Alles beginnt 2022 mit einer Fußverletzung. Und einem tiefen emotionalen Loch. Patrick Legun kann nicht mehr laufen. Muss 24/7 allein zuhause sein. Jeder Tag gleicht dem anderen. Die Folge: depressive Verstimmungen, Traurigkeit, Einsamkeit. Patrick spürt, er braucht Austausch, möchte erzählen, wie es ihm geht. Mal mit jemandem schreiben, mal was anderes hören. Seine Lösung ist die Plattform Omegle, das ist sowas ähnliches wie Chatroulette. Das Ganze kann ihm zwar das alte Leben nicht zurückbringen, aber es hilft ihm durch die schwere Zeit. Was auch nach seiner Genesung bleibt: ein Gespür für die Not anderer alleingelassener Menschen.
Das neue Gespür motiviert Patrick, etwas zu verändern. Er sucht den Kontakt zu Obdachlosen in seiner Heimatstadt Aachen. Seine Idee: Mit einem befreundeten Friseur Menschen auf der Straße die Haare zu schneiden.
Ein anderes Projekt: Zu Weihnachten verteilt er Geschenke an Wohnungslose – und erfährt: Über Geschenke freut sich jeder, aber besonders diejenigen, denen sonst keiner etwas schenkt.
Seine Aktionen teilt er auf Social Media. „Um andere Menschen zu inspirieren“, sagt Patrick. Und das klappt: sein Weihnachtsvideo geht viral. Schnell hat er Millionen Klicks auf Instagram und TikTok.
Patrick ist selbst überrascht von der riesigen Reichweite auf Social Media. Sie motiviert ihn, weiterzumachen. Sein Account @humanvoll wächst und wächst. Genauso das Interesse an Patrick. Deshalb hat ihn auch die Katholische Hochschulgemeinde Dortmund (KHG) eingeladen.
Pastoralassistent Stefan Hoffmann sagt: „Als ich ihn im März angefragt habe, hatte er noch 100.000 Follower, jetzt sind es auf Instagram schon über 220.000.“
Dementsprechend groß ist auch das Interesse der Studierenden. Über 70 junge Menschen kommen, um alles über Patrick Legun und @humanvoll zu erfahren. Viele entdecken auch eine Gemeinsamkeit: Patrick hat gerade erst sein Theologie- und Technikstudium abgeschlossen und arbeitet übergangsweise als Aushilfslehrer an einer Hauptschule in Aachen.
Der Erfolg hat Patricks Pläne ordentlich durcheinandergewürfelt. Das Referendariat hat er erstmal um ein halbes Jahr verschoben. Denn seine Kreativität sprudelt weiter: „90% der Ideen kommen von mir. Oft kommen die, wenn ich unter der Dusche stehe, da kommt mir eine Idee, dann muss ich das direkt aufschreiben.“
Die Resonanz gibt ihm Recht. Aus der Community erreichen ihn viele Reaktionen wie diese „Ich hatte den Glauben an die Menschheit schon längst verloren, aber du hast mir dabei geholfen dieses Vertrauen wieder aufzubauen.“
Patrick ist nicht nur Influencer oder Sinnfluencer, wie er sich selbst gerne bezeichnet, sondern auch Christ. Er erzählt:
„Meine Eltern kommen aus Polen. Und ja, die Polen sind sehr gläubig. Als Kind und Jugendlicher bin ich jeden Sonntag zur Kirche gegangen, zur Beichte, ich bin gefirmt und im kirchlichen Religionsunterricht außerhalb der Schule gewesen.“
Patrick Legun
Diese Zeit hat ihn so sehr geprägt, dass er Religionslehrer werden will. Versteht er sich also als christlicher Influencer? Explizit erwähnt er seinen Glauben nicht, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Sein Credo: Nächstenliebe kennt keine konfessionellen oder religiösen Grenzen. „Aber na klar, wer mir folgt, merkt schon, da ist ein Christ am Werk. Ich habe ein Kreuz tätowiert, feiere Ostern und Weihnachten und mein Theologiestudium habe ich auch schon mal erwähnt.“ Die Followerinnen und Follower bekommen also schon mit, aus welcher Motivation heraus er Nächstenliebe lebt und die Welt ein wenig besser machen möchte.
Patricks Erfolg bringt auch schöne Geschichten hervor. Zum Beispiel von einem Totgeglaubten, der lebt. Aber der Reihe nach.
Patrick verteilt gern Mystery-Boxen an Menschen, die ihm helfen. Auch mit einem Obdachlosen tauscht er eine Mystery-Box gegen einen Euro. Das Video geht viral. Und jetzt passiert das Unglaubliche: der Neffe des Obdachlosen erkennt seinen Onkel in Patricks Video. Die Familie hatte ihn aber schon für tot gehalten.
Die Schwester des Obdachlosen meldet sich bei @humanvoll. Und nach einigen hin und her geschriebenen Nachrichten sagt Patrick ihnen, wo sich ihr Verwandter meistens aufhält. Die Familienmitglieder treffen sich wieder. Und auch Patrick läuft dem Obdachlosen ein paar Wochen später im Kaufland über den Weg und erfährt: „Er hat jetzt eine Wohnung, er arbeitet und hat Hilfe von seiner Familie bekommen. Da sieht man wieder, wie stark das Internet ist, nicht wahr?“