Janosch Roggel diskutiert beim Synodalen Weg über die Zukunft der Kirche in Deutschland mit.
Janosch Roggel diskutiert beim Synodalen Weg über die Zukunft der Kirche in Deutschland mit.
11.05.2020
Perspektive

Galube ich das, oder sage ich es nur?

Janosch Roggel, Delegierter des Synodalen Weges, lebt seinen Glauben durch Worship-Musik – und indem er versucht, in jedem Menschen Gott zu erkennen

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von Tobias Schulte

Die jungen Synodalen aus dem Erzbistum Paderborn – Teil 3/3: Janosch Roggel

In der Süddeutschen Zeitung, bei katholisch.de und auf taz.net war sein Statement zu lesen. Janosch Roggel, 24 Jahre aus Dortmund, hat bei der ersten Vollversammlung des Synodalen Weges eine viel beachtete Rede gehalten. Darüber, dass er Opfer von sexualisierter Gewalt innerhalb der Kirche geworden ist. Darüber, dass er transsexuell ist. Darüber, dass er als einer von vielen Betroffenen da ist, mitten in der Kirche, vor allen Augen. „Ich sehe es als meine Verantwortung“, sagt Janosch Roggel im Gespräch, „die Chance, die wir mit dem Synodalen Weg bekommen, zu nutzen.“

Drei Monate sind seit der Vollversammlung vergangen. Die Aufmerksamkeit rund um den 24-Jährigen hat schnell abgenommen. Die Diskussionen und Themen des Synodalen Wegs sind durch die Corona-Krise für einen Moment in die zweite Reihe gerückt. Zeit, Janosch Roggel und seine Glaubensgeschichte vorzustellen.

Beten durch Lieder singen

„Ich kann nur singen, was ich auch glaube“, sagt er. In Dortmund studiert Janosch Roggel Maschinenbautechnik und Deutsch, um Lehrer am Berufskolleg zu werden. In der Katholischen Hochschulgemeinde Dortmund (KHG) spielt er Kontrabass, Gitarre und singt bei Gottesdiensten der KHG. Manchmal, erzählt er, müsse er auch Cajon spielen. „Aber das kann ich eigentlich gar nicht.“

Musik ist für Janosch Roggel ein wertvoller Bestandteil seines Glaubens. Er selbst nennt es „beten durch Lieder singen“. Er sagt: „Es gibt mir einen emotionalen Zugang, um mich mit meiner Identität auseinanderzusetzen. Um mich zu fragen: Glaube ich das wirklich, oder sage ich das nur?“

Früh hat er mit der Musik angefangen. Als er acht Jahre alt war, erinnert sich Janosch Roggel, haben sein Vater und seine Schwester eine Kirchenband zusammen mit Nachbarn aufgebaut. „Darin habe ich gespielt, bis ich 17 war“. Ein Hauch von Kelly-Family.

"Offiziell" ein Mann

Janosch Roggel ist in seiner Familie in den Glauben hineingewachsen. Er erinnert sich, mit vier Jahren im Kinderliturgiekreis die Familiengottesdienste gestaltet zu haben. Er erzählt von einem Weihnachten, an dem vormittags den Familiengottesdienst, nachmittags die Krippenfeier und abends die Christmette mitgefeiert hat. „Da war ich den ganzen Tag in der Kirche“, sagt Roggel. Und: „Während der Christmette bin ich eingeschlafen.“ Wem ist das als Kind nicht schon mal passiert?

Wenn Janosch Roggel heute, als Erwachsener, an Kirche denkt, blickt er auf ein Auf und Ab der Gefühle zurück. Da war die Zeit, in der er Opfer von sexualisierter Gewalt durch einen Priester wurde. Da war die Zeit, in der er sich nicht mehr in seinem Körper und seiner Rolle als Frau – und auch nicht mehr in der Kirche wohlfühlte. Da war die Zeit, in der er nach Dortmund zog, um sein „eigenes Leben zu leben“, wie er es nennt. Er outete sich als transsexuell, unterzog sich geschlechtsangleichenden Maßnahmen, ging vor Gericht, um „offiziell“ ein Mann zu sein.

Gemeinschaft, die trägt

Der Standortwechsel half ihm, sich auch wieder in der Kirche wohlzufühlen. Er sagt: „Ich profitiere stark von der Gemeinschaft der Kirche, wenn wir uns gegenseitig im Glauben tragen.“

Derzeit schreibt der 24-Jährige an seiner Bachelor-Arbeit. Er erhebt, welche Maschinen an Berufskollegs vorhanden sind und wie sie im Berufsschulunterricht eingesetzt werden. Vor der Corona-Pandemie ist er öfters auch in der Woche in den Gottesdienst gegangen. „Um mich aus dem Alltag rauszuziehen, zu reflektieren, Input zu bekommen“, wie er erzählt.

Janosch Roggel fragt sich oft, wie er auch im Alltag seinen Glauben leben kann. Beispielhaft zählt er auf: „Gute Dinge tun. In anderen Menschen zu sehen, dass sie von Gott geschaffen sind. Die Leute dementsprechend behandeln. Mit Leuten über meinen Glauben reden.“

Für das Gespräch über den Glauben hat er eine außergewöhnliche Runde gefunden, mit zwei Freunden. Der eine, Sohn einer evangelischen Pfarrerin, der andere, in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (mormonische Kirche) aktiv, und er, Janosch Roggel, bilden die Runde. Sie vergleichen die drei Glaubensperspektiven, stellen fest, dass sie sich auf Grundelemente wie Nächstenliebe verständigen können. „Dann gibt es zum Beispiel das Eucharistieverständnis, bei dem wir uns nicht richtig einigen können“, sagt der 24-Jährige. Für ihn sei es der Kern dessen, was er unter Katholisch-sein verstehe.

„Ich habe das Gefühl, dass die Eucharistie eines der größten Geschenke ist, die man bekommen kann“, sagt Janosch Roggel. Er habe erlebt, dass ihn die Heilige Kommunion bewegen, verändern kann – auch wenn er in seinem Glauben schwanke. „Das kann ich auch nicht mit meinem Verstand durchdringen“, sagt er. „Das kann ich glauben.“

Zum Schluss zurück zum Synodalen Weg – und dazu, wie Janosch Roggel die Zukunft der Kirche mitgestalten möchte. Zunächst sind da die Themen, die ihn persönlich betreffen. Er erzählt, dass es ihn belaste, als transsexueller Mensch nicht kirchlich heiraten und an der Kommunion teilhaben zu dürfen. Wie beiläufig erwähnt er im Gespräch auch, dass seiner Meinung nach Frauen zu Diakoninnen und Priesterinnen geweiht werden sollten. Dass die Partnerschaft von homosexuellen Menschen mehr anerkannt werden sollte. „Wir sollten versuchen, noch mehr eine integrierende Kirche zu sein“, sagt er. „Es ist so wertvoll am Katholisch-sein, dass es viele Strömungen und unterschiedliche Menschen gibt, die alle zusammen glauben können.“ Viel Diskussionsstoff für einen langen Weg – und den Synodalen Weg.

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