Fußspuren im Sand vor dem Berg Sinai. Hier hat Mose die 10 Gebote von Gott empfangen.
Fußspuren im Sand vor dem Berg Sinai. Hier hat Mose die 10 Gebote von Gott empfangen.
21.05.2021
#beziehungsweise

Die 10 Gebote und der Heilige Geist

An Schawuot und Pfingsten feiern Juden und Christen, dass Gott inspiriert

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von Benedikt Körner

Von wegen 10 Gebote! Nicht weniger als 613 Gesetze finden sich in der Tora, den fünf Büchern Mose. Die bekannten 10 Gebote sind nur ein kleiner Teil davon. Für viele Jüdinnen und Juden sind diese Gesetze extrem wichtig. Sie gehen am Shabat nicht arbeiten und manche orthodoxen Juden betätigen noch nicht mal einen Lichtschalter. Im Buch Exodus heißt es nämlich, dass an dem Tag in den Wohnstätten kein Licht entzündet werden darf (Ex 35,3).

Warum erzähle ich euch das? Nun, in dieser Woche wurde im Judentum das Fest Schawuot gefeiert. Das Fest erinnert daran, dass Mose die 10 Gebote vom Berg Sinai zum Volk hinabbrachte (Ex 20,2-17 und Dtn 5,6-21). Auch im Christentum haben die 10 Gebote eine herausragende Bedeutung – und doch wird so kurz nach Schawuot ein ganz anderes Fest gefeiert: Pfingsten. Wie passt das zusammen?

Laut der Apostelgeschichte versammelten sich die Apostel und Jünger Jesu am jüdischen Fest Schwauot in Jerusalem (Apg 2,1-13). Dann geschah etwas total Ungewöhnliches: Der Heilige Geist kam in Gestalt von „Feuerzungen“ auf die Jünger herab, sodass sie fähig waren, in fremden Sprachen mit Menschen zu sprechen, die nicht aus Israel kamen. Mit dieser Fähigkeit zogen sie los und verkündeten den jeweiligen Muttersprachlern das Wort Gottes.

Das Plakatmotiv zu Schawuot und Pfingsten.

Gott als Motivator

Schawuot und Pfingsten – beide Feste werden genau 50 Tage nach einem wichtigen Fest der jeweiligen Religion gefeiert. Schawuot 50 Tage nach dem Pessachfest und Pfingsten 50 Tage nach Ostern. In beiden Festen lässt sich entdecken, dass Gott der große Motivator der Menschen ist.

Durch die Herabkunft der 10 Gebote (und damit symbolisch der ganzen Tora) motiviert Gott dazu, seine Gebote zu befolgen. Üblicherweise wird dies durch einen Brauch in der Nacht vor Schawuot bekräftigt. Dann lesen und studieren die Jüdinnen und Juden die ganze Nacht hindurch in der Tora. Im Christentum wird an Pfingsten der Heilige Geist ausgesendet, damit die Jünger voller Kraft und Mut das Wort Gottes verkünden können.

So weit zu den Rahmenbedingungen. Wenn du nun mich fragen würdest, wie mich Schawuot und Pfingsten im Glauben stärken können, dann würde ich sagen: An Schawuot lerne ich, dass Regeln zu einem gesunden Glauben und zu einem guten Leben dazugehören. Gott hätte uns die 10 Gebote nicht mitgeteilt, wenn er sich nicht daran freuen würde, wenn wir danach handeln. Wenn wir seinen Willen befolgen.

„Näher als du denkst“ – unter diesem Motto läuft im Jahr 2021 eine Kampagne, die die Gemeinsamkeiten von Judentum und Christentum unterstreichen soll.

Die Aktion lautet „#beziehungsweise – jüdisch christlich“ und ist ein Beitrag zum Festjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Jeden Monat greift die Kampagne ein anderes Thema auf. Im Mai: Schawuot und Pfingsten.

Weitere Informationen unter https://www.juedisch-beziehungsweise-christlich.de/

»Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen. Du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren.«

(Ex 20,16-17)

Das klingt vielleicht nach Einschränkung. Aber die 10 Gebote lassen sich auch anders interpretieren: Wenn ich verstanden habe, dass Gott es gut mit mir meint, dass er mich gewollt hat und jeden einzelnen Menschen liebt, dann werde ich logischerweise nach diesen Geboten handeln. Wenn ich zum Beispiel erkenne, dass ich (wie jeder Mensch) einzigartig von Gott geschaffen bin, dann muss ich nicht über andere Menschen falsch aussagen oder ihren Besitz begehren (Ex 20, 16-17).

Und als Christ darf ich daran glauben, dass Gott auch der Heilige Geist ist, der in mir wohnt, mich immer wieder antreibt, mir Kraft schenkt und mir dabei hilft, über mich selbst hinauszuwachsen. So ähnlich, wie die Jünger, als sie plötzlich in ganz fremden Sprachen reden konnten. Spirit bewegt!

Ein Erntedankfest im späten Frühling

Der Heilige Geist im Judentum
Tatsächlich gibt es auch einen Heiligen Geist im Judentum, doch ist er dort eine Kraft Gottes neben anderen, wie der Stärke Gottes oder seiner Barmherzigkeit. Wie im Christentum ist der Geist Gottes dabei eine Art Verbindung zwischen Gott und Geschöpf.

Nun zurück zum Vergleich der beiden Feste. Neben dem Zeitpunkt, an dem Schawuot und Pfingsten werden, ähnelt sich auch die Bedeutung der Namen. Schawuot bedeutet „Wochen“ und spielt damit auf Sieben mal Sieben Wochen plus einen Tag an, die zwischen Pessach und Schawuot liegen. Pfingsten kommt vom griechischen „Pentekost“, was „50“ bedeutet und für den Zeitraum in Tagen zwischen Ostern und Pfingsten steht.

Schawuot ist zusätzlich noch ein Erntedankfest. In dieser Zeit des Jahres wird in Israel der erste Weizen geerntet. Dazu passt gut, dass Synagogen zu Schawuot mit grünen Pflanzen geschmückt wurden. Unser Erntedankfest hingegen findet erst im Oktober statt. Zu dieser Zeit wird mit dem jüdischen Laubhüttenfest Sukkot auch der Weinlese bedacht.

Nicht gänzlich geklärt ist der große Fokus auf Milch-Speisen zu Schawuot. Einige Erklärungen stammen aus der Mystik, sodass zum Beispiel das hebräische Wort für Milch als „40“ dargestellt werden kann. Dies erinnere an die 40 Tage, die Mose auf dem Berg Sinai verbracht habe, um letztlich mit den 10 Geboten hinabzusteigen. Mit Erhalt der 10 Gebote, die im übertragenen Sinn dann alle anderen Gebote einschloss, sind zudem die Kochutensilien unrein gewesen. So stieg man auf Milchprodukte um. So oder so, Käsekuchen, Eis und Crepes werden mit Vorliebe am Schawuot gegessen.

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