Wer hat´s erfunden?
Immer wenn ich shoppen gehe, begegnen mir im analogen oder digitalen Schaufenster eine Menge Einhörner und Drachen. Sie sind pink-weiß glitzernd, leuchtend rot, mit großen lieben Augen oder besonders grimmigem Gesicht. Ich vermute, dass die meisten von uns nicht mehr wissen, wo die Bedeutung dieser Tierwesen herkommt. Einhörner gibt es nicht erst, seitdem Lillifee mit ihnen über Wiesen reitet und Drachen kommen nicht nur in J.R. Tolkiens „Der kleine Hobbit“ vor.
Für alle Neugierigen hier Update Teil zwei, was es mit diesen (Fabel-)Wesen auf sich hat.
Das Einhorn gehört wohl zu den schillerndsten Fabelwesen unserer Zeit. Es fasziniert die Menschen seit Jahrtausenden.
Stark und wild, sanft und gut – so erscheinen sie uns in Fantasyromanen und Filmen. Die Legenden um das Einhorn sind uralt. Wahrscheinlich gibt es seit 3000 v. Chr. Geschichten rund um das Einhorn, die in China und Indien ihren Ursprung fanden. Für die christliche Ikonografie wurde die Vorstellung, dass ein Einhorn nur von einer Jungfrau eingefangen und gezähmt werden könne, zum zentralen Ausgangspunkt.
Albertus Magnus (*um 1200 †1280) war ein deutscher Bischof und Gelehrter. Die Lehren des Aristoteles beeindruckten ihn stark. Magnus beschäftigte sich intensiv mit Alchemie, die für ihn Teil der Naturwissenschaft war. Er versuchte, die Gedanken Aristoteles mit den christlichen Lehren zu verbinden, schrieb zu Theologie, Philosophie, Medizin und Naturwissenschaft. Magnus war überzeugt davon, dass man die Natur genau erforschen müsse, um Gottes Schöpfung in allen Facetten preisen zu können. Um Albertus Magnus ranken sich viele Legenden, die vor allem von seiner Beschäftigung mit der Alchemie herrühren.
Wenn ihr eine Einhorndarstellung außerhalb des kirchlichen Raumes findet, kann es leicht eine andere Bedeutung haben. Denn das Horn wurde im Mittelalter auch gerne als Phallussymbol gedeutet - für Erotik, Liebe und den Geschlechtsakt. Also genau hinsehen und nicht verwechseln 😉!
Ein wirklich berühmtes Bild, auf dem ihr eine Mariendarstellung mit Einhorn sehen könnt, hängt im Wallraf-Richartz-Museum in Köln. Stefan Lochner hat auf seinem Gemälde „Muttergottes in der Rosenlaube“ auf die Brosche, die Maria auf ihrem Mantel trägt, ein kleines Einhorn gemalt. Sehr sehenswert!
Smaugs glimmend gelbe Augen starren aus bösem Gesicht Bilbo Beutlin an, als dieser plötzlich auf seinem Goldschatz im Einsamen Berg in den Hallen König Erebors steht.
Wer kennt diese Szene nicht? In „Der Hobbit“ ist Smaug das Böse schlechthin. Damit steht er nicht allein da, denn Drachen in den verschiedensten Sagen gelten fast immer als ausnahmslos böse. Nur für Ostasien trifft das nicht zu, denn die chinesische Tradition kennt den weisen, gütigen Drachen.
Auch die Geschichten über Drachen sind uralt. Nicht nur von der Existenz von Einhörnern waren die Menschen früher überzeugt, auch Drachen waren für sie lebendig. Viele unerklärliche und lebensbedrohliche Ereignisse wurden auf die Existenz von Drachen und ihren giftigen Atem zurückgeführt. Siegfried der Drachentöter ist der Held des Nibelungenliedes. Bereits im 13. Jahrhundert wurde das Nibelungenlied aufgeschrieben, jedoch sind die Ursprünge dieser nordischen Sage viel älter.
Auch in der Bibel ist von Drachen die Rede. Dem gottesfürchtigen Menschen wird versprochen, dass die Engel des Herrn (Gottes) ihn beschützen werden: „du schreitest über Löwen und Nattern, / trittst auf Löwen und Drachen“ (Ps. 91, 13). Gott kämpft gleichnishaft gegen das Böse: „An jenem Tag (Tag des Weltgerichtes) bestraft der Herr mit seinem harten, großen, starken Schwert den Leviatan, die schnelle Schlange, den Leviatan, die gewundene Schlange. Den Drachen im Meer wird er töten“ (Jes. 27, 1). Schlange und Drache meinen zumeist dasselbe. Sie stehen für den Teufel, also für das ausnahmslos Böse.
Auf Darstellungen der Antike haben Drachen tatsächlich einen Schlangenkörper, später Krallenfüße und Flügel. Erst im 11. Jahrhundert wird der Drache mit einem Echsenleib gezeichnet, mit dickem Schwanz, feurigem oder giftigem Atem und Riesenzähnen. Auf alten Seefahrerkarten könnt ihr die abenteuerlichsten Seeschlangen- oder Seedrachen-Darstellungen bestaunen.
Wichtigste Deutung im Zusammenhang mit dem Drachen ist wohl, dass Jesus Christus den Drachen, den Teufel, durch seine Menschwerdung, besiegt. Er nimmt die Erbschuld von uns und bezwingt den Tod. Das Drohen des Teufels kann Christus nichts anhaben, denn er ist Gottes Sohn. „Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war. Und sie gebar ein Kind, einen Sohn, der über alle Völker mit eisernem Zepter herrschen wird. Und ihr Kind wurde zu Gott und zu seinem Thron entrückt“ (Off. 12, 4-5). Diese schwangere Frau aus der Offenbarung des Johannes wird als Maria gedeutet, die den menschgewordenen Christus auf die Welt bringt. Seine Geburt besiegelt den Tod des Drachen, denn Christus ist mächtiger als das Böse. In vielen Kirchen gibt es Madonnenstatuen unter deren Füßen eine Schlange liegt. Dieses Motiv kommt von genau dieser Bibelstelle und symbolisiert den Untergang der Schlange/des Bösen.
Auch einige Heilige haben den Drachen als ikonografisches Symbol bei sich wie etwa der Heilige Georg. Nicht vergessen dürfen wir den Kampf des Erzengels Michael gegen den Drachen und seinen Sieg. Auf Kirchenportalen könnt ihr manchmal den Erzengel Michael sehen, der mit einer Lanze einen Drachen durchbohrt. Michael wirft sprichwörtlich den Teufel aus dem Himmel: „Da entbrannte im Himmel ein Kampf. Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen. Der Drache und seine Engel kämpften, aber sie konnten sich nicht halten und sie verloren ihren Platz im Himmel. Er wurde gestürzt, der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verführt“ (Off. 12, 7-9). Der Himmel siegt über das Böse.
Lest mal die Geschichte des Heiligen Georgs. Eine Legende rund um eine Jungfrau, den Helden Georg und einen getöteten Drachen.
Ihr seht, diese zwei Tiere sind sozusagen Teil einer alten Popkultur, die in der christlichen Welt stark mit biblischen und legendenhaften Motiven verbunden sind. Ohne sie sähe unsere Vorstellung von Einhörnern und Drachen wohl etwas anders aus und wäre nicht so beliebt. Da hatten die Bibel und die Vorstellungskraft christlicher Gelehrter und Künstler definitiv ihre Finger im Spiel.