Wie unser Kleidungsstil mit unserer Identität zusammenhängt
Ich stehe vor meinem Kleiderschrank. Jeans und T-Shirts, Röcke und Kleider, Pullover in den verschiedensten Farben. Und trotzdem: Es fühlt sich an, als hätte ich nichts zum Anziehen. Oder zumindest nichts Passendes. Aber was passt eigentlich zu mir?
Petra Kenter ist Identity Stylistin aus Meschede. Sie hilft Menschen, ihr persönliches Farb- und Stilprofil zu entdecken und verspricht, dass sich so der Kleiderschrank nach und nach mit Lieblingsstücken füllt. Im Interview erzählt sie, was unsere Kleidung mit unserer Persönlichkeit zu tun hat und wie man „doppelt schön“ werden kann.
»Ich empfinde etwas als schön oder stilvoll, wenn es harmonisch zu der Person passt.«
Petra Kenter
Farb- und Typstylistin
Petra Kenter ist integrative Farb- und Typstylistin. Was sie an ihrem Job begeistert, ist vor allem die Frage: Was passt zu wem und warum? Sie sagt: „Es ist meine Aufgabe, dass ich mit Hilfe von passender Kleidung das Wesen einer Person nach außen spiegle mit dem Ziel, die Individualität dieser Person zu verstärken und sichtbar zu machen.“
Kleider machen Leute – das sagt schon ein altes Sprichwort. „Natürlich macht eine Person viel mehr aus als ihre Kleidung“, sagt die Stylistin. Trotzdem weiß sie, dass Kleidung das Potential hat, uns und unsere Persönlichkeit zum Strahlen zu bringen. Und diese Gesamtausstrahlung macht den ersten Eindruck, der oft entscheidet.
Ein guter Stil hängt für Kenter mit der eigenen Persönlichkeit und Identität zusammen. Ich kann durch meine Kleidung ein Zeichen setzen: Zu welcher Gruppe gehöre ich? Was ist mir wichtig? Wenn ich das schon durch meine Kleidung ausdrücke, muss ich später nicht viel Zeit aufwenden, um meine wahre Identität zu erklären.
„Die Stilfindung ist ein bisschen wie eine Abenteuerreise zu sich selbst“, sagt Kenter. Es hilft, neue Stile und neue Farben auszuprobieren. Die Expertin nimmt wahr, dass viele Menschen in einem bestimmten Stil gefangen sind, obwohl sie sich gar nicht wirklich wohl fühlen. „Für manche erfordert es Mut aus ihrer Komfortzone zu kommen, wenn man die Blicke von außen spürt, die die positive Veränderung wahrnehmen. Andere genießen vielleicht die neue Aufmerksamkeit.“, sagt die Stylistin.
Sie rät, auf das eigene Gefühl zu vertrauen. Denn: Passende Kleidung gibt uns ein gutes Gefühl. Und unpassende Kleidung bewirkt das Gegenteil. Was brauche ich also, um mich wohl zu fühlen? Fühle ich mich in einer Jeans mit Löchern lässig oder schlampig? In einem Blazer seriös und kompetent oder eher eingesperrt? „Das ist ganz individuell. Doch oft hören wir eher auf die Meinungen von anderen oder auf aktuelle Trends, statt auf unser Bauchgefühl“, weiß die Expertin.
Deshalb ihr Tipp: Wer selbst nicht weiterkommt und unzufrieden ist mit seinem Äußeren oder das Gefühl hat, nicht als der wahrgenommen zu werden, der er ist, sollte einen professionellen Blick und persönliche Beratung in Anspruch nehmen. Sie selbst hat gelernt, die gesamte äußere Erscheinung wahrzunehmen und zu deuten. Neben der Gefühlsebene geht es ihr bei der Beratung darum, mit ihren Kundinnen und Kunden die Frage zu klären, warum einer Person etwas steht.
Sie vergleicht ihre Arbeit mit der eines Regisseurs, der schaut, in welchem Film die Kundin oder der Kunde mitspielen könnte. Wo lebt die Person? In welcher Zeit und was macht sie dort? Und vor Allem: welcher Kleidungsstil ist hier passend? So entstehen Bilder und Inspirationen, die vor dem Spiegel umgesetzt werden.
Beim Colour Coaching geht es geht es darum herauszufinden, welche Farben eine Person besonders zum Strahlen bringen. Hautton, Augen- und Haarfarbe sind hier relevant. Kenter erklärt: „Farben haben darüber hinaus eine stilistische Wirkung, ich kann sie also bewusst einsetzen, um eine bestimmte Aussage zu erreichen. Außerdem kann man mit Farben Körperproportionen ausgleichen. Den Blick an die schönsten Stellen lenken.“
Und diese schönen Stellen hat jede und jeder – da ist sich die Expertin sicher. Wir müssen nur lernen, sie in Szene zu setzen, statt zu verstecken. Den Fokus weg von den vermeintlichen Problemzonen lenken. Hin zu Farben und Schnitten, die uns schmeicheln. „Die richtige Farbe und der richtige Schnitt lassen jede Figur gut aussehen. Dieses gute Gefühl vor dem Spiegel macht was mit uns und verstärkt auf ganz natürliche Art unser Selbstbewusstsein.“
Beim Style Coaching kommen zu den Farben rund 150 verschiedene Stoffqualitäten, Felle, Leder und Musterarten hinzu. Es geht eben nicht nur um die aktuellen Trends. Denn: Ein Kleidungsstück ist nicht per se schön. Kenter sagt: „Ich empfinde etwas als schön oder stilvoll, wenn es harmonisch zu der Person passt.“ Das erlebt sie zum Beispiel, wenn eine sehr elegante Person ein Ballkleid trägt, ein rockiger Typ eine Lederjacke oder ein sehr natürlicher ein Leinenhemd.
Jedes Coaching ist anders, weil es die unterschiedlichsten Typen von Menschen gibt. Das macht ihre Arbeit für Kenter so spannend. „Was bei dem einen funktioniert, passt bei dem Anderen eben gar nicht. Ich arbeite mittlerweile mit über 60 Stilthemen, gemischt von historischen bis zu super modernen, luxuriösen, puristischen, opulenten, rockigen, romantischen, schlichten, extravaganten, eleganten oder provokanten.“
Am Ende ist es entscheidend, sich nicht zu verstellen. Authentisch zu leben. Meinem Ich und meinen Werten mit meinen Worten, meinem Lebensstil und auch durch meine Kleidung Ausdruck zu verleihen. Wenn man sein gefundenes Ich durch passende Kleidung nach außen spiegelt, verstärkt das die eigene Präsenz. Und die Expertin weiß: „Das hat dann eine besondere Wirkung. Unsere Mitmenschen werden diese authentische Schönheit wahrnehmen.“
Und nicht nur die Anderen nehmen diese Schönheit wahr. Im Gegenteil, Innen und Außen hängen nach Kenter zusammen: „Wer seinen Stil gefunden hat, wird gelassener und zufriedener mit sich selbst. Und das macht dann doppelt schön.“