"Sie ist wirklich ein Engel!“
29.08.2013

"Sie ist wirklich ein Engel!“

SAINTS4LIFE: Elisabeth von Thüringen

Die Türglocke der Bäckerei klingelt hell über mir, als ich die gläserne Tür schwungvoll aufstoße. Mir entgegen strömt warme Luft, der Duft von frischem Brot und süßem Kuchen. ,Nur schnell noch ein Paderborner Landbrot und dann nichts wie nach Hause‘, denke ich - und laufe direkt in ihre Arme. „Langsam!“ sagt sie noch, doch da liegt schon ihr großer Korb vor mir auf dem Boden.

Ein paar Brötchen kullern heraus, die sorgfältig ausgebreitete rot-weiße karierte Decke verrutscht und eröffnet mir den Blick auf unzählige Brotlaibe. „Ent-Entschuldigung“, stottere ich, während ich flink die auf dem Boden zerstreuten Brötchen einsammle. Als ich etwas beschämt aufblicke, mit den Brötchen in den Händen, sehe ich in braune, strahlende Augen. „Aber das macht doch nichts“, sagt sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Die Verkäuferin kommt auf uns zu und nimmt mir energisch die Brötchen ab. Bei der Gelegenheit bestelle ich ein paar mehr Brötchen - sie scheint ja eine große Familie zu haben - und mein Paderborner Landbrot gleich mit.

Mit zwei Tüten in der Hand trete ich vor die Tür und reiche ihr die Brötchen. „Danke, die Kinder wird es freuen“, sagt sie. „Ich kaufe selten so viele Wecken für sie“, fügt sie hinzu. „Ich bin übrigens Elisabeth!“ - „Isabella“, gebe ich zurück und frage sie, ob ich sie noch ein Stück begleiten kann. „Gerne!“ und ist mir schon gleich zwei Schritte voraus. Ich blicke sie von der Seite an. Jung sieht sie aus, in ihrem knielangen roten Kleid, den schwarzen Stöckelschuhen und den brauen Locken, die ihr lang über die Schulter fallen. „Wie viele Kinder haben Sie denn?“, frage ich vorsichtig, um nicht neugierig zu klingen. „Drei - und sie sind mein ganzer Stolz.“ Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen und zeige erklärend auf den Korb: „Ich hätte ja eine größere Familie erwartet.“ Elisabeth bleibt für einen Moment stehen und fängt selbst an, zu lachen. „Ja, das denkt die Verkäuferin auch jeden Tag, wenn ich in ihrem Laden stehe. Aber die Brote sind gar nicht für meine Familie ...“ Ob ich nicht Lust hätte, mitzukommen? Natürlich hätte ich am liebsten gesagt und nicke doch nur bestätigend. Ich kann den Blick kaum von ihr lassen. Unbändige Energie strömt von ihr aus. Schnellen Schrittes schreitet sie dahin, dabei muss der Korb unglaublich schwer sein. Wir laufen vorbei am Franziskanerkoster. Ein Bruder steht vor der Tür und winkt uns zu. „Na, Elisabeth, wieder in heiliger Mission unterwegs?“, neckt er sie und zeigt auf den Korb. „Mein Bruder!“, lautet ihre fast vorwurfsvolle Antwort. „Ich schaue morgen bei Euch vorbei!“ ruft sie ihm dann noch lachend hinterher. Jetzt bin ich wirklich gespannt, wohin uns der Weg führt.

„Hier wären wir!“, sagt sie plötzlich zu mir. Wir stehen vor den Türen einer Caritas-Einrichtung. Und kaum stehen wir da, läuft ein Kind auf sie zu. Mit einem lauten „Elli“ schlingt das Mädchen die Arme um ihren Bauch. Elisabeth stellt den Brotkorb ab und nimmt es auf den Arm. „Anna, meine Liebe! Begrüßt Du auch meine Freundin Isabella?“ Die Kleine dreht sich um und schaut mich eher skeptisch an. Schüchtern sagt sie schließlich: „Hallo!“, wendet sich dann von mir ab und zieht Elisabeth hinter sich her. Ich nehme den Korb in die Hand und trage ihn hinter den beiden ins Haus. Überschwänglich begrüßt Elisabeth ein Kind nach dem anderen. Ich bleibe halb in der Tür stehen und beobachte diese ganz besondere Frau. Mir klingen die Worte des Bruders nach: hat er nicht von einer „heiligen Mission“ gesprochen? Ich bin voller Erstaunen über die Frau, der ich zufällig in der Bäckerei über den Weg gelaufen bin. Ich halte immer noch mein Paderborner Landbrot in der Hand. Betrachte die Tüte, dann Elisabeth, die ganz versunken im Gespräch ist. Unauffällig lege ich mein Brot mit den Korb. Eine Mitarbeiterin der Einrichtung kommt zielstrebig auf mich zu und nimmt ihn mir ab mit den Worten: „Sie ist wirklich ein Engel!“

Mit dem nunmehr leeren Korb stehen wir wieder vor der Tür. „Danke!“ sagt Elisabeth lächelnd. Dabei hätte ich doch vielmehr zu danken für diese wundervolle Begegnung! Ich spüre den Korb sanft in meinem Rücken, als sie mich umarmt. Mit einem letzten aufmunternden Lächeln wendet sie sich ab. Ich schaue ihrem Kleid noch eine Weile hinterher. Als sich endlich mein Blick von ihr löst, sehe ich eine hellrote Rose auf dem Boden liegen ... Und plötzlich muss ich an Elisabeth von Thüringen denken. Wandelte sich nicht ein Korb voll Brot in Rosen, als sie auf dem Weg zu den Armen war?

Isabella Henkenjohann

Unsere JUPA-Mitarbeiterin Isabella Henkenjohann ist für den Bereich "SAINTS 4 LIFE" zuständig und schreibt jeden Monat über eine spannende Begegnung mit einem Heiligen. Vorschläge können an redaktion@jupa-paderborn.de gesendet werden.

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