SAINTS4LIFE: Don Bosco
Mein Radiowecker spielt „Manic Monday“. Was ein Start in die Woche, denke ich und bedanke mich bei meinem Lieblingssender. Ich würde viel lieber liegen bleiben. Es ist 7 Uhr morgens. Und leider Zeit, aufzustehen. Noch ganz verschlafen ziehe ich die Jalousien hoch und sehe direkt in die helle Morgensonne. Mehr aus Routine greife ich zu meinen Sportsachen, streife noch eine Jacke über und schnüre meine Turnschuhe. Der nervige Song aus dem Radio ist längst vergessen. Und schließlich gibt es doch nichts Schöneres, als morgens eine Runde an den Paderquellen zu drehen. Erst die gellenden Pfiffe einer Gruppe Jugendlicher schrecken mich aus meinen Gedanken. Ich bleibe für einen kurzen Moment stehen und drehe mich zu der Bank um, wo sechs Mädchen und Jungen lauthals diskutieren und auf mich zeigen. Ich bin so verdutzt, dass ich auf dem Absatz kehrt mache und einfach weiterlaufe. „It’s just a manic Monday“ kommt mir wieder in den Sinn. Immerhin besser als die netten Worte, die mir die Jungen hinterher gerufen haben. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Eine Viertelstunde noch, denke ich und entschließe mich, eine zweite Runde im Park zu laufen. Die Jugendlichen müssten jetzt schon längst auf dem Weg zur Schule sein. Ich höre sie schon von weitem. Jetzt hören sie laut Musik und lachen. Ich verdrehe die Augen, wenn ich bloß abbiegen könnte! Ich verlangsame meine Schritte. Dieses Mal lasse ich mir die Kommentare sicher nicht gefallen. Ich lege mir gerade ein paar Worte zurecht, da fällt mir auf, dass sie jetzt zu siebt sind. Ein weiterer Junge steht jetzt bei ihnen. Seine schwarze Kleidung sticht aus den vielen bunten Jacken und Mützen heraus. Einer der Jugendlichen, der mit seinem Smartphone seine Freunde und gleich den ganzen Park mit unterhält, stößt einem anderen den Ellenbogen in die Rippen und schaut nickend in meine Richtung. Der Neue muss ihre Blicke gesehen haben und dreht sich ebenfalls zu mir um. Ich blicke in das Gesicht eines älteren Mannes. Er nickt mir zu. Von eben jenem Alleinunterhalter höre ich dann leise das Wort „Zicke“. Ich bleibe stehen und sage in einem bitterbösen Ton: „Na, alles klar, DJ?“ Seine Freunde lachen nur. „Was dagegen?“, fragt er zurück. Und da Jan Delay mir die optimale Steilvorlage bietet, brauche ich nur zu sagen: „Türlich, türlich!“, um seine Freunde endgültig auf meiner Seite zu haben. Unser DJ zieht die Mütze etwas tiefer und schaut seine Clique nur böse an. Auch der ältere Mann kann sich ein Lachen nicht verkneifen. „Ach komm, Basti! Das Beste, was wir auf der Welt tun können, ist Gutes tun, fröhlich sein und die Spatzen pfeifen lassen - schon vergessen?“, und beginnt, das Lied mit zu pfeifen. Plötzlich stimmt die ganze Gruppe mit ein, klatscht und singt fröhlich mit. Auch ich kann es mir nicht nehmen lassen, ein bisschen mitzuwippen. Und in seinem Überschwang klemmt mich der Mann plötzlich unter den Arm und schunkelt mit mir hin und her. In die Musik klingen die Kirchenglocken der Innenstadt. Es ist 8 Uhr. Der Mann wird wieder ernst und sagt zu den Jugendlichen: „So, Kinder, jetzt ist aber Zeit für die Schule. Nicht wahr?“ Und auch wenn Begeisterung anders aussieht, die sechs hüpfen von der Bank und traben langsamen Schrittes in Richtung Dom. „Wollen Sie uns ein Stück begleiten?“, fragt der Mann mich. „Gerne“, sage ich, ohne länger zu überlegen. Als wir ein kleines Stück Abstand zu den Sechsen haben, drehe ich zu ihm um und frage: „Wie machen Sie das?“ Er scheint direkt zu wissen, was ich meine und antwortet mit strahlenden Augen: „Man erreicht mehr mit einem freundlichen Blick, mit einem guten Wort der Ermunterung, das Vertrauen einflößt, als mit vielen Vorwürfen. Lieber drehe ich zwei Runden im Park und sammle meine Schäfchen ein, als später mit ihnen übers Schule schwänzen zu diskutieren. Klar, Basti und seine Freunde hatten absolut keine Lust auf Schule heute, aber ich habe ihnen eben vom Musikunterricht erzählt, das muss überzeugend gewesen sein.“ Er kichert leise in sich hinein. „Und nächste Woche sollten wir vielleicht auch mal die Liedtexte von Jan Delay analysieren, das ist dann doch spannender als Goethe. Und lernen kann man davon mindestens genauso viel!“ Wir stehen mittlerweile auf dem Schulhof. Kurz bevor die Jugendlichen in das Gebäude verschwinden, sagt er zu mir: „Wissen Sie: Diese Kinder sind Edelsteine, die auf der Straße liegen. Sie müssen nur aufgehoben werden, und schon leuchten sie.“ Bevor auch er sich umdreht, zieht er die Handschuhe aus und öffnet seinen schwarzen Mantel. Ich blicke direkt auf ein Collarhemd. Ein Priester? Ein Priester, der Jan Delay kennt, fröhlich singt und Schüler von der Parkbank holt, um sie für die Schule zu begeistern? „Machen Sie es gut!“, ruft er mir noch zu und läuft beschwingt die Stufen hoch. Ich bleibe noch einen Moment verdutzt stehen. Sachen gibt es … Die mannshohe Statue neben mir zwinkert mir aufmunternd zu. „Don Bosco“ steht auf dem Sockel. Das Gesicht kommt mir plötzlich sehr bekannt vor… Isabella Henkenjohann
Unsere JUPA-Mitarbeiterin Isabella Henkenjohann ist für den Bereich "SAINTS 4 LIFE" zuständig und schreibt jeden Monat über eine spannende Begegnung mit einem Heiligen. Vorschläge können an redaktion@jupa-paderborn.de gesendet werden.