Mit blauen Handschuhen am Sterbebett
17.09.2015

Mit blauen Handschuhen am Sterbebett

Kinoempfehlung: „Am Ende ein Fest“

Von Caroline von Eichhorn

„Am Ende ein Fest“ ist eine feinfühlige und lebenslustige Komödie übers Abschied nehmen, die die aktuelle Debatte über Sterbehilfe intelligent aufgreift.

Und dann ruft plötzlich Gott bei der Seniorin Zelda an, als sie mit ihren Kräften am Ende ist und sich nur noch mit Mühe an ihre Gehhilfe klammern kann. Der Krebs ist zurückgekommen. „Gib nicht auf“, sagt Gott. „Es reicht“, sagt Zelda. „Wir haben momentan keinen Platz“, erwidert Gott.

Die Szene ist freilich nicht echt. Hinter Gott steckt eigentlich der 72-jährige Erfinder Yehezekel aus Jerusalem, der seine Bekannte Zelda zum Weiterleben motivieren möchte. Die Szene illustriert sehr gut den Konflikt der beiden Seiten am Ende eines Lebens, wenn das Leiden unerträglich wird und der Lebenswille schwindet. So viele alte Menschen stecken in der Situation, dass sie körperlich oder geistig aufgeben, eine Situation, in die auch junge Menschen gerissen werden können. Sollen sie selbst darüber bestimmen dürfen, wann sie sterben wollen? Wie verhält man sich als Angehöriger, wenn man mit dem dringenden Wunsch konfrontiert wird.

Am Ende ein Fest.

Im Film sind auch Yehezekel und seine Freunde aus dem Seniorentreff hin- und hergerissen. Ihr Freund Max fleht sie an. Er ist sterbenskrank und möchte sich ein Ende setzen. Yehezekel, gespielt von Ze’ev Revach treibt die Tüftlermentalität und das Bedürfnis, eines Tages die eigene Kontrolle über Leben oder Sterben zu haben. Also bastelt er mit einem Team eine Maschine, mit der sich Menschen mit einem einfachen Knopfdruck selbst töten können.

Der Film greift die aktuelle Debatte rund um Sterbehilfe auf, die in den letzten Jahren eines der sensibelsten Themen ist, über das Politik und Gesellschaft diskutiert. Im November 2015 will der Bundestag über eine Sterbehilfe-Regelung entscheiden. Er will geschäftsmäßige Sterbehilfe von Vereinen oder Einzelpersonen verbieten. Was aber als Beihilfe zur Selbsttötung erlaubt sein soll, ist nicht geklärt. Es bestehen allerdings große Zweifel, dass die Entwürfe mit dem Grundgesetz vereinbar sind. So geht es schon seit Jahren.

Das israelische Regisseuren-Duo Sharon Maymon und Tal Granit verarbeitet im Film eigene Erfahrungen. Sie haben auch einen Menschen gepflegt, der ihnen persönlich sehr nahe stand. Sie erlebten in der Situation, dass der Körper aufgab, aber der Geist der Person noch sehr präsent war. Das kann sehr schmerzlich sein. Viele Filme haben das Thema bereits aufgearbeitet, etwa Der Englische Patient (1996) von Anthony Minghella oder Liebe (2012) von Michael Haneke.

Am Ende ein Fest.

Der Film bietet auf die vielen Fragen keine einfache Antwort, aber er zeigt die Dimensionen – und zwar nicht sachlich, sondern sehr emotional und humorvoll.

Die starke Kontraste und dunkle Farbgestaltung erzeugen eine drückende Stimmung, die immer wieder durch lustige Szenen konterkariert wird. Gleichzeitig strahlen die Bilder eine Schönheit aus, sind wahrlich durchkomponiert. Einige Szenen sind sehr einprägsam, etwa jene, wenn Yehezekel und seine Freunde mit ihren blauen Handschuhen vor dem Sterbebett sitzen.

Die alten Menschen bestechen durch ihr großartiges Schauspiel. Dazu kommen süffisante Nebengeschichten, etwa als im Schrank des Polizisten ein nackter Mann steht, seine neue große Liebe.

Bis zum Ende muss der Tüftler Yezekel überlegen, wie er zur Maschine steht. Als seine eigene Frau nun auch die Maschine benutzen möchte, gerät er in Konflikt mit sich selbst.
Die Entscheidung kann ihm niemand abnehmen.

„Am Ende ein Fest“ erscheint am 24. September in den deutschen Kinos.

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