Der Boden in den Baracken des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau.
Der Boden in den Baracken des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau.
09.11.2021
Politik

Der Boden.

Ein Text von Nadine Bartholome über ihre Erfahrungen in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau anlässlich des Gedenktages am 09.11.2021

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von Nadine Bartholome

Meine Füße betreten den Boden. Er ist aus Steinen, nicht schön gefliest oder akkurat Stein an Stein gelegt, eher rustikal robust und „praktisch“.

Über diesen Boden liefen vor mir schon viele, viel zu viele jedoch ohne teure Schuhe an den Füßen, so wie ich sie heute trage. 

Ich setze eine Fuß vor den anderen in dem Bewusstsein, dass ich ihn gleich hinter mir lassen werde, dass meine Zukunft auf dem Schotter vor der Tür gleich weitergehen wird.
Niemand schließt eine schwere Tür hinter mir, ich stehe nicht dicht gedrängt mit anderen und nackt auf diesem Boden, niemand öffnet eine Luke über meinem Kopf. Der Boden wird nicht das letzte sein, was meine Haut berührt, bevor ich meinen letzten Atemzug mache. 

Dennoch bekomme ich kaum Luft. 

Der Boden …. Er hat so viel Leid und Tod getragen- Stumm, wo laute Schreie von den Wänden widerhallten und keine Hoffnung mehr den Raum erfüllte. 

Und ich? Ich laufe einfach hinüber. 

Scham erfüllt mich, Trauer, Wut und absolute Hilflosigkeit. Meine Füße werden schwerer, am liebsten würde ich fliegen, den Boden nicht berühren, ihm meine Last nicht aufbürden, mir nicht anmaßen dort zu gehen, wo so viele starben… 

Verantwortung! Die Vergangenheit kann ich nicht ändern, der Boden hat seine Geschichte. Diese als Mahnung in die Gegenwart zu holen und die Zukunft besser zu gestalten, das ist es was wir tun können, was wir tun müssen, für unsere Kinder und alle Menschen.

Die Pfadfinderinnen und Pfadfinder in einer der Baracken in Auschwitz-Birkenau.
Die Pfadfinderinnen und Pfadfinder in einer der Baracken in Auschwitz-Birkenau.

Am 09. November jährt sich die Reichspogromnacht, das heißt der erste gewaltsame und deutschlandweite Übergriff der Nationalsozialisten auf Jüdinnen und Juden. Heute vor 83 Jahren, also am 09. November 1938, wurden in vielen deutschen Städten Synagogen, jüdische Friedhöfe, Wohnungen und Geschäfte  zerstört und über 30 000 Menschen jüdischen Glaubens inhaftiert und in Konzentrationslager deportiert. Daran wollen wir heute gedenken. 

Dieser Text ist, genau wie der Text "Die Reihen", im Rahmen der Gedenkstättenfahrt des DPSG Diözesanverbandes Paderborn entstanden. Nadine Bartholome hat diese Fahrt als Teamerin mit organisiert und begleitet. 

Der Kranz, den die Pfadfinderinnen und Pfadfinder in Gedenken an die Opfer in Auschwitz-Birkenau ablegten.
Der Kranz, den die Pfadfinderinnen und Pfadfinder in Gedenken an die Opfer in Auschwitz-Birkenau ablegten.

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