Wie das Netzwerk YOUNIB jungen Menschen in Kenia durch Armut und Hoffnungslosigkeit hilft
Was Father Serge Patrick vom Leben in Nairobi erzählt, lässt einen ungläubig und unruhig zurück: Vier von sechs Familien haben weniger als einen Euro am Tag. Für Essen, Trinken, Wohnen und was sonst noch zum Leben gehört. Es gibt nur wenige Jobs – und doch ist jeder auf der Suche, wie er etwas Geld verdienen kann. Auch junge Menschen. Also suchen viele andere, schnellere Wege, um an Geld zu kommen. Sie stehlen, schließen sich in Kartellen zusammen, gehen in die Prostitution. Alles, um am Ende des Tages etwas zu Essen zu haben.
Nairobi ist die Hauptstadt von Kenia. Eine Megacity. Über 7,5 Millionen Menschen leben im Großraum der Stadt. Von dort ist Father Serge Patrick nach Paderborn gekommen. Um zu zeigen, wie den jungen Menschen in Nairobi geholfen werden kann. Dafür hat er das interreligiöse Netzwerk YOUNIB gegründet. Ein Projekt, das auch das katholische Hilfswerk missio unterstützt.
Weltmissionssonntag
Am kommenden Wochenende wird am 23. Oktober der Weltmissionssonntag gefeiert. Darin gipfelt der Weltmissionsmonat, die jährliche Kampagne des katholischen Hilfswerks missio, das Menschen in Afrika, Asien und Ozeanien unterstützt. Im Weltmissionsmonat macht missio besonders aufmerksam auf die Menschen, die Hilfe benötigen. Und sammelt Spenden für sie.
Wir treffen uns mit Father Serge an einem Montagabend in Paderborn. Als er durch die Tür tritt, versprüht er Leichtigkeit. Er wirkt lässig, in seiner Stimme liegt in tiefer Bass. Wenn er lacht, schlägt seine Stimme schnell nach oben aus.
Nach der herzlichen Begrüßung legt sich ein gewisser Ernst in seine Stimme. Er erzählt, warum er das interreligiöse Netzwerk YOUNIB gegründet hat – und das geht nicht ohne davon zu erzählen, vor welchen Challenges die jungen Menschen in Nairobi stehen.
Die Kurzfassung: Es gibt kaum Jobs. Kaum Möglichkeiten, Geld zu verdienen und so das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Und das, wo der Großteil der Bevölkerung Kenias jung ist: 75 Prozent der Menschen sind zwischen 18 und 35 Jahre alt.
Die Gründe für die Respektlosigkeit sind zu vielschichtig, um sie auf die Schnelle erklären zu können. Doch ein Aspekt ist: Einkommen und Ressourcen sind in Kenia regional und sozial äußerst ungleich verteilt.
Es gibt einige wenige sehr Reiche, die immer reicher werden. Und viele Menschen, die in Armut leben und keine Perspektive haben. Beispiel: Father Serge erzählt von einem jungen Mann, der in einem Slum Nairobis wohnt, in dem täglich mehrere Tonnen Müll abgeladen werden. Er sucht dort Essensreste, um sie an Schweinehalter weiter zu verkaufen. Zum Teil isst er auch selbst davon. "Wenn du vom Müll isst", sagt Father Serge, "dann ist das nicht mehr menschenwürdig. Dann bist du wie ein Tier“.
Es lässt sich mehr und mehr erahnen, warum Father Serge über das Leben in Nairobi sagt: „Wir kämpfen. Wir kämpfen, weil wir überleben wollen“. Und Father Serge kämpft mit. Zu YOUNIB kommen junge Menschen, die nach Gemeinschaft suchen. Die deprimiert sind. Drogenabhängig. Ins Drogengeschäft verwickelt. Aus der Schule geflogen. „Wenn junge Menschen nichts zu tun haben, machen sie schlechte Dinge“, sagt Father Serge. Deswegen ist sein Ansatz, nicht direkt mit ihnen zu beten, sondern zu tanzen.
Als er vom Tanzen erzählt, fängt er an zu schnipsen, den Kopf zu bewegen, die Schultern kreisen zu lassen. Er sagt, dass ein Tänzer in ihm steckt – und, dass Tanzen Menschen verbindet. Freude weckt. Tanzen als ein Weg, wie junge Menschen sich gegenseitig, gegenüber Father Serge und auch dem Glauben öffnen.
YOUNIB bietet jungen Menschen noch mehr. Sie können für den eigenen TV-Sender und Instagram-Account YOUNIB TV Filmbeiträge drehen und schneiden. Sie können der Jugend eine Stimme geben und darüber sprechen, durch welche Schwierigkeiten junge Menschen gehen.
Im interreligiösen Chor lernen Katholiken, Protestanten und Muslime, in Harmonie zusammen zu singen – um auch außerhalb des Chors in Harmonie zu leben. „Die meisten Grenzen zwischen Menschen sind selbstgemacht“, sagt Father Serge. „Wenn du etwas isst, willst du nicht wissen, ob der Koch Christ oder Muslim ist. Es soll lecker sein“.
Neben den Gemeinschaftsaktionen zeichnet YOUNIB auch aus, dass sie materiell helfen. Sie sammeln Kleidung, Schulbücher, Stifte und Hefte, um jungen Menschen zu ermöglichen, zur Schule zu gehen. Bildung als Chance, später einen Job zu bekommen.
Wenn Father Serge über YOUNIB spricht, wird er auch immer wieder biblisch. Er sagt: „Das Leben ist hart, aber du kannst immer aufstehen. Jesus ist nicht im Grab geblieben, er ist auferstanden“. Oder er spricht darüber, wie Jesus für alle Menschen da war. Wie er nicht nur zu den Auserwählten und Juden gesprochen hat, sondern zu allen, die ihm gefolgt sind. Wie er auf Menschen zugegangen ist, die andere nur verachtet haben. Wie er mit Menschen zu Abend gegessen hat, mit denen niemand Zeit verbringen wollte.
Man kann diese biblischen Verweise als einfache Vergleiche verstehen – oder als tiefen, inneren Antrieb. Für Father Serge und jeden ganz persönlich. Wie der Blick auf Jesus bei allen Challenges im Leben zeigt, dass es Hoffnung gibt. Und was es heißen kann, Gutes zu tun.