In dieser Rubrik stellt YOUPAX euch regelmäßig Menschen vor, die mit ihrem Glauben die Welt bewegt haben
Charles Dickens - Ein Schriftsteller mit großem Herz kämpft gegen Ungerechtigkeit
Zugegeben: Denkt man an Helden des Glaubens, fällt einem wohl nicht direkt der Name Charles Dickens ein. Vielleicht muss man auch erstmal kurz im Kopf kramen, bis einem wieder einfällt: Aah, richtig. Der hat doch diesen Roman über einen Waisenjungen geschrieben, Oliver Twist. Und gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit flimmert wieder ein Film über die heimischen Bildschirme, der auf einem seiner berühmtesten Bücher beruht: Die Geister, die ich rief mit Bill Murray bezieht sich auf Dickens‘ A Christmas Carol und holt die Handlung aus dem England in der Mitte des 19. Jahrhunderts ins Amerika der 1980er. Soweit, so gut – aber was macht Charles Dickens nun zu einem echten Helden des Glaubens?
»Auch eine schwere Tür
hat nur einen kleinen
Schlüssel nötig.«
CHARLES DICKENS
Denn bereits als Kind spürt er, wie viel Kreativität und Potential in ihm schlummern. Das hilflose Gefühl, von widrigen Lebensumständen um die eigenen Möglichkeiten betrogen zu sein, brennt sich tief in den Jungen ein. Wenige Tage, nachdem Charles in der Fabrik angefangen hat, muss sein Vater wegen seiner Schulden ins Gefängnis. Charles‘ Mutter und seine sieben Geschwister begleiten den Vater in die Haft, was damals durchaus üblich ist. Nur Charles bleibt alleine zurück – ein Kind, das plötzlich völlig auf sich gestellt ist. Drei Monate muss sich der Zwölfjährige in London durchschlagen, bis seine Familie wiederkommt. Diese Zeit bleibt auch für den erwachsenen Charles Dickens ein Trauma.
»In der kleinen Welt, in welcher Kinder leben, gibt es nichts, das so deutlich von ihnen erkannt und gefühlt wird, als Ungerechtigkeit.«
CHARLES DICKENS
Doch gerade die schmerzlichen Zeiten in jungen Jahren prägen seinen scharfen Blick für gesellschaftliche Ungerechtigkeit. Und so verliert er auch nicht das Mitgefühl für die einfachen Leute, als er schon längst ein beliebter und erfolgreicher Autor ist.
Er zeichnet in Romanen beißend-satirische Bilder von reichen Geizhälsen und prangert in Zeitungsartikeln soziale Missstände an: dass die Armen in der englischen Gesellschaft kaltherzig ihrem Untergang überlassen werden, dass einzelne Schicksale von der arroganten Oberschicht scheinheilig und desinteressiert abgetan werden, dass Kinder hart arbeiten müssen statt zur Schule zu gehen.
Ohne viel Wirbel um seine Person zu machen, nutzt er seine Bekanntheit, um die Lebensumstände seiner Mitmenschen zu verbessern. Charles Dickens engagiert sich in unzähligen wohltätigen Organisationen und hält bei gesellschaftlichen Diners flammende Reden. Die Botschaft der Nächstenliebe spricht aus jedem seiner Texte. Und nicht nur das – er appelliert ganz direkt an seine Leser, die persönliche Verantwortung in der Gesellschaft zu erkennen und innerhalb der eigenen Möglichkeiten christlich zu handeln.
In der Zeitschrift Household Words, die er ab 1850 herausgibt, fordert Dickens soziale Reformen in unterschiedlichen Bereichen des Lebens: Von der Einrichtung von Schulen für Arme, Waisen und geistig Behinderte über Kritik am Rechtssystem und den schlechten Wohn- und Hygienebedingungen in den armen Teilen Londons bis zum Plädieren für mehr Verständnis der Klassen untereinander – überall, wo es ungerecht zugeht, will der „Reformer heart and soul“ eingreifen.
In Armut, Schmutz, Krankheit, Unwissenheit und Kriminalität sieht Dickens einen Teufelskreis, der unbedingt bekämpft werden muss. Mit diesem Anliegen trifft er bei der Millionärin Angela Burdett-Coutts ins Schwarze, die er ab 1843 in ihren Entscheidungen berät. So entstehen durch diese Zusammenarbeit eine Schule für Slum-Kinder, ein Haus zur Rehabilitierung von Prostituierten und straffällig gewordenen Frauen sowie rund 200 Wohnungen für sozial schwache Personen.
„Könnten wir alle Reichen in die tiefen Armutszustände versetzen und sie zurücksenden an die Gerichtstafel und auf die Kanzel, dann würden die schönen Reden von der Verdorbenheit und Sittenlosigkeit der Armen aufhören, die bei harter Arbeit von der Hand in den Mund leben; dann würden sie's wissen, dass sie, verglichen mit jenen Hilflosen, himmlische Engel in ihrem täglichen Leben sein sollten und nur noch demütige Ansprüche auf den Himmel machen.“
CHARLES DICKENS
«Tue so viel Gutes, wie du kannst, und mache so wenig Gerede wie nur möglich darüber.«
CHARLES DICKENS
Ob der kämpferische Einsatz von Charles Dickens ganz direkt politische Reformen zu Kinderarbeit und die Einführung des Armengesetzes bewirkt hat, kann man heute nicht eindeutig sagen. Ganz klar ist aber: Viele „einfache Leute“ in England haben durch seine bedingungslose Nächstenliebe ein besseres Leben führen können oder eine zweite Chance bekommen. Und herzlosen Geschäftsleuten wurde mit Figuren wie dem Ebenezer Scrooge aus A Christmas Carol ein Spiegel vorgehalten, dem sie sich in ihrer realen Lebenswelt nicht so leicht entziehen konnten.
Dass ein Schriftsteller zu seinen Lebzeiten eine derartige gesellschaftliche Wirkung hatte und mit seinen fiktiven Erzählungen ganz konkrete Problemlösungen einforderte, ist echt bemerkenswert. Und das macht Charles Dickens zu einem strahlenden Helden des Glaubens.