Bonhoeffer mit Schülern (Bonhoeffer - erste Reihe r. a.)
Bonhoeffer mit Schülern (Bonhoeffer - erste Reihe r. a.)
29.12.2020
Politik

Dietrich Bonhoeffer

Ein Superheld des Glaubens

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von Maike C. Kammüller

Dietrich Bonhoeffer – ein moderner Märtyrer. Ob er, der evangelische Pfarrer, diese Zuschreibung mögen würde? Geantwortet hätte Bonhoeffer vielleicht: „Christus steht in meinem Handeln im Mittelpunkt, nicht ich.“ Und Pathos war auch nicht so ganz seine Sache.

Fest steht: Bonhoeffer starb aus Überzeugung für seinen Glauben und aus Überzeugung, Adolf Hitler stoppen zu müssen. Deshalb wird er in den christlichen Kirchen heute als Märtyrer verehrt.

1906 werden die Zwillinge Sabine und Dietrich in Breslau, Polen, geboren. Die Bonhoeffers haben insgesamt acht Kinder und kommen aus wohlhabendem Hause. Der Vater ist Professor für Psychiatrie und Neurologie. Die Mutter stammt aus dem Adelshaus von Hase. 1912 zieht die Familie nach Berlin. Dort wohnt Bonhoeffer in einem noblen Haus in der Marienburger Allee 43, bis er 1923 überraschend das Studium der evangelischen Theologie in Tübingen, Rom und Berlin aufnimmt. Schnell macht Bonhoeffer eine akademische Karriere, bis die Nationalsozialisten an die Macht kommen. Damit ändert sich für Bonhoeffer alles….

Die Zwillinge Dietrich und Sabine
Die Zwillinge Dietrich und Sabine
Bonhoeffers Elternhaus
Bonhoeffers Elternhaus

Schauen wir kurz in das Hier und Heute. Wurde Bonhoeffer vergessen? Nein. Wenn ich in meinem Bekanntenkreis nach Bonhoeffer frage, kommt als Antwort fast immer: „Bonhoeffer, der hat doch dieses schöne Lied geschrieben: `Von guten Mächten treu und still umgeben`“ und „Bonhoeffer war auch im Gefängnis mutig und stand seinen Mithäftlingen bei“. Eines steht fest, Bonhoeffers Leben ist ungewöhnlich und fasziniert die Menschen bis heute.

Aber was genau machte Bonhoeffers Leben aus? Die Kirche war für Bonhoeffer eine Gemeinschaft, die Christus nachfolgen sollte in seinem humanen und ethischen Handeln. Dass Bonhoeffer aus tiefer Überzeugung Christ war, wird vor allem in seinen Briefen und Texten deutlich. So wie eben in seinem berühmtesten Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.

„Von guten Mächten treu und still umgeben
behütet und getröstet wunderbar, –
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr;
noch will das Alte unsre Herzen quälen
noch drückt uns böser Tage schwere Last,
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das Du uns geschaffen hast.“

In stillen Momenten, bei Hochzeiten oder Beerdigungen werden diese Verse Bonhoeffers gesungen. Sie führen zu Tränen der Freude und Trauer. Bonhoeffer schreibt diese Verse nicht an einem gemütlichen Ort, geborgen und gut versorgt, sondern 1944 im Gestapokeller in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin, der für seine grausame Foltermethode bekannt ist. Wie war Bonhoeffer, gelehrter Theologe und Pfarrer, dahin gekommen?

Um diese Frage zu beantworten, springen wir in seine Zeit zurück. Bonhoeffer ist ein Familienmensch, er pflegt ein enges Verhältnis zu seinen Eltern und Geschwistern. Dass er einmal Theologe werden würde, war nicht vorauszusehen. Die Mutter erzieht ihre Kinder religiös, doch sind sie keine sonntäglichen Kirchgänger.

Dennoch zieht es Bonhoeffer zum Studium der evangelischen Theologie. In rasender Schnelle macht er seinen Doktortitel und habilitiert. Er geht nach Großbritannien und in die USA, baut sich einen internationalen Freundeskreis auf.

Erstes Finkenwalder Predigerseminar. (Bonhoeffer - letzte Reihe 2. P. v. l.)
Erstes Finkenwalder Predigerseminar. (Bonhoeffer - letzte Reihe 2. P. v. l.)

In den USA lernt er die noch neue Gedankenrichtung des Pazifismus kennen. Bonhoeffer gilt als guter Redner. Schon 1934 warnt er in seiner Friedensrede auf einer ökumenischen Tagung auf Fanö, Dänemark, öffentlich vor dem drohenden Krieg. Spätestens jetzt wissen die Nationalsozialisten, dass sie Bonhoeffer als einen Gegner des Regimes im Visier haben müssen. Bonhoeffer versucht, Sympathisanten für den Widerstand gegen die Nationalsozialisten zu gewinnen und scheitert am Nationalismus der internationalen Tagungsteilnehmer. Denn ein ausgeprägtes nationales Konkurrenzdenken war nicht nur in Deutschland en vogue. Doch Bonhoeffer betont, dass sich christliches Verhalten an den Regeln der Bergpredigt und dem Gebot „Du sollst nicht töten“ orientieren müsse. Und das zu einer Zeit, in der die Nazis in Deutschland militärisch aufrüsten.

Doch das war nicht Bonhoeffers erste Rede gegen Hitler. 1933 wagte er es, nur zwei Tage nach der Machtergreifung Hitlers, alle Rundfunk-Zuhörer davor zu warnen, dass Hitler leicht zum „Verführer des Volkes“ werden könnte – anstatt das deutsche Volk zu führen. Das war zu viel. Nach wenigen Minuten wurde die Liveübertragung abgebrochen.

1936 wird Bonhoeffer schließlich die allgemeine Lehrerlaubnis für deutsche Hochschulen entzogen. Heimlich führt er sein durch die Nationalsozialisten verbotenes Predigerseminar in Finkenwalde bei Stettin weiter. Als er erwischt wird, erhält er Rede- und Schreibverbot. Nun wird es eng für ihn.

Claus Schenk Graf von Stauffenberg
Claus Schenk Graf von Stauffenberg
KZ-Flossenbürg. Ermordungsort von Bonhoeffer
KZ-Flossenbürg. Ermordungsort von Bonhoeffer

Seine Familie möchte, dass Dietrich Bonhoeffer einen Lehrauftrag in den USA annimmt und sich außer Reichweite der Nationalsozialisten begibt. Ein Ausweg? Nicht für ihn.

Ab 1940 bekommt Bonhoeffer über seinen Schwager Hans von Dohnanyi Anschluss an den politisch-militärischen Widerstand um Admiral Wilhelm Canaris, der ihn im Amt „Ausland/Abwehr“ im Oberkommando der Wehrmacht beschäftigt. Als Vertrauensmann knüpft Bonhoeffer mithilfe seiner ökumenischen und internationalen Kontakte Verbindungen zu englischen Delegierten, reist nach Norwegen, Schweden und in die Schweiz, um Verbündete für den deutschen Widerstand zu finden.

Am 5. April 1943 wird Bonhoeffer schließlich von der Gestapo verhaftet. Der Vorwurf gegen ihn lautet: Wehrkraftzersetzung. Bonhoeffer wird inhaftiert. Erst im Militärgefängnis Berlin-Tegel, später im Berliner Gestapogefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße und im Konzentrationslager Buchenwald.
Im Dezember 1943 schreibt Bonhoeffer an seine Eltern: „In solchen Zeiten erweist es sich eigentlich erst, was es bedeutet, eine Vergangenheit und ein inneres Erbe zu besitzen, das von dem Wandel der Zeiten und Zufällen unabhängig ist. Das Bewusstsein, von einer geistigen Überlieferung, die durch Jahrhunderte reicht, getragen zu sein, gibt einem allen vorübergehenden Bedrängnissen gegenüber das sichere Gefühl der Geborgenheit.“

Nach dem gescheiterten Attentat am 20. Juli 1944 von Graf Schenk von Stauffenberg gelingt es der Gestapo, Bonhoeffer seine Widerstandstätigkeit nachzuweisen. Im Februar 1945 wird Bonhoeffer in das Konzentrationslager Flossenbürg verschleppt, wo er am 9. April, kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers, erhängt wird.

Kirchenfenster mit neuzeitlichen Heiligen (Bonhoeffer untere Reihe mittig)
Kirchenfenster mit neuzeitlichen Heiligen (Bonhoeffer untere Reihe mittig)

Bonhoeffer war einer der Wenigen, die sich getraut haben, gegen das NS-Regime zu handeln und zu sprechen. Er hatte gesehen, dass Adolf Hitler Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht. Bonhoeffer ist wirklich aus tiefer christlicher Überzeugung für das gerechte Reich Gottes und die Zehn Gebote eingetreten. Er war sich sicher, dass es nur einen Gott geben kann. Und dieser Gott hieß nicht Adolf Hitler. „Ich kann als Christ nur einem Herrn dienen und das ist Christus.“ Diese Worte setzte Bonhoeffer in die Tat um.

Bonhoeffer lebte, was er als Theologe und Hochschullehrer lehrte. In seiner Theologie stand Christus in der Mitte. In seiner „Ethik“, die wohl seine wichtigste Schrift ist, heißt es: „Wir leben, indem wir auf das in Jesus Christus an uns gerichtete Wort Antwort geben […]. Dieses Leben als Antwort auf das Leben Jesu Christi nennen wir Verantwortung“. Und das große Wort "Verantwortung" meint Bonhoeffer hier sehr konkret ausgestaltet. Freiheit und Verantwortung gehören für Bonhoeffer in einem Menschenleben zusammen. Unser Leben setze sich zusammen aus der Bindung an Gott und die uns von Gott gegebene Freiheit. Dies bedeute aber auch, dass jeder Christ tagtäglich Verantwortung für sein Handeln übernehmen müsse: „Er muss beobachten, urteilen, abwägen, sich entschließen, handeln“. Leben im Wort Gottes bedeutete für Bonhoeffer konsequenterweise das NEIN zu Hitlers menschenverachtender Politik. Aus dieser Überzeugung heraus wusste Bonhoeffer, dass er den Nationalsozialisten Widerstand leisten müsse. Deshalb gilt Bonhoeffer heute zurecht als ein Superheld des Glaubens.

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