ich diesen Satz, der mir so nahe vorkam: "Was in mir angelegt ist..." Genau das wüsste ich gern! Es war die Überschrift für ein Berufungswochenende. Berufung - noch so ein inspirierendes, fast unerschöpfliches Wort. Einige Klicks später war ich angemeldet. 

Aus der Ferne geöffnetes Fenster mit Blick auf einen Garten
Das aufgeschlagene Buch mit Goldschnitt erinnert an eine Bibel.

Ich nahm also an dem besagten Berufungswochenende teil und bereits in der ersten Vorstellungsrunde ging es persönlich zu. Wir waren nur zu viert. Eine junge Frau und ich, wir waren die einzigen Kandidatinnen. Dazu kam die Schwester, die das Wochenende leitete und noch eine junge Frau, die sich dem Kloster sehr verbunden fühlt und vorher selbst schon diesen Wochenendkurs besucht hatte. Wir saßen einem wohlgeheizten Raum. Jede von uns hatte einen Gegenstand mitbringen sollen, der ihr besonders am Herzen lag. Nun erklärten wir, inwiefern er symbolhaft oder charakteristisch für die derzeitige Lebensphase steht.

Ehrlich gesagt war ich erstaunt über die Modernität des Symbols der Ordensschwester, die sich mit ihrem Ladekabel fürs Smartphone vorstellte. Gegenüber von ihr saß ich dann - mit meiner holzgeschnittenen Figur in der Hand, die Maria aus Magdala darstellt.  Ich kam mir fast schon altmodisch und total uncool vor. Nachdem ich aber über die Bedeutung dieser Frau für mich gesprochen habe und erwähnte, dass sie ein Vorbild für mich sei, schaute mich die Schwester berührt an und sagte: "Genau das hat unsere Ordensgründerin auch gesagt".

Was hatte das zu bedeuten, dass ich so spreche wie eine Ordensgründerin?

Noch mehr Herzklopfen folgte dann beim Mittagessen, als sich eine weitere Ordensschwester zu uns gesellte. Sie wurde deshalb zu uns an den Tisch eingeladen, weil sie die jüngste Schwester des Konvents ist und einiges über sich erzählen sollte. Zudem lud sie uns anschließend zu einem Schriftgespräch ein. WHAT?! Sie ist in meinem Alter und trägt bereits den schwarzen Schleier?! Also nicht mehr den weißen, den die Novizinnen bekommen, das heißt, dass sie schon länger dabei ist. Beeindruckend.

Ganz besonders faszinierten mich die Nachtgebete nach dem Abendessen. Während wir singend, betend oder im Stillen vor dem Tabernakel weilten, verspürte ich die Anwesenheit dessen, der sich als der mitten unter uns Gegenwärtige anvertraut hat: Gott selbst. Ich vernahm eine enorme Wärme und Kraft. Manchmal fühlte es sich an, als ob auch die Musik der Gitarre der Schwester mit der Melodie meiner Gedanken rhythmisch in Einklang gerieten… Und dann wieder diese eine Frage in meinem Kopf, in meinem Herzen:

Was ist meine Berufung?

Eine junge Frau schreitet durch eine Tür ins Weite
Im Klosterinnenhof fließen die Gedanken wie das Wasser im Brunnen.
Im Klosterinnenhof fließen die Gedanken wie das Wasser im Brunnen.
Mit jedem Schritt durch eine offene Tür schließen und öffnen sich neue Türen.
Mit jedem Schritt durch eine offene Tür schließen und öffnen sich neue Türen.
Der Blick aus dem Mittelschiff der Klosterkirche fällt auf die hell leuchtend schwebende Scheibe mit dem Corpus Christi, die über dem Altar hängt.
Ein beschlagenes Fenster mit eingezeichnetem Herz.

BERUFUNG.

Das "Mehr" als nur ein Beruf? 

Der Ruf Gottes an den Menschen? Der Mensch, der zu Gott ruft? Gerufen-Sein?

Ich habe bisher keine für mich perfekte Definition von "Berufung" gefunden. Ich glaube auch, dass es keine gibt, weil jeder Mensch ganz individuell davon spricht und es immer andere Wege sind, die man geht. Wichtig erscheint mir doch, dass es ein Weg ist, ein längerer Prozess, der auf dem Dialog zwischen Gott und Mensch aufbaut. Es ist ein Weg, der Gottvertrauen, Mut und Selbsthingabe voraussetzt, dessen bin ich mir sicher. Es ist ein Weg, an dem der Zug der Berufung hält. Hält er an, so ist es meine Aufgabe, einzusteigen. Tut er es nicht, könnte der Zug abgefahren sein und ich würde meine Berufung vielleicht verfehlen - denn der Zug hält nur einmal im Leben. Ich habe gelernt, mich nicht unter Druck zu setzen, denn der Zug ist kein ICE, der einfach so vorbei rauscht. Er fährt langsam, um nicht zu entgleisen. Am Bahnsteig angekommen, wartet er, gibt sogar noch ein Signal, bevor er losfährt. Ich muss innerlich und von äußeren Umständen so frei sein, um das Signal, zu vernehmen. Und dann liegt es an mir: 

Einsteigen - jetzt oder nie?

Aber: Passe ich überhaupt in das Bild "Kloster" hinein?


Ich meine, schließlich saß ich dort mit Make-up und meinen 10 cm-Absatz-Stiefeln inmitten der Schwestern, die ihre Ordensgewänder trugen. (Wenn ich mir so vorstelle nur noch grau und schwarz tragen zu müssen, dann bedeutet das schon einen riesigen Verzicht.) Die Antwort einer Schwester brachte mich zum Staunen: Sie sagte mir, dass man spüre, wie sehr mich eine innerliche Sehnsucht verzehre, wie ich die Nähe zu einem Leben mit Gott suche und wie ehrlich ich mich an den Fragen der Nachfolge interessiere. Äußerlichkeiten sind dann nur eine Nebensache.


Nach so kurzer Zeit waren das schon große Worte in meinen Ohren, die ich dankbar aufnahm. Daran merkte ich stärker als zuvor, dass es wirklich um etwas Inneres geht. Die Schwester schaute in mein Herz, las es aus meinen Worten, aus meinen Fragen, aus meiner Schrift, aus meiner Stimme - um mir zu sagen, dass das, was mich (an)treibt, ein Gottesgeschenk sei. Äußerlichkeiten sind ablegbar, Innerlichkeiten nicht.


Trotzdem war ich mir fast schon sicher, dass mein Weg nicht das Klosterleben sein könne. Ich wollte diese Tür aber nicht voreilig schließen und dachte mir, dass es nicht schaden könnte, sich die Bestätigung vor Ort abzuholen und eventuell mehr darüber zu erfahren, was ich Zukunft in meinem Leben tun könnte. Jetzt, nach dem Erlebten ist für mich wieder alles offen. Ich kann diese Tür nicht schließen, denn damit würde ich mich meinem Berufungsweg verschließen. 

Ich habe mich wohl gefühlt, ja mehr noch, ich habe mich gefreut, dass man etwas in mir erkannt hat, dass darauf hindeutet, dass Gott wirklich etwas mit mir vorhat. Mit mir. Gott hat etwas mit mir vor und ich darf in kleinen Schritten seine entgegengestreckte Hand aufsuchen. 

Vielleicht hast du auch schon mal sowas Ähnliches erlebt oder willst es?

Um diesem Wink Gottes folgen zu können, muss man sich fokussiert darauf konzentrieren und damit auch ein Stück weit Familie und Freunde zurücklassen. Das ist hart aber wichtig. 

Vor allem außerhalb des universitären Kontextes, gilt es für mich, sensibler auf das zu schauen, was mich umgibt - da muss ich mich von allem lösen, das mich zu sehr bindet, ohne dabei zu vergessen, wer ich bin. Gleichzeitig auch nicht sofort zum Höchsten greifen, sondern erstmal auf mein Herz zu hören, das nehme ich ernst. Das klingt vielleicht ein bisschen kitschig oder nur so daher gesagt: Wenn du dir selber unsicher bist und dich stark abhängig machst von anderen Menschen, die du gern hast, und die Angst sie zu enttäuschen dich nicht loslässt, dann bleibt dir am Ende nichts anderes übrig, als in dich selbst hineinzuhören. Und diese zaghafte, leise, innere Stimme, die in deinem Herzen spricht, die nimmt dich so an, wie du bist. Weil sie dich kennt. Weil sie immer da ist, auch wenn du sie nicht hörst. Weil sie dich frei machen will. Weil sie dich (be)ruft.

»Deshalb, Brüder und Schwestern, bemüht euch noch mehr darum, dass eure Berufung und Erwählung Bestand hat! Wenn ihr das tut, werdet ihr niemals scheitern.«

2 Petr 1, 10

Was hat Gott in DIR angelegt?

Wenn du dem Nachgehen möchtest, dann kann ich dir nur eines empfehlen: Tu es! Trau dich! Jage dem nach, was dich umhertreibt. Und vielleicht hörst du ja dann schon mehr, als du gedacht hast.

Hilfreiche Angebote rund um die Themen Berufsberatung, Berufungscoaching und geistliche Begleitung findet Ihr auf der Homepage der Diözesanstelle Berufungspastoral unseres Erzbistums Paderborn:

www.berufungspastoral-paderborn.de

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