Der Duft des Glücks
09.04.2015

Der Duft des Glücks

"Domino Effect" im Kino

Von Caroline von Eichhorn

Im Dokumentarfilm „Domino Effect“ baut sich ein frisch verheiratetes Paar eine Existenz im neuen Staat Abchasien auf. Doch die Euphorie ist getrübt, sobald sie mit den vielen Problemen des Landes zu kämpfen haben.

Sie schauen zwar aus wie Enkel und Opa, wenn sie gemeinsam in der Küche Essen zubereiten, aber sie lieben sich: Natascha aus Russland und Rafael aus Abchasien. Er kocht Kaffee, sie schneidet Gurken, und schon geht es bei einem alltäglichen Gespräch um feine kulturelle Differenzen: um wie viel Gramm Gemüse darf man sich von der Markthändlerin betrügen lassen?

Natascha und Rafael wohnen in Abchasien, einem Land am nordwestlichen Zipfel Georgiens, das auf keiner Landkarte verzeichnet ist. Die junge Republik, die sich 1993 in einem brutalen Krieg von Georgien abspaltete, strotzt vor Patriotismus: überall hängen Fahnen, Hymnen werden angestimmt, und als das Paar an einem sonnigen Tag durch einen Park geht, fühlen sie sich wie im Paradies. Natascha hat ihren ehemaligen Mann und ihre Tochter in Russland für Rafael verlassen und ist nach Abchasien gekommen.

Die zwei polnischen Regisseurinnen Elwira Niewiera & Piotr Rosołowski haben die junge Liebe von Natascha und Rafael dokumentarisch begleitet und daraus den Film „Domino Effect“ gemacht. Auf Dokumentarfilmfesten wird er gefeiert und hat schon viele Preise erhalten – weil er lustig und traurig zugleich ist. Aber auch, weil Abchasien für die allermeisten Menschen ein blinder Fleck ist – der Film zeigt ein Stück Land, über das fast niemand etwas weiß.

Bald ist Natascha schwanger. Rafael kümmert sich als Sportsminister darum, die Weltmeisterschaft im Domino in sein Land zu bringen. Klingt eigentlich recht idyllisch.

Domino EffectDoch das Leben in dem versteckten Staat am schwarzen Meer mit seinen etwa 200.000 Einwohnern ist hart. Natascha findet als Opernsängerin keinen Job und fühlt sich nicht integriert, etwa wenn sie in ihrem weißen Kleid die Familie ihres Mannes besucht. Es fehlen Investitionen, das Land hängt am russischen Rubel. Es ist weltpolitisch isoliert: fast keine Nation erkennt es als unabhängig an, Briefe werden nicht ins Land geliefert.

Rafael bleibt optimistisch und stur. Er raucht dünne, selbstgedrehte Zigaretten, statt sich mit den Problemen seiner Frau auseinanderzusetzen. Sie resigniert. Kann Rafael auf Natascha eingehen und sie wieder aufheitern?

Man glaubt kaum, dass dieser Film ein Dokumentarfilm ist. Die zwei Hauptprotagonisten sind vor den Kameras so natürlich, dass sie auch aus einem Spielfilm stammen könnten. Man fühlt mit, wenn sie zwischen Liebe und Nationalstolz wanken. Szenen und Dialoge sind so gewählt, dass der Film keine Minute lang langweilig wird.

Die Kamera dokumentiert als stiller Beobachter, wie schwierig es ist, einen neuen Staat aufzubauen: sie zeigt eine Landschaft aus veralteten kommunistischen Blockbauten, heruntergekommenen Fassaden und leerstehenden Hochhäusern. Und dennoch tragen die Bilder auch immer wieder Hoffnung, etwa wenn das Meer, seine Wellen und der Strand auftauchen – der Zufluchtsort für Abchasier.

Der Film Domino Effect liefert intime wie auch sozialpolitische Einblicke in ein vergessenes Land in Osteuropa. Er präsentiert mit einer starken Geschichte ein aktuelles Thema – er ist besonders interessant für alle, die sich für Osteuropa oder Politik. Selten illustriert eine schwierige Liebe im Kleinen die Staatsgründung im Großen. Prädikat: Sehr sehenswert.

Domino Effect läuft ab dem 9. April 2015 in den deutschen Kinos.

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