Ein typischer Gottesdienst im Zeltlager der DPSG
06.09.2021

Glauben im Zeltlager

Wenn Gott ans Lagerfeuer kommt

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von Lioba Vienenkötter

23:30 Uhr auf einem Zeltplatz irgendwo südlich von Hildesheim. Das Lagerfeuer brennt, das ganze Zeltlager kommt zur Ruhe. Das ganze Zeltlager? Nein!

Eine Gruppe von Jugendlichen und Leitenden hört nicht auf, der Müdigkeit Widerstand zu leisten. Einer der Leiter hat im Liederbuch das Kapitel mit den Kirchenliedern gefunden und spielt jetzt eins nach dem anderen: Laudato si, Irische Segenswünsche, Manchmal feiern wir mitten am Tag.

Noch nie wurden diese Klassiker jedes Jugendgottesdienstes so schwungvoll gespielt und noch nie haben auch die 17-Jährigen so enthusiastisch mitgesungen. Zumindest habe ich es noch nie so schwungvoll und enthusiastisch erlebt. Glauben im Zeltlager in a nutshell?

Die Antwort lautet: Jein. Natürlich gehen die religiösen Angebote im Zelt- und Ferienlager weit über das hinaus, was ich an einem Abend im Sommerlager meines Pfadfinderstammes, der DPSG St. Agatha aus Dorsten, beobachten konnte. Aber wo findet Gott überall Platz im bunten und oft chaotischen Alltag der Jugendverbandsarbeit? Und wie holt man die Kinder und Jugendlichen am besten ins Boot, damit auch sie sich an spirituellen Angeboten beteiligen?

Gottesdienst am Bierzelttisch

Die Einbindung religiöser Impulse beginnt für meinen Stamm schon vor dem Aufbruch ins Zeltlager: Zur Abfahrt besucht uns meist der Pastoralreferent unserer Gemeinde, der uns den Reisesegen spendet. In diesem Jahr ging es um „erste Schritte“ – ein schönes Thema, zumal einige Kinder das erste Mal mitfahren. Der Pastoralreferent rät uns, jeden ersten Schritt mit Bedacht und Vorsicht zu tun, aber auch mit Mut und Vertrauen – in uns, die Gemeinschaft und Gott. Ein Impuls, der uns alle so stärkt, dass das Sommerlager beruhigt starten kann.

Glauben im Zeltlager - rustikaler Charme

Auch vor Ort findet der Glauben seinen Platz, vorm Essen wird zum Beispiel gebetet. Natürlich hat das viel mit Tradition zu tun, trotzdem ist es eine schöne Möglichkeit, die Kinder zu Wort kommen und ihre ganz eigenen Bitten vortragen zu lassen.

Deshalb darf jeden Tag jemand anderes beten und nach Möglichkeit soll jeden Tag ein anderes Gebet vorgetragen werden. So kommt es nach Alle guten Gaben und Segne Vater auch mal zu interessanten Eigenkreationen, die es zwar nicht ins Standardrepertoire schaffen, aber trotzdem nicht weniger ehrlich sind: „Danke Gott für unser Essen und für die Bäume, damit wir leben können“ war das Highlight des diesjährigen Zeltlagers.

Ein besonderes Ereignis ist in jedem Jahr auch der Gottesdienst, der üblicherweise am mittleren Wochenende gefeiert wird. Dazu bekommen wir Besuch von unserem Heimatpfarrer, der die Messe mit uns zelebriert. Bei der Vorbereitung helfen alle mit: Die Kinder und Jugendlichen werden dazu in verschiedene Gruppen eingeteilt, die sich um die Fürbitten, die Liedauswahl oder die Dekoration kümmern. Als Altar dient schlicht und einfach ein Bierzelttisch, über den das DPSG-Banner gelegt wird, dazukommen selbstgepflückte Blumen und ein Kreuz aus Bauholz. Dieser rustikale Charme macht jeden Zeltlagergottesdienst zu einem ganz besonderen Erlebnis.

Ein Blick aufs Zeltlager der DPSG St. Agatha - wo wird hier der Glaube gelebt?

In diesem Jahr lautet das Thema „Vertrauen und Miteinander“. Zum Evangelium liest der Pastor die Geschichte von der Vermehrung der Brote und Fische, danach sollen die Teilnehmenden aufschreiben, welche Talente sie in die Gemeinschaft einbringen.

Das Ergebnis ist eine Wäscheleine bunter Fähig- und Fertigkeiten: kochen, zuhören, sich um Andere kümmern oder Andere zum Lachen bringen. Der Gottesdienst legt die Vielfalt der Gemeinschaft offen und gibt Anlass zum Dankbarsein, was auch die Kinder und Jugendlichen im Nachhinein positiv anmerken.

Zeltlager der KjG Delbrück:
Glauben und sportliche Wettkämpfe

Um Talente geht es auch im Ferienlager der KjG Delbrück. Das Motto der Freizeit in diesem Jahr ist „Zeitreise“. Nach einem Tag voller sportlicher Wettkämpfe im Alten Rom sollen sich auch hier die Kinder in der Abendrunde auf ihre besonderen Fähigkeiten besinnen. Der Trick dabei: Die Kinder überlegen sich, welches Talent ihr Gegenüber auszeichnet und setzen dieses mit einem Tier in Verbindung. setzen. Ein schöner Anlass zur gegenseitigen Bestärkung.

Abend- oder Morgenrunden wie diese gibt es im Ferienlager der KjG Delbrück jeden Tag, erklärt mir Ida Hüllmann, die sich in diesem Jahr mit einer anderen Leiterin um die Vorbereitung und Durchführung dieser spirituellen Impulse kümmert. Abgesehen von den Tischgebeten und dem alljährlichen Gottesdienst bieten gerade diese (Aus-)Zeit am Tag Raum für Ruhe und Reflexion.

Die 15- bis 30-minütigen Runden, behandeln dabei anhand von Liedern oder Geschichten ganz unterschiedliche Themen, die möglichst alle Kinder und Jugendlichen interessieren und bewegen sollen. Bei einer Teilnehmerzahl von 50 jungen Menschen zwischen acht und 15 Jahren scheint das gar nicht so leicht zu sein

Im Zeltlageralltag neue Perspektiven auf den Glauben

Ida erzählt mir, dass den Kindern und Jugendlichen besonders die Impulse in Erinnerung bleiben, die konkrete Anknüpfungspunkte an die Lebenswelt bieten und sich in den Alltag mitnehmen lassen. Dabei sei es laut der 18-Jährigen auch gar nicht wichtig, ob und woran die Kinder und Jugendlichen glauben:

»Ich denke, dass Themen wie Freundschaft, Liebe, Gerechtigkeit oder Frieden auch weltliche und gesellschaftliche Themen sind. Indem wir diese im Einklang mit christlichen Werten aufgreifen, möchten wir ein Angebot schaffen, das alle Teilnehmenden anspricht und auch zu neuen Perspektiven auf ihren Glauben und Gott einlädt.«

Die gemeinsamen Impulse im Zeltlager spenden Ruhe und Kraft.
Gemeinsam zur Ruhe kommen schweißt zusammen und ist eine Form, den Glauben zu leben.

Glauben durchs Innehalten

Im turbulenten Zeltlageralltag bieten die Abend- und Morgenrunden vor allem auch die Gelegenheit zum Ruhigwerden und Innehalten, zum gemeinsamen Gespräch oder zur Reflexion.

Ida begeistert vor allem, dass sie über das zehntägige Ferienlager beobachten kann, wie sich die Kinder und Jugendlichen immer mehr auf die Angebote einlassen und die Zeit so für sich nutzen. Außerdem seien die spirituellen Impulse eine Gelegenheit die Teilnehmenden noch einmal von einer anderen Seite kennenzulernen.

Fürbitten wurden im Zeltlager der KjG in einer Wortwolke gesammelt
Ida Hüllmann von KjG Delbrück über lebendigen Glauben
Ida Hüllmann von KjG Delbrück über lebendigen Glauben

Über das Zeltlager hinaus schätzt Ida die Jugendgottesdienste, die die KjG Delbrück zweimal jährlich organisiert. Dabei gehe es den Vorbereitenden immer auch darum, alle Teilnehmenden durch kleine Aktionen aktiv mit in die Messe einzubeziehen. Als besonders gelungen hat Ida dabei die Ostermesse 2021 empfunden, in der über ein Onlinetool von allen Anwesenden und auch online Zugeschalteten Fürbitten eingereicht werden konnten und live als „Wortwolke“ an der Kirchenwand zu lesen waren.

»Ich persönlich erlebe Glauben nicht, wenn ich in an einem Hochamt mit Weihrauch teilnehme. Ich erlebe den Glauben, wenn ich die Gemeinschaft im Jugendgottesdienst oder Ferienlager spüre. Wenn ich sehe, wie viel Freude es den Kindern macht zusammen zu sein. Wenn ich sehe, wie sie über sich hinauswachsen. Wenn ich sehe, wie Freundschaften entstehen. Da wird Glauben für mich lebendig.«

Lebendiger Glauben in der Gemeinschaft – ein Gefühl, das vermutlich alle Jugendverbandlerinnen und -verbandler teilen können. Ein Ankommen in der Gruppe, ein Zuhause-Sein im Zeltlager. Dort kann überall Platz für den Glauben geschaffen werden, vor allem, wenn die Teilnehmenden aktiv an der Gestaltung beteiligt und sie so mit ins Boot geholt werden. Das setzt neue Energien frei, die intensive Begegnungen auch mit Gott ermöglichen. Egal, ob in der Morgen- oder Abendrunde, im Lagergottesdienst oder eben singend am Lagerfeuer.


Texte über Glaubenszeugen im Jugendverband

Mix

  • Der Boden

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    Ein Text von Nadine Bartholome über ihre Erfahrungen in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau anlässlich des Gedenktages am 09.11.2021
  • Gegen das Vergessen.

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    Die Rover Mareike und Florian über ihre Lehren aus dem Besuch der Gedenkstätten Auschwitz und Auschwitz-Birkenau
  • Auschwitz - Zu Besuch im Grauen

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    Wie Roverinnen und Rover die Schicksale des Konzentrationslagers erleben