In seinem Buch erzählt Rainer Maria Schießler ansprechend und ehrlich über sein Leben als Münchner Pfarrer
Ein fluchender Priester? Eins muss man Rainer Maria Schießler lassen: Mit der Wahl seines Buchtitels macht er mich neugierig. Der 57-jährige mit den hochgekrempelten Hemdsärmeln auf dem Cover ist Münchens bekanntester Pfarrer und leitet dort zwei Gemeinden. Auch über die Stadtgrenzen hinaus hat er sich mit teilweise unkonventionellen Aktionen einen Namen gemacht: So kellnert er seit Jahren in Lederhose auf dem Oktoberfest, moderiert im Bayrischen Rundfunk seine eigene Talkshow und gibt als Pfarrer eines der größten Schwulenviertel Deutschlands auch homosexuellen Paaren seinen Segen.
Autor: Rainer Maria Schießler
Titel: Himmel, Herrgott, Sakrament – Auftreten statt Austreten
Preis: 19,99 €
ISBN: 9783466371471
Verlag: Kösel-Verlag München
Übrigens: Auf YouTube oder in der Mediathek des Bayrischen Rundfunks findest Du einige Videos, in denen Du Rainer M. Schießler „in action“ sehen kannst.
Schon im Vorwort macht der Geistliche deutlich, was er mit diesem Buch will: Klartext reden. Und dadurch der Institution Kirche ein Stück ihrer Glaubwürdigkeit wiedergeben, die sie vor allem in den letzten Jahren eingebüßt hat. Dass Schießler den Missbrauchsskandal thematisiert, eine gewisse Designerbadewanne in Limburg nicht verschweigt und wirklich hart mit „seiner Kirche“ ins Gericht geht, zeigt: Der meint es ernst mit der Aufrichtigkeit.
Das Buch beginnt damit, dass Schießler zu einer letzten Salbung ins Münchner Hinterland gerufen wird und sich als bekennender Motorradfan mit seiner Maschine auf den Weg macht. Aus dieser Rahmenhandlung heraus reflektiert er die großen Stationen seines Glaubens. Und einen so persönlichen und ehrlichen Einblick hätte ich wirklich nicht erwartet. Der Pfarrer schreibt offen über die teilweise kaum erträgliche Einsamkeit des Zölibats, über Momente der Verzweiflung und des Zweifelns an seinem Lebensweg mit Gott.
„Sakramente musst du spüren!“
Rainer Maria Schießler
Doch ebenso nimmt er den Leser mit zu seinem ersten Auftritt
als Messdiener, bei dem er sich vor Aufregung in den Altarraum erbrach und vor
Scham sterben wollte. Nach dem Gottesdienst rief der damalige Priester Rainers
Mutter an, bestellte ihm mit den Worten „Er hat wirklich alles gegeben!“ eine
gute Besserung und teilte ihn direkt für die nächste Messe ein. So hat der
Ministrant mit zehn Jahren zum ersten Mal erfahren, was Nächstenliebe und
Vergebung bedeutet.
Es ist wirklich fesselnd, über die Höhen und Tiefen im Leben dieses Mannes zu lesen. Man fühlt seine inneren Qualen mit, als ihm wenige Wochen vor dem Übergang vom Novizen zum Kapuzinermönch klar wird, dass dies nicht sein Weg ist – und genau in diesem Umbruch seine geliebte Mutter plötzlich stirbt. Man ist dabei, wenn er tagsüber als Theologiestudent büffelt und nachts als Taxifahrer jobbt, was ihm für seine spätere Aufgabe als Beichtvater eine enorme Menschenkenntnis bringt. Man spürt seine Wut, wenn er von leeren Worthülsen in der Liturgie spricht und seine tiefe Überzeugung, als er den Satz „Sakramente musst du spüren“ zum Credo seiner täglichen Arbeit erwählt. Und trotz sehr ernster Themen kommt auch die Unterhaltung nicht zu kurz: So erzählt er beispielsweise von wohlhabenden Münchnern, die sich nach dem Gottesdienst bei ihm erkundigen, wie oft denn die Glocken von Sankt Maximilian läuten – bevor man sich in die Nachbarschaft einkauft, will man schließlich wissen, wie es mit der Lärmbelästigung steht.
Alles in allem ist „Himmel, Herrgott, Sakrament“ ein beeindruckendes Buch über einen ungewöhnlichen, aber umso aufrichtigeren Glaubensweg. Und somit ein wirklich guter Beitrag, um die Zukunftsfähigkeit der katholischen Kirche zu diskutieren.