Plakat bei FFF-Demo
02.12.2020
Politik

Klima-Aktivismus in der Krise?

Was bedeutet die Corona-Pandemie für Fridays for Future?

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von Laura Grotenrath

Ein Satz reicht Laetitia Wendt, um die Situation auf den Punkt zu bringen. „Für eine Bewegung, die auf der Straße stattfindet, ist es schwierig, wenn das Leben auf der Straße nicht mehr möglich ist“. Die Studentin ist einer der Köpfe der Paderborner Fridays for Future Bewegung. Mit ihr sprechen wir darüber, warum der Einsatz der Aktivisten momentan wichtiger, aber auch schwerer denn je ist.

Laetitia Wendt
Laetitia Wendt
Schilder bei einer FFF-Demo

„Die Klimakrise ist nicht weg. Sie wird schneller, immer gefährlicher“, sagt Laetitia im Telefoninterview. Und trotzdem müsse die Klima- der Corona-Krise gerade erstmal Platz machen. Vor allem das, was FFF ständig fordert, wird nun zur großen Herausforderung: das Generationenverständnis. Mit Hinblick auf die Erderwärmung bedeute Generationengerechtigkeit die politische Forderung, Entscheidungen im Sinne der jungen Generation und des Klimaschutzes zu treffen, sagt Laetitia. Bis März gingen die jungen Menschen dafür regelmäßig zu Tausenden auf die Straße. Im Kontext der Pandemie ist das nicht mehr möglich, denn jede öffentliche Veranstaltung könnte Menschenleben kosten. Darum heißt es aktuell auch seitens der jungen Menschen, Verständnis zu zeigen und ältere als Teil der Corona-Risikogruppen zu schützen. Dafür müssen Kontakte und Veranstaltungen auf ein Minimum reduziert werden.

»Die Klimakrise ist nicht weg. Sie wird schneller, immer gefährlicher«

Laetitia Wendt
Fridays for Future-Aktivistin aus Paderborn

„Die Bewegung Fridays for Future setzt auf Vernunft, Fakten und die Wissenschaft“, betont die 19-Jährige Aktivistin. Darum sei für sie und ihre Mitstreiterinnen selbstverständlich, dass sie bei Demos auf keinen Fall Menschen gefährden möchten. Bei den wenigen Veranstaltungen, die im Sommer stattfinden durften, wie dem globalen Klimastreik im September, gab es deshalb immer ein genau abgesprochenes Hygienekonzept und viele Ordner, die dessen Einhaltung überwachten.

Hintergrund: 
Im September 2018 formierte sich FFF Deutschland. Zusammen mit Katharina Müller initiierte Laetitia Wendt im Februar 2019 die Ortsgruppe in Paderborn. Seitdem organisiert ein Kernteam aus zehn Personen plus wechselnden Helferinnen regelmäßig aktivistische Aktionen wie Demos und Mahnwachen. Seitdem die Corona-Pandemie auch Deutschland in Schach hält, hat sich die Arbeit der Klima-Aktivistinnen verändert.

Online-Meeting statt Demos

Fridays for Future in Paderborn und weltweit hat seit März einen großen Teil der Aktivitäten ins Internet verlegt. Für die Organisation und Vernetzung der Ortsgruppen in ganz Deutschland sei das keine große Veränderung, sagt Laetitia. Da habe auch vor Corona schon viel online stattgefunden.

Für die sonstige aktivistische Arbeit stellt die Philosophie- und Wirtschafts-Studentin fest: „Für eine Bewegung, die auf der Straße stattfindet, ist es schwierig, wenn das Leben auf der Straße nicht mehr möglich ist.“ Onlineaktionen mit Tausenden Menschen seien einfach nicht das gleiche, aber aktuell habe einfach eine andere Krise Priorität.

Krisen müssen greifbar sein

Es ist ein Dilemma: Die verbleibende Zeit für effektiven Klimaschutz läuft davon. Studien zeigen, dass die Corona-Pandemie gar bisherige Erfolge der Klimapolitik zunichte machen könnte. Trotzdem hat eine weltweite Gesundheitskrise, die akut schon jetzt mehrere Millionen Menschenleben gekostet hat, derzeit Vorrang vor dem Klimaschutz.

Als mögliche Erklärung dafür sagt Laetitia: „Es erscheint mir logisch, dass eine Krise, deren Auswirkung man unmittelbar spürt, bei Menschen eine andere Priorität einnimmt als die super abstrakte Klimakrise.“ Über letztere werde häufig eher wissenschaftlich und nicht im breiten gesellschaftlichen Diskurs gesprochen. „Es ist sehr menschlich, dass mich die konkrete Bedrohung mehr beschäftigt“, sagt sie. Das Problem sei jedoch: „Die Klimakrise ist trotzdem nicht weg, sie nimmt Fahrt auf, wird immer gefährlicher.“

»Es ist sehr menschlich, dass mich die konkrete Bedrohung mehr beschäftigt.«

Der stetig voranschreitende Klimawandel - die Klimakrise - ist es, was Laetitia und ihre Mitstreiterinnen auch in Zeiten einer zweiten weltweiten Krise dranbleiben lässt. „Das Handeln zur Lösung der beiden Krisen schließt einander nicht aus“, findet Laetitia. Die Verkehrs- oder Agrarwende könne auch aktuell weiter vorangebracht werden, die jüngsten Konjunkturpaket auch klimafreundliche Maßnahmen begünstigen.

Krise als Chance

„Wir sehen die aktuelle Situation aufgrund von Corona auch als Chance“, sagt sie deshalb abschließend. „Unsere Generation hat eine große Klimaexpertise und kann sich gut vernetzen.“ Fridays for Future gehe zwar nicht gestärkt aus der Krise heraus, die politischen Forderungen der Aktivistinnen jedoch blieben bestehen. 

Aktuell nicht auf freitäglichen Demonstrationen, sondern online fordert FFF in Deutschland weiterhin Klimaneutralität und 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035. Erreicht werden soll das durch den Kohleausstieg bis 2030 und die Einführung eines CO2-Preises. Der Klimawandel werde nur durch systemischen Wandel gestoppt, sagt Laetitia. Dafür kämpfen sie und ihre Mitstreiter weiter – auch in Zeiten der Corona-Krise, so gut das eben geht.

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