Alexander engagiert sich in der Firmvorbereitung in seiner Gemeinde.
23.08.2019
Perspektive

Mit Gottvertrauen in den ersten Job

Der Weg in den Beruf war noch nie spannender als heutzutage: Jungen Menschen bieten sich tausende Möglichkeiten, um sich selbst zu verwirklichen und den Einstieg in den Job zu finden. Der Weg dorthin ist mal direkt, mal holprig, mal voller Umwege. Früher oder später – so die Annahme – werden wir alle ins Berufsleben eintauchen.
Für Alex Kollwitz hatte Gott etwas anderes vor. Der 26-Jährige musste notgedrungen Schule gegen Krankenhaus und Denkleistung gegen Gesundheit tauschen, sodass niemand ihn einstellen wollte. Über Jahre sucht er nach seinem Weg und dem passenden Job. Mit viel Hartnäckigkeit, Gott und seiner Freundin an der Seite hat er es jetzt geschafft.

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von Christina Behrens

Alex ist in seiner Jugend aktiv: Er ist viel mit Freunden unterwegs und macht Sport. Er lernt seine Freundin kennen, die eine neue Konstante in sein Leben bringt. 2009 geht er zur Firmung und entscheidet sich dafür Jesus in sein Leben zu lassen, wie er selbst sagt. Danach beginnt er sich selbst in der Gemeinde in der Jugendgruppe zu engagieren. Er ist gerade 18 Jahre alt und mitten im Abiturstress als Ärzte ihm die Nachricht überbringen, mit der diese Geschichte beginnt. Bis dahin hat er allerhöchstens mal einen Schnupfen. Doch nun ist es der Krebs, der sich in seinem Körper ausbreitet und schmerzt. Auch wenn die Krankheit sich ankündigte, ist sie ein Schock für ihn und sein Umfeld.

Seine Stimme wird kurz brüchig, als er von seiner Diagnose erzählt, doch dann fängt er sich schnell. Er ist nicht der Typ für Selbstmitleid. Außerdem hat er seinen Glauben, der ihn in diesen Stunden aufrecht hält und ihm Kraft gibt, die Botschaft zu verarbeiten, erzählt er: "Ein paar Tage nach meinem ersten MRT bei dem herauskam, dass irgendetwas in meinem Knie wächst, brachte Hillsong dieses eine Lied heraus und da wusste ich, dass das kein Zufall sein kann. Ich bekam die Diagnose im Uniklinikum Münster und ich war der einzige der trotzdem lachte. Ich wusste nämlich, dass ich es schaffen werde. Ich wusste, dass Gott da ist und ich wusste: ‚God is able‘."

Alex mit seiner Freundin, die ihn durch die schwere Zeit begleitet.
Alex mit seiner Freundin, die ihn durch die schwere Zeit begleitet.
Sein Ehrenamt: Alex ist seit Jahren in seiner Gemeinde aktiv.
Sein Ehrenamt: Alex ist seit Jahren in seiner Gemeinde aktiv.

Sich selbst beschreibt Alex als "Pol der Zuversicht" und es wird schnell klar warum. Es ist sein Optimismus und auch sein Kampfgeist, welchen man heute noch aus seiner Erzählung heraushört, wenn er von dieser schweren Zeit spricht. Schon vor der Diagnose lässt er es sich nehmen im Rahmen einer Firmvorbereitungen mit den Firmlingen zum Sonnenaufgang auf die Velmerstot, dem höchsten Gipfel im Eggegebirge, zu wandern, um mit ihnen den Sonnenaufgang zu sehen. Es fällt ihm nicht leicht, sein Körper ist geschwächt.

Doch trotz Krücken, Schmerzen und mahnender Worte steht er mit ihnen dort oben und genießt den magischen Augenblick. Es ist ein Schlüsselmoment, der ihn die Monate darauf nicht loslässt. Auch die Musik und die Songs der Band Hillsong verfolgen ihn weiter und geben ihm Kraft, erklärt er, als sei es eine Selbstverständlichkeit, dass er seine Freunde tröstet während er gegen den Krebs kämpft und sie davon zu überzeugen versucht, dass er in einem halben Jahr wieder geheilt ist.

»Ich lass' mich nicht kleinkriegen von dem Ding, was da in meinem Knie ist.«

Alex Kollwitz

Sein Alltag ist alles andere als normal: Regelmäßige Chemotherapie bestimmt plötzlich sein Leben, statt Frontalunterricht in der Klasse erhält er Hausbesuche von seinen Lehrern, die mit ihm den Unterrichtsstoff der vergangenen Tage durchgehen. Er freut sich auf den Einzelunterricht, das Lernen lenkt ihn von negativen Gedanken ab. Es ist eine einsame Zeit, die er von der Krankheit geschwächt Zuhause verbringen muss. Einige Wochen nach den Abiturprüfungen geht es mit der Strahlentherapie weiter. Dann erhält er die erlösende Nachricht. Die Therapie hat angeschlagen, der Tumor ist weg. Auch die Abiturprüfungen besteht er. "Nicht schön, aber selten", resümiert sein Lehrer den Notendurchschnitt und Alexander macht das, was man nach so einer Phase im Leben macht: Leben. Er erholt sich von dem Krebs, macht, worauf er Lust hat und fängt bewusst an zu leben.

"Es war nicht sonderlich viel, was ich gemacht hab, aber auch das Nichtstun hat mir sehr gut getan", fasst Alex das Jahr zusammen, das seine erste Lücke im Lebenslauf darstellt, und fährt fort: "Wenn man Krebs hatte, macht man sich keine Gedanken um die Zukunft – das ergab sich erst langsam." Er berät sich mit seinem Umfeld: Familie, Gemeindereferent und die Beratung beim Arbeitsamt zeigen Wege auf und helfen bei der Auswahl. Alex muss sich zwischen einem Studium der Wirtschaft oder der sozialen Arbeit entscheiden. Mit Jugendlichen arbeitet er jedoch lieber weiter ehrenamtlich in der Gemeinde, sodass er sich für BWL an einer privaten Hochschule einschreibt.

Fußballliebe: Alexander ist Arminia Bielefeld-Fan.

Alex ist zuversichtlich, aber die Medikamente haben ihm zugesetzt. Er kann sich schlecht konzentrieren und die Inhalte passen nicht so recht mit seinen Vorstellungen überein. Er zieht das Studium durch, will nicht zu den 28 Prozent Studienabbrechern gehören und eine neue Lücke in dem Lebenslauf eintragen müssen. Seinen Bachelor besteht er, aber mit seinem Notenschnitt sei er am unteren Ende des Arbeitsmarktes angekommen, erklärt er frustriert: "Niemand hat mir gesagt, dass ein schlechter Abschluss von einer privaten Hochschule das K.O.-Kriterium für eine Anstellung ist. Ohne eine eins vor dem Komma bekommst du keinen Job."

Grund zu feiern gibt es trotzdem: Nach fünf Jahren ohne Tumor gilt er als geheilt. Der Krebs ist besiegt und das endgültige Behandlungsende endet in einem großen Fest. Ein Lichtblick. Denn was auf dieses Kapitel folgt, ist eine Talfahrt mit viel Fleißarbeit und  Frustration für Alex: Über 200 Bewerbungen schreibt er, meist ergebnislos. Nach über anderthalb Jahren und vielen erfolglosen Schreiben ist er dort angekommen, was er "ganz unten" nennt: "Ich war nicht mehr lebensfroh, selbst die ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde machte nicht mehr so recht Spaß." Er schottet sich ab und es braucht klare Worte von außen, um ihn wieder auf die Spur zu bringen. Seine Freundin ist es, die ihn wachrüttelt und deutlich zu verstehen gibt, dass etwas passieren muss. Es folgen Tage der Erkenntnis und die Entscheidung zu einem weiteren Studium: Soziale Arbeit.

»Chemotherapie nimmt dir die Denkleistung.«

Alex Kollwitz

Im Sport findet Alex Spaß und Halt.
Im Sport findet Alex Spaß und Halt.

Bei aller Euphorie die dunklen Stunden hinter sich gelassen zu haben, zeigt sich doch die nächste Ernüchterung: Das Studieren will ihm einfach nicht gelingen. Zu viel Auswendiglernen macht es ihm schwer die Klausuren zu bestehen. Dabei liegt ihm der Fachbereich gut, in seinem Praktikum in der Jugendbetreuung kommt er bei den Jugendlichen gut an. Was fehlt ist die passende Ausbildung um dort festangestellt arbeiten zu dürfen. Alex weiß nicht mehr weiter. Mittlerweile ist er 26 Jahre alt und jegliche Chance auf einen Job in weite Ferne gerückt. Die Wege entpuppen sich als Sackgasse. Was tun?

Es ist der Außendienstmitarbeiter des Gemeindeverbandes, der Alex auf eine zu ihm passende Stelle in eben diesem Verbund aufmerksam macht. Er bewirbt sich – und wird abgelehnt. "Zu wenig Berufserfahrung", lautet die Begründung. Alex kann aus Verzweiflung nur noch drüber lachen. Er ärgert sich aber auch: Zehn Jahre ehrenamtliche Tätigkeit im Gemeinderat und bei der Firmvorbereitung finden keine Beachtung. Wenigstens zwei, drei Jahre Berufserfahrung ließen sich da doch sicher anrechnen. Er beschließt noch einmal eine Mail zu schreiben und seine Lage darzustellen. In allen Facetten, mit aller Motivation und der Emotionalität, die in keinem Anschreiben angebracht wäre. Er will machen, tun, anpacken und zeigen, dass er arbeiten und Verantwortung übernehmen kann. Keine zwei Tage später erhält er Antwort: Er wird von der Geschäftsführung zu einem Gespräch eingeladen. Es ist die Hartnäckigkeit, die nachhaltig beeindruckt hat. Zwar sei der Job schon vergeben, aber es gäbe da einen passenderen – man müsse ihn nur noch schaffen.

»Ich musste mich erst einmal nackig machen und emotional werden.«

Alex Kollwitz

Morgen unterschreibt Alex seinen ersten Vertrag. Er ist aufgeregt und erleichtert. Seine Job-Odysee hat auf gute Weise ein Ende gefunden. "Ohne meine Freundin und Gott hätte ich die Jahre nicht durchstanden", sagt er rückblickend und kann sein neues Glück kaum fassen. Er hat seine alte Zuversicht zurück, die er sich nur durch Gottvertrauen erklären kann: "Eine innere Gewissheit ist da, die einfach hilft und mir immer wieder sagt wenn es schwierig, da ist jemand der den Weg kennt." Oder wie Hillsong schon sangen: God is able.

Mix