Eine starke Patronin für Examensnöte
01.08.2015

Eine starke Patronin für Examensnöte

SAINTS4LIFE: Heilige Rita

Von Isabella Henkenjohann

Montag. Ich sitze am Schreibtisch und versuche, zu lernen. Es wird Dienstag.

Dienstag. Ich sitze da und versuche, zu lernen. Es wird Mittwoch.

Mittwoch. Ich sitze gebeugt über Stapeln von Papier. Zettel kreuz und quer über den Schreibtisch verteilt, dazwischen bunte Stifte, vor mir eine Tasse Tee. „Wo habe ich denn …“, „wie meinte er das noch gleich?“ murmele ich vor mich hin, einen der vielen Stifte zwischen den Zähnen. Die Prüfung kommt schneller als gedacht - und passt mir einmal weniger in den Terminkalender. Wie viel Aufwand doch fünfzehn Minuten Prüfung machen können…

SaintsDraußen unterhalten sich meine Nachbarn über das Wetter. Neidisch schiele ich durch die halb offene Balkontür nach draußen - auf Tops, kurze Hosen und Sonnenbrillen. „Nein, ich muss jetzt lernen“, diszipliniere ich mich und als hätte der Wind es gehört, wirbelt er meine Unterlagen auf. „Wo war ich?" Richtig, römisches Reich deutscher Nation. Ich klappe den Rechner auf. Das muss ich noch mal recherchieren. Das Netz ist dein bester Freund … „heiliges r….“ tippe ich. Meine Finger sind schneller als mein Kopf und die Suchmaschine sowieso. Ich dagegen verrutsche in der Vorschlagsliste um eine Zeile. Innerhalb von 0,44 Sekunden eröffnet mir die Suchmaschine einen Blick auf 7.230.000 Vorschläge, zwar nicht zum römischen Reich deutscher Nation, dafür zur Heiligen Rita.

Eine willkommene Ablenkung: Wer war das noch gleich? Ich überfliege eine kurze Biografie und bleibe an einem Bild von ihr hängen, ein altes Gemälde aus einer Kirche. Ihre Augen sind halb auf den Boden, halb auf mich gerichtet. „Was beschäftigt dich gerade?“ scheint sie zu fragen. „Diese Prüfung, Kirchengeschichte … ach, eigentlich habe ich keine Lust mehr!" Sie grinst und sagt: "Dabei ist Kirchengeschichte doch höchst spannend. Was wären wir schon ohne unsere Geschichte? Du und ich, aber auch die Kirche!" Ganz überzeugen kann sie mich noch nicht. Die vielen Jahreszahlen, die vielen Namen, ... "Vielleicht sollte ich dir einfach meine Geschichte erzählen. Weisst du, schon als Kind wollte ich Ordensfrau werden. Meine Eltern hatten allerdings andere Pläne - einen Mann sollte ich heiraten. Für euch mag das heute verwunderlich sein, aber ich habe damals getan, was meine Eltern von mir verlangt haben. Wir bekamen zwei Söhne. Sie waren mein ganzes Glück, mein Mann dagegen war... Nun gut. Aber eines Tages wurde er unterwegs überfallen und erschlagen. Meine Söhne wollten Rache, ich dagegen wollte nur Frieden für alle. Was sollte ich tun? Mir blieb nichts anderes übrig, als für ihren Tod zu beten."

Ich schaue sie erschrocken an. "Ja ... Nichts anderes hätte sie aufgehalten. Blut musste damals mit Blut vergolten werden. Meine Söhne wollten einen aus der Familie des Mörders töten. Plötzlich wurden sie krank, starben." Sie macht eine lange Pause. "Die Geschichte prägt uns", sagt sie langsam. "Du würdest heute sicher anders handeln als ich." - "Aber was hast Du dann gemacht?", frage ich. "Ich habe einfach weitergemacht. Und eines Tages an die Tür eines Klosters geklopft. Und wieder und wieder, bis sie mir endlich aufgemacht und mich reingelassen haben. Ich habe es nie wieder verlassen. Am Ende meiner Geschichte bin ich da gestrandet, wo ich immer sein wollte ..."

In mir regt sich Widerstand: "Aber Du hast deine ganze Familie verloren! Deine Kinder!" - "Ja. Das mag stimmen. Aber lass mich dir noch eine kleine Geschichte erzählen. Es ist eine zweite Liebesgeschichte. Ich war schon ganz krank und bettlägerig. Ich hatte nur noch einen Wunsch: eine Rose zu sehen. Ich bat eine meiner Schwesten, mir eine zu bringen. Es war Januar. Es lag Schnee. Kurz darauf kam sie mit einer prächtigen Rose zurück. Sie konnte es nicht glauben. Ich wusste, dass sie eine finden würde. Weißt du, wir glauben zu wenig an uns ... Bis heute."

Plötzlich geht meine Zimmertür auf. „Das Essen ist fertig“, sagt meine Mitbewohnerin. „Isabella?“ Sie geht die wenigen Schritte bis zu meinem Schreibtisch und schaut mir über die Schulter. „Schau an, die Heilige Rita. Ist es denn wirklich so schlimm? So ein aussichtsloser Fall bist du nun wirklich nicht. Jetzt komm … “ Ungeduldig tippt sie mir auf die Schulter. Endlich rappele ich mich auf. Als ich mich zu ihr umdrehe, sehe ich aus dem Augenwinkel eine kleine Rose zwischen dem ganzen Chaos. Auf dem Weg in die Küche frage ich sie: „Was meinst Du eigentlich mit aussichtslosem Fall?“ Sie grinst mich an. „Wusstest Du etwa nicht, dass die Heilige Rita die Patronin für Examensnöte ist? Bei ihr müssen schon viele Schüler und Studenten ihre Ängste gelassen haben …“ Sie klopft mir ermutigend auf die Schulter. Ich nehme mir vor, ab und an an die Geschichte dieser Heiligen zu denken bis zur Prüfung ...

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