Katharina Müller blickt mit Sorge auf den Klimawandel.
Katharina Müller blickt mit Sorge auf den Klimawandel.
25.09.2019
Perspektive

Die Sorge als Antrieb

Katharina Müller ist der führende Kopf von Fridays for Future in Paderborn - sie setzt sich dabei unbewusst für christliche Werte ein

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von Tobias Schulte

Katharina Müller ist elf Jahre alt, als sie zum ersten Mal spürt, dass etwas schiefläuft. Sie wird von ihren Eltern mit auf eine Demonstration gegen den Braunkohle-Tagebau im Rheinland mitgenommen. Sie erinnert sich, dass sie die Natur schön fand. Feldhasen hoppelten umher. „Da sagte mein Papa, dass das weggebaggert werden soll“, sagt sie. Ein „Schock-Moment“ nach dem sie sich immer mehr mit Naturschutz auseinandergesetzt hat.

»Wir tragen zum Klimawandel bei, während andere die Folgen krass zu spüren bekommen.«

Katharina Müller
Schülerin und Aktivistin bei Fridays for Future

Katharina Müller
Katharina Müller

Die 18-Jährige mit markantem Kinn und Zahnspange ist die führende Persönlichkeit von Fridays for Future (FFF) in Paderborn. Wenn gestreikt wird, hält sie das Megafon in den Händen und zählt die Politik an. Seit einem halben Jahr bestehe ihre Freizeit daraus, Demos zu organisieren und Interviews zu geben. Hat sie nicht langsam genug davon? „Ich habe mal gelesen“, antwortet sie, „dass, wenn man selbst von etwas genug hat, es die anderen Menschen erst langsam erreicht.“ Wenn sie jetzt aufhöre, dann werde sie das später bereuen. Hinzu kommt, wie sehr die Bewegung Gehör gefunden hat: „Wir haben in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür geschafft, dass es den Klimawandel gibt und jeder bei sich anfangen sollte, etwas zu ändern.“

Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind zu den großen Themen der politischen und gesellschaftlichen Debatte geworden. Bei den Europawahlen wählte die Jugend mehrheitlich die Grünen – die Partei, in der auch Katharina Müller aktiv ist. Einen „Erfolg für die Klimapolitik“ nennt sie das Wahlergebnis – allein schon, da die Regierungsparteien CDU und SPD bemerkt hätten, dass sie nun handeln müssten. Die Jugendlichen rund um FFF werfen „der Politik“ wiederholt vor, „nichts“ zu machen. Nun hat sich der CO2-Ausstoß bisher sicher nicht maßgeblich verringert, doch ist „nichts“ auch nicht richtig. Zahlreiche Vorschläge wurden präsentiert: CO2-Steuer, günstigere Bahntickets, Emissionshandel. Am Freitag, 20. September, hat die Bundesregierung dann einen Vorschlag für das Klimaschutz-Packet mit 70 Einzelmaßnahmen vorgestellt. Kritik und Verbesserungsvorschläge inklusive.

Durch die Kolping Klima-Dialoge fing es an

Dass Katharina Müller nun das Gesicht von FFF in Paderborn ist, lässt sich nicht ohne eine Aktion des Kolpingwerks im Erzbistum Paderborn erklären: die Klima-Dialoge. Dabei haben sich jeweils sieben Jugendliche und junge Erwachsene aus Deutschland und Mexiko ausgetauscht. Im Juli 2018 in Deutschland und im August 2019 in Mexiko. Anhand des ersten Dialogs habe sie erfahren, wie viel unmittelbarer die Menschen in Südamerika vom Klimawandel betroffen sind, sagt Katharina Müller. „Wir tragen zum Klimawandel bei, während andere die Folgen krass zu spüren bekommen.“ Gerade die ärmere, ländliche Bevölkerung sei in Mexiko hart getroffen.

Es sei für sie der Anstoß gewesen, sich selbst damit auseinanderzusetzen, was sie verändern kann. Darauf zu achten, welche Produkte sie einkauft und wie diese verpackt sind, sich bei FFF zu engagieren. Auf die Bewegung ist sie aufmerksam geworden, als diese noch gar nicht als Bewegung bezeichnet werden konnte. Auf einmal folgte ihr Fridays for Future bei Instagram, gleichzeitig wurde sie als Vorstandsmitglied der Grünen Jugend in Nordrhein-Westfalen angeschrieben, ob sie Werbung für die Demonstration machen könnte. Dann wurde Katharina Müller in eine WhatsApp-Gruppe für FFF in Paderborn eingeladen. In dem Chat mit weniger als zehn Mitgliedern, wurde gefragt: Wer kann eine Demonstration organisieren? „Ich kann das“, schrieb Katharina Müller zurück. Tausende Menschen gehen seitdem bei den Veranstaltungen in Paderborn auf die Straße.

Bei den zweiten Klima-Dialogen in Mexiko hat sie einen ganz neuen Blick auf Fragen des Umweltschutzes geworfen. Die Gruppe hat mit Politikern des Umweltsekretariats in Mexiko City gesprochen. In einem Tropenhaus haben die Jugendlichen erfahren, wie unterschiedlich die verschiedenen Biotope den Anstieg der Temperaturen verkraften können. Sie haben bei Kleinbauern mit zur Schüppe gegriffen und erfahren, wie es für die Landwirte angesichts von trockenen Sommern und starken Regenfällen innerhalb von kurzer Zeit immer schwieriger wird, den richtigen Zeitpunkt für den Anbau zu finden. Sie sind in den Supermarkt gegangen, mit der Anweisung, keine Produkte in Plastikverpackung und von den Herstellern Nestle und Coca Cola zu kaufen. „Ganz schön schwierig“, sagt Katharina Müller.

Sie, selbst evangelisch und nicht in der Kirche aktiv, habe Kolping als eine starke Gemeinschaft erlebt, bei der keiner ausgegrenzt werde. Gerade in Mexiko stärke die Gemeinschaft ganz praktisch das Leben der Menschen. Sie unterstützen Jugendliche dabei, das Abitur nachzuholen. Bieten Bewohnern von kriminell geprägten Vierteln einen Halt. Geben Frauen durch Yoga eine sinnvolle Alltagsbeschäftigung. Katharina Müller sagt, sie selbst glaube an Gott, ohne ein bestimmtes Bild von ihm zu haben. „Ich glaube, dass er ein bisschen das Schicksal, den Werdegang der Menschen und der Erde gelegt hat“, sagt sie und spricht davon, wie besonders es sei, dass Abläufe in unserer Natur so aufeinander abgestimmt sind.

Obwohl sie und viele andere Jugendliche bei FFF nicht aus ihrem Glauben demonstrieren – sie vertreten doch ur-christliche Werte. Katharina Müller spricht immer wieder davon, dass wir Menschen dafür verantwortlich sind, die Natur und Ökosysteme zu schützen und für die nächsten Generationen zu bewahren. Sie nennt das Schlagwort Nächstenliebe, aus dem heraus sie sich für Menschen einsetzen, die in Zukunft leben werden und die sie heute noch gar nicht kennen.

Wie nachhaltig sind die Klima-Dialoge

14 Bäume müssten sie nun eigentlich pflanzen, rechnet Katharina Müller vor, um den CO2-Ausstoß der Flüge zu den Klimadialogen nach Mexiko und zurück zu begleichen. Sie möchte es anpacken. Doch die Frage sei erlaubt: Wie nachhaltig waren die Treffen der Klimadialoge? „Ganz vorne stehen die Freundschaften, die entstanden sind. Sie motivieren, uns uns noch mehr für den Klimaschutz einzusetzen“, sagt Katharina Müller. So würden nun die Kolpingfamilien in Mexiko beginnen, den Müll konsequent zu trennen. Eine Teilnehmerin aus Mexiko habe nun angefangen, Natur-Kosmetik herzustellen.

Sie persönlich entdecke nun den Klimawandel in allen Bereichen ihres Lebens, sagt Katharina Müller. Das Papier, auf das sie in der Schule schreibe, die Lebensmittel, die sie kaufe, das Wasser und den Strom, den sie benutze – es gebe zahlreiche Möglichkeiten, sich im Alltag umzustellen. Innerhalb der Gruppe, mit der sie nach Mexiko geflogen ist, wird sie die Klima-Dialoge bei einem Seminar Ende September nachbereiten. Danach möchten sie mit ihren Erlebnissen und Tipps in die Kolpingfamilien des Erzbistums Paderborn gehen – um den Klimaschutz gemeinsam anzugehen.

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