Im Interview mit Björn Stromberg, Pfadfinderleiter und Mitorganisator der Gedenkstättenfahrt der DPSG Paderborn.
Björn Stromberg ist ein Pfadfinderleiter mit Erfahrung. Er ist langjähriger Roverleiter aus dem Stamm St. Marien Witten und war über zehn Jahre lang Roverreferent im Diözesanverband der DPSG Paderborn. Im Herbst 2021 hat er sich an ein neues Abenteuer gewagt. Er hat eine Gedenkstättenfahrt für Roverinnen und Rover nach Polen, in die Konzentrationslager Auschwitz und Auschwitz-Birkenau organisiert. Gemeinsam mit sechs weiteren Leiterinnen und Leitern.
Das Interesse war groß, die Fahrt sehr bewegend und lehrreich. Nun ist es Zeit für eine Reflexion. Und die Frage: Was können die Kirche und die katholischen Jugendverbände für die politische Bildung junger Menschen leisten?
Björn, du hast die einwöchige Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz und Auschwitz-Birkenau mitorganisiert. Was hat Pfadfinden mit dieser Gedenkstättenfahrt zu tun?
Beim Pfadfinden geht es in der Regel um das Entdecken – selber machen, selber erleben, selber verändern. „Wag es, sprich es aus, sag deine Meinung steht“, in unseren Pfadfindergesetzen. Dazu brauche ich Informationen. Dazu muss ich wissen, was in der Welt passiert, dazu muss ich die Gelegenheit haben – im wahrsten Sinne des Wortes – Geschichte anzufassen. Und an diesen Orten, so grausam sich die Geschichte dort auch darstellt, bietet sich dazu eine einmalige Gelegenheit.
Inwiefern war diese Reise eine Fahrt der politischen Bildung?
Nur indirekt. Wir machen ja keine direkte politische Meinungsbildung, sondern wir versuchen, Informationen zu liefern, um den Jugendlichen kritisches Denken zu ermöglichen. Sie sollen eigene Entscheidungen treffen.
Das gelingt über das eigene Erkunden und die eigene Informationssichtung?
Genau.
Glaubst du, dass die Teilnehmenden der Gedenkstättenfahrt jetzt dazu befähigt sind ihr Wissen um die Schrecken des Nationalsozialismus und des Holocausts weiterzutragen?
Grundsätzlich ja. Der Großteil der Jugendlichen ist jetzt in der Lage, mit weitreichenden Fakten und Emotionen in Gespräche über diese Themen einzusteigen.
Die Verantwortung für politische Bildung und die Thematisierung des Holocausts liegt zurzeit vor allem bei den Schulen. Dort wird aber der gesellschaftswissenschaftliche Unterricht immer weiter gekürzt. Wie können Jugendverbände hier ihren Beitrag leisten, um die Leerstellen aufzufangen?
Ich habe mir diese Frage auch schon gestellt: Haben Kinder- und Jugendverbände unserer Art diese Lücke zu füllen? Es wäre sehr traurig, wenn das der Fall wäre. Ich halte es für sehr gut, was wir hier tun, denn wir sind ehrenamtlich unterwegs. Das heißt wir haben das Glück, dass der Bus voller Leute ist, die ernsthaftes Interesse an dem Thema haben. Das trifft nicht für alle Jugendlichen zu. Deshalb haben Jugendverbände die Chance, deutlich vertiefender in diesem Bereich tätig zu sein. Wissen zu vermitteln und solche Fahrten zu organisieren. Vor allem aber können wir hier das Erlebte mit Emotionen verknüpfen, das übersteigt die Kompetenzen der Schule.
Die DPSG hat also nicht die Pflicht, solche Fahrten durchzuführen, sie hat aber die Chance.
Sie ist nicht in der Verantwortung oder Schuld das zu tun, aber es gibt dafür einen sehr fruchtbaren Boden innerhalb des Verbandes. Diese Chance nicht wahrzunehmen wäre falsch.
Zu der Fahrt gehörte auch eine „Schulstunde“, in der es um die Vergangenheit der DPSG im Nationalsozialismus ging. Warum war dir dieser Programmpunkt so wichtig?
Wir können nicht nur über einen Teil der Geschichte diskutieren. Wir dürfen unseren eigenen Anteil nicht aus dem Blick verlieren. Natürlich konnten wir bestimmte Dinge nur anreißen, aber die Geschichte der Pfadfinder in Deutschland ist voller Tücken. Und in gewissen Zusammenhängen würde uns manchmal etwas mehr Demut zustehen, als wir es in der DPSG gewohnt sind. Das zu transportieren war mir sehr wichtig und es gab dazu auch viel Feedback von den Teilnehmenden.
In der Führung im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau wurde auch auf die Rolle der katholischen Kirche im Nationalsozialismus verwiesen. Zum Beispiel auf die Fluchtunterstützung für Nationalsozialisten. Würdest du sagen, dass die Kirche da noch mehr aufarbeiten müsste?
Diese Geschichte ist leider sehr komplex und nicht leicht zu durchschauen. Es wäre mit Sicherheit spannend und wichtig, das für Jugendliche konsumierbar aufzuarbeiten. An einigen Stellen würde das mit Sicherheit ein schlechtes Licht auf die Kirche werfen, aber vollständige Transparenz ist meiner Meinung nach ein Schlüsselbestandteil von einer Organisation mit so großer moralischer Wirkung. Wenn wir als Kirche dieses Wissen aufarbeiten und transparent gestalten, können wir besser entscheiden, was wir damit tun. Und genau dafür sind wir hier unterwegs.