13.12.2018
Die hl. Lucia wird in der Ikonographie oft mit zwei Augen dargestellt. Licht und Augen  - beides unverzichtbar, um zu sehen. Welche Bedeutung das das SEHEN für Dich?
Die hl. Lucia wird in der Ikonographie oft mit zwei Augen dargestellt. Licht und Augen - beides unverzichtbar, um zu sehen. Welche Bedeutung das das SEHEN für Dich?
Exklusiv

Hl. Lucia - Botin des Lichts

Schweden feiert seit über 100 Jahren ein bis dahin fast vergessenes Fest.

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Von Miriam Pawlak

Jungfrau und Märtyrerin, Patronin der Blinden und Augenkranken – die Rede ist von der „Sankta Lucia“. Lucia ist ein weiblicher Vorname, abgeleitet vom lateinischen Wort für Licht „lux“ und bedeutet „die Leuchtende“.
Leider wissen wir, wie es bei vielen Heiligen der Fall ist, wenig Konkretes über sie.

Eine Legende überliefert:

Die junge Lucia aus Syrakus (Sizilien) bewunderte und verehrte die hl. Agathe. Mit ihrer schwer kranken Mutter pilgerte sie zu dem Grab der Heiligen und bat für ihre Genesung.
Eigentlich sollte Lucia zu der Zeit vermählt werden, doch als die Mutter wirklich gesund wurde, erlaubte sie ihrer Tochter, den Verlobten nicht zu heiraten. Lucia nahm sich viel lieber den verfolgten Christen ihrer Stadt an und versorgte sie mit Lebensmitteln. Da diese sich in düsteren Katakomben versteckt hielten und Lucia ohne Licht völlig verloren wäre, band sie sich einen Kranz mit Kerzen um den Kopf, um sich so durch die Dunkelheit fortbewegen zu können. Eine riesige Empörung! Der vor den Kopf gestoßene Bräutigam gab sich nicht zufrieden mit ihrer Abweisung und schwärzte sie zur Strafe beim Präfekten an. Die Bestrafung Lucias sollte hart ausfallen und hierzu gibt es verschiedene Überlieferungen der Legende; am häufigsten wird davon berichtet, dass ihr ein Schwert in den Hals gerammt wurde, woraufhin sie den Märtyrertod als Jungfrau erlitt.

Die hl. Lucia ist bei uns in Deutschland eher weniger bekannt. Umso spannender finde ich es, mehr über sie und vor allem über das sogenannte „Luciafest“ zu erfahren, das in Schweden am 13. Dezember, dem Gedenktag der Heiligen gefeiert wird.
Dazu treffe ich mich mit Marcel (25), einem Theologiestudenten aus dem Leokonvikt in Paderborn. Er verbrachte zehn Monate mit Studium und Praktikum in Uppsala und hat während dieser Zeit das Luciafest miterlebt.

Marcel hat nämlich sein komplettes Freisemester in dem Land verbracht, wo es ein halbes Jahr lang düster und kalt ist. Im Dezember, der ja bekanntlich der dunkelste Monat ist, hat er auch in Schweden gelebt. Als ich ihn fragte, wie er da so im Dunkeln leben konnte, überraschte mich seine Antwort:

Das Kerzenlicht ist das Symbol der Hoffnung.
Das Kerzenlicht ist das Symbol der Hoffnung.

 „Bereits Ende November geht die Sonne um 15 Uhr unter. Der Schul- und Arbeitsalltag geht aber noch bis etwa 17 oder 18 Uhr weiter. Das heißt ab 16 Uhr wird man schon langsam müde und das zieht einen ganz schön runter. Das ganze Sozialleben spielt sich im Dunkeln ab. Am nächsten Morgen ist die Sonne auch erst ab halb zehn da.“

Das ist wirklich eine sehr kurze Zeit, denke ich mir. Ich beklage hier in Deutschland auch immer schon den frühen Einbruch der Dunkelheit, aber dann haben wir ja im Vergleich zu Skandinavien doch viel mehr Tageslicht.

Als ich ihn frage, wie er sich gegen das Gefühl der Müdigkeit und Einsamkeit gewappnet hat, sagt er, dass er sich von Anfang an bewusst für das Leben in einer WG entschied, um nicht allein zu sein. Sport, Sauna und Gemeinschaft teilen mit Freunden helfen auch gegen depressive Phasen, versicherte er. Außerdem: „Uppsala ist im Winter kunstvoll beleuchtet, die ganze Baumallee wird mit bunten Lichtern geschmückt.“ Das intensiviert die adventliche Vorfreude. 

Mir wird immer bewusster, dass Licht also besonders wichtig ist in Schweden. Der 13. Dezember ist dort der dunkelste Tag im Jahr; früher wurde sogar die Wintersonnenwende an diesem Tag terminiert. Darin habe ich sofort eine Verbindung zur Lucia gesehen, die selbst für aufleuchtendes Licht und Helligkeit steht. Obwohl es sich um ein sehr altes Heiligenfest handelt, war es lange Zeit in Vergessenheit geraten und ist erst vor gut 100 Jahren in Skandinavien wiederentdeckt worden. Allerdings ist es eher sekundär ein kirchliches Fest, primär gehört es zur Volkstradition Schwedens. Ich möchte natürlich wissen, wie Marcel, dem die hl. Lucia vor seinem Aufenthalt in Uppsala kein Begriff war, diesen Tag, an dem sie festlich begrüßt und zelebriert wird, erlebt hat: 

Wie war die Stimmung? Was macht das Fest so besonders? Und wer ist Lucia heute?

So sehen frische Safranbullar aus.
So sehen frische Safranbullar aus.

Es ist unklar wie es überhaupt nach Schweden kam, aber es passt atmosphärisch wunderbar zu dem Land.
„Dieses Fest ist gefühlt plötzlich da und es kommt eine familiäre Stimmung auf: Es wird draußen auf den Dörfern groß aufgemacht, wie ein außergewöhnliches Konzert bei uns und das auch, wenn es auf einen normalen Arbeitstag fällt. Drinnen backt man dann gemeinsam die traditionellen Luciabullar: das ist ein s-förmiges Safrangebäck. Das schmeckt gut.“

Es gibt variable Lokaltraditionen des Luciafestes, aber meistens verläuft es so, dass einige Tage zuvor eine „Luciabraut“ im Dorf gewählt wird. Das ist ein Mädchen oder eine junge Frau, die sich besonders aktiv sozial und ehrenamtlich engagiert. Das soll eine Analogie zu Lucias Diensten an den verfolgten Christen darstellen. In den Familien ist es dann die älteste Tochter, die als Lucia vorgeschlagen wird. Wenn dann eine Lucia feststeht, dürfen ihr viele weitere Mädchen als Gefährtinnen folgen: beim Einzug in die Kirche oder bei den Lichterprozessionen auf den Dörfern. Neben dem charakteristischen Kerzenkranz auf dem Kopf, trägt Lucia ein weißes Kleid, das an ihre Jungfräulichkeit und Reinheit, aber auch an ein Brautkleid erinnern soll. Mit dem roten Zingulum (ein Baumwollstrick) um den Bauch wird das Blut, das sie als Märtyrerin vergoss repräsentiert. Dort, wo es möglich ist, trägt Lucia echte Kerzen auf dem Kopf.

Marcel hat das Luciafest kirchlich mitgefeiert. Die Lichterprozession der Luciabraut und den vielen anderen Mädchen in ihren weißen Alben in der dunklen Kirche wird mit ihrem Gesang „Sankta Lucia“ begleitet. Das hat ausdrucksstark die Sehnsucht nach dem Licht repräsentiert, das die Finsternis durchbricht. Die Mädchen bringen das Licht in dem dunkelsten Moment in die Welt – das hat etwas von einer weihnachtlichen Vorankündigung.

Wenn Marcel mir von der adventlich-warmen Stimmung erzählt, dann stelle ich mir kleine engelsgleiche Mädchen mit goldblondem Haar vor, die stolz und ehrfürchtig ihre Lichter tragen. Marcel lacht, findet aber keine Worte des Widerspruchs. „Ja, die meisten sind wirklich blond. Es stimmt schon, dass das Fest mit der Zeit romantisiert worden ist, aber mit Weihnachten ist es ja bei uns ähnlich.“

»Das Fest gehört wie die Dunkelheit zur schwedischen Kultur, zur schwedischen Identität. Es gibt kein vergleichbares Fest in Deutschland.«

Kerzenlichter im Dunkeln.

Marcel ist überzeugt: „Wir könnten zwar versuchen das Luciafest zu kopieren, einige Gemeinden tun dies sogar, aber ich glaube nicht, dass das das gleiche Gefühl transportieren würde: dort drückt es eine ganz eigene Sehnsucht aus. Es ist eine Art „Adventsverstärker“, der große Hoffnung trägt, könnte man sagen.“ Er meint eine den Schweden spezifische, nicht nachahmende Atmosphäre, die die Adventszeit prägt: „Schweden ist halt ab vom Schuss.“ Durch die Isolation kommt ein ganz anderes Gefühl von Zusammengehörigkeit auf, als wir es nachvollziehen können.

Zum Schluss bekennt Marcel noch, dass er „Lucia“ erst in Schweden so richtig „kennengelernt“ hat: "Lucia ist in Deutschland weniger bekannt. Das ist vergleichbar mit dem hl. Liborius bei uns in Paderborn – den kennt man außerhalb des Erzbistums auch eher weniger. Dennoch habe ich die hl. Lucia zumindest für mich persönlich in meine Heiligenlitanei aufgenommen.“

Habt ihr jetzt auch so richtig Sehnsucht nach Licht und Wärme bekommen?
In diesem Youtube-Video könnt ihr einen Vorgeschmack dafür bekommen, wie ein Konzert mit der Luciabraut und ihren vielen Gefährtinnen in Schweden aussehen kann:

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