Dilemma mit den Daten
05.11.2015

Dilemma mit den Daten

David Bernet gibt filmische Einblicke in die EU-Gesetzgebung

Von Caroline von Eichhorn

Nein, nach einer ordentlich geknoteten Krawatte sieht das nicht aus. Jan Phillip Albrecht, EU-Abgeordneter und Grünenpolitiker, der einst der jüngste deutsche Abgeordnete im EU-Parlament war, steht vor dem Spiegel, bindet die beiden Enden mal so und so. Irgendwie will die Krawatte nicht so, wie er will.

Verflixt wie dieser Krawattenknoten ist das Thema Datenschutz für Albrecht in der EU-Politik. „Der Knoten meines Lebens“, sagt Albrecht. Er muss diesen Knoten lösen, denn er ist seit 2012 Berichterstatter des europäischen Parlaments für die Reform der Datenschutzverordnung, ein damals vollständig neues Thema in der EU-Politik. Wo anfangen?

Jan Philip Albrecht - © Indi Film / Dieter Stürmer

Der Kölner Dokumentarfilmer und Regisseur David Bernet hat den Prozess der EU-Gesetzgebung von 2012 bis 2015 dokumentarisch begleitet. Man könnte meinen, dieses Thema funktioniert als Film einfach nicht. Zum einen ist die EU-Politik ziemlich theoretisch, es passiert wenig, außer Gespräche in hässlichen, dunklen Konferenzräumen. Zum anderen ist das Thema Datenschutz unfassbar abstrakt. Oben drauf ist Jan Phillip Albrecht, einer der wichtigsten Akteure in dem Prozess, ein ziemlich normaler Typ; weder besonders herausstechend noch charismatisch. Doch David Bernet hat Händchen bewiesen bei der Auswahl des Themas und der Protagonisten. Sein Mut, dieses komplizierte Thema anzugreifen, hat sich gelohnt. Dazu kommt eine Prise Regie-Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein.

Der Film „Democracy – im Rausch der Daten“ zeigt den harten politischen Kampf beim Thema Datenschutz. Man erfährt, wie schwierig und langwierig es ist, an das neue, unergründete Thema Datenschutz heranzugehen. Man erfährt, wie stark die Lobby der Internetkonzerne ist, die mit den Daten handeln wollen und sich nicht einschränken lassen wollen. Man fühlt mit, wie anstrengend es ist, für ganz Europa eine Gesetzgebung zu finden, die Daten schützt, aber die Wirtschaft zugleich nicht zu sehr schwächt. Man vollzieht nach, wie wichtig es ist, Datenschutz als Bürgerrecht durchzusetzen.

Viviane Reding - © Indi Film / Marcus Winterbauer
Unter all den Parlaments- und Konferenzräumen fehlen dem Film ein paar mehr künstlerische Bild-Einstellungen. Stattdessen sieht der Zuschauer beliebige Stadtaufnahmen. Gut funktioniert hingegen, dass der gesamte Film in schwarzweiß gezeigt wird. Zum einen wirkt der politische Prozess damit historischer, zum anderen geben die EU-Gebäude sowieso keine farbenkräftigen Kulissen her.

Drei Jahre vergehen, ohne dass sich eine Einigung abzeichnet. Die Reform ist kurz davor, im Sand zu verlaufen. Dass es zuletzt ein glücklicher politischer Zufall ist, der die Stimmung im EU-Parlament ändert und das Gesetz möglich macht, rettet auch die Dramaturgie des Filmes. Nur so viel: Edward Snowden kam zur richtigen Zeit mit seiner NSA-Affäre. Als das Gesetz zustande kommt, hat man als Zuschauer das Gefühl, stolz auf Europa sein zu können. Deshalb sollte auch jeder Europäer den Film sehen.

Schade ist, dass bis zum Ende unklar bleibt, was genau in der EU-Datenschutzgrundverordnung steht. Viele Punkte werden angerissen, aber nicht weiter erklärt. Hoffentlich motiviert der Film die Zuschauer, sich auch darüber hinaus mit der Datenschutzreform auseinanderzusetzen.


Democracy – Im Rausch der Daten läuft ab Donnerstag, den 12. November in den deutschen Kinos.

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