Trauriges und mitreißendes Sozialdrama
08.10.2014

Trauriges und mitreißendes Sozialdrama

JACK kommt am 9. Oktober in die Kinos, 08.10.2014

Jack, der 10-jährige Sohn der jungen Berlinerin Sanna, schmeißt für seinen kleinen Bruder den Haushalt, während seine Mutter ihre verpasste Jugend nachholt. Nach einem Unfall in der Wohnung wird Jack ins Kinderheim gesteckt. Es beginnt eine Großstadt-Odyssee einer zerrissenen Familie.

Ein warmer Sommer-Nachmittag im Park. Sanna grillt mit Freunden - und ihren beiden Söhnen. Später will sie noch weggehen. Also schickt sie Jack (10) und seinen jüngeren Bruder Manuel (6) alleine mit der U-Bahn durch Berlin nach Hause.

JACK - Fotos: Jens HarantDies ist eine gewöhnliche Szene im Dreierhaushalt von Sanna und ihren beiden Söhnen. Sanna wurde mit 16 Jahren mit Jack schwanger – nun ist sie 26 und verhält sich wie ein Teenager. Eines Tages sind die Jungs mal wieder allein zu Hause. Jack lässt Manuel eine Badewanne ein, weil dieser vom Nachmittag draußen ganz dreckig ist. Als Jack gleichzeitig auch noch kocht, weil Manuel Hunger hat, steigt dieser derweil in das kochend heiße Wasser in der Badewanne – und fängt an laut zu schreien. Die gerötete Haut ist bald wieder verheilt - aber nun ist das Jugendamt alarmiert und trifft für Sanna eine Entscheidung: Zwei Kinder seien zu viel für sie, also muss Jack ins Kinderheim.

Dort angekommen geht es ihm kein Stück besser. Er muss mit aggressiven Kids klarkommen, wird verprügelt und hat schreckliches Heimweh. Als endlich die Sommerferien beginnen, darf er für die sechs Wochen nach Hause. Doch Sanna holt ihn nicht ab, weil sie arbeiten muss. Jack bricht nach einiger Wartezeit also alleine auf nach Hause. Dort steht er vor verschlossenen Türen. Also holt Jack seinen Bruder, der bei einer Freundin von Sanna untergebracht ist.

Jack - Fotos: Jens HarantDer Film JACK von Edward Berger handelt von der alleinerziehenden Mutter Sanna, die ihre Söhne aus ganzem Herzen liebt, aber gleichzeitig kein Verantwortungsgefühl hat. Sie lässt ihre Jungs oft allein – und im Stich. Deswegen trägt Jack mit seinen jungen zehn Jahren die Verantwortung für sich und seinen kleinen Bruder. Der Film basiert auf einer fiktiven Geschichte, aber das Sozialdrama könnte genauso gut echt sein. Im Jahr 2012 waren 52.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene außerhalb des Elternhauses untergebracht, so das statistische Bundesamt.

Was sich in einer zerrütteten Familie ereignet, kann man oft nicht verstehen, wenn man es selbst nicht erlebt hat. Nach dem Film JACK versteht man es schon. Der Berliner Regisseur hat ein vorstellbares Szenario verständlich und hautnah geschildert.

Das gelingt größtenteils mittels seiner sehr dokumentarischen Gestaltung. Kameramann Jens Harant filmt auf Augenhöhe des Kindes, er kommt Jack mit der Kamera so nah, dass man fast meint, Jacks Gedanken lesen zu können. Jack trägt den Film buchstäblich auf seinen Schultern. Jede Mimik des Jungen steckt an, man fühlt sich selbst wieder als Kind.

Dazu kommt der unglaubliche Schauspieleinsatz von Ivo Pietzcker als Jack. Sein Gesicht ist oft starr, vor Verzweiflung, er sagt auch nicht viel, noch weniger lacht er; aber jede kleine Regung lässt einen selbst Aufzucken. Auch Luise Heyer als Sanna und Georg Arms als Manuel spielen ihre Rollen wie sich selbst. Dazu kommt dezenter Musikeinsatz, der nicht ablenkt, und unauffällige Schnitte.

Dramaturgisch steigert sich die Geschichte ab der Hälfte, wenn die Brüder ganz Berlin nach ihrer Mutter absuchen. Am Ende des Films trifft Jack überraschend eine mutige, selbstlose Entscheidung.

Auf der Berlinale wurde der Film gefeiert, vielleicht schafft er es mit dem Kinostart am 9. Oktober zu einem kleinen Stück deutsche Filmgeschichte. JACK ist ein trauriges, mitreißendes Drama, das einem den unbezahlbaren Wert einer Familie wieder ins Gedächtnis ruft. Das, was bei Sanna und ihren Söhnen schiefläuft, geht unter die Haut – nichts für zarte Gemüter oder Leute, die im Kino nur Unterhaltung suchen. Der Film zeigt aus unmittelbarer Nähe Familienverhältnisse, wie man sie von außen nicht erkennt, aber sie wohl häufig vorkommen. Man will am liebsten einschreiten und die Mutter wachrütteln, und denkt darüber auch Tage später noch nach.

JACK kommt am Donnerstag, den 9. Oktober in die deutschen Kinos.

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