Noah Laube und Hannah Brinkschnieder beobachten Fische im Aquarium.
15.03.2022
Miteinander

Fein abgestimmt und zerbrechlich

Im Klimahaus Bremerhaven wird klar, wie der Klimawandel das Leben auf der Erde bedroht

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von Tobias Schulte

1,5 Grad. Diese Zahl steht wie keine andere für den menschengemachten Klimawandel. Für die Frage, wie weit die Erderwärmung bis 2100 im Vegleich zur vorindustriellen Zeit gebremst werden kann. Und die Hoffnung, das Schlimmste zu verhindern.

Doch: Was sind schon 1,5 Grad? Wie kann dieser scheinbar minimale Temperaturunterschied das Leben auf der Erde bedrohen? Und was wären überhaupt Folgen, wenn das 1,5-Grad-Ziel nicht erreicht wird?

Das Klimahaus reist durch neun Länder auf fünf Kontinenten

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, ist das Film-Team aus der Pfarrei St. Maria Welver ins Klimahaus Bremerhaven gefahren. Dort haben die Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen Einspielfilm für eine Livestream-Messe passend zum Thema der MISEREOR-Fastenaktion gedreht. Wir haben Noah Laube (15) und Hannah Brinkschnieder (16) aus dem Team begleitet.

Reise entlang des 8. Längengrads

Wer das Klimahaus Bremerhaven betritt, bricht zu einer Reise auf. Es geht von Bremerhaven durch die Berge der Schweiz und die Landschaft Sardiniens bis in die Wüste Sahara in Niger. Von den Tropen Kameruns in die klirrende Kälte der Antarktis. In die schwüle Hitze und Korallenwelt Samoas. Und über Alaska zurück auf die Hallig Langeness in Deutschland.

Neun Stationen auf fünf Kontinenten. Die Route ist nicht zufällig entstanden, sie entspricht einer Reise des Wissenschaftlers Axel Werner entlang des 8. Längengrads.

Noah Laube
Noah Laube

Noah Laube kann es kaum glauben. In der Station "Niger" beobachtet er anhand einer Bilderstrecke wie sich das Land verändert hat. Er sieht, dass bis vor 250 Jahren noch frisches Gras und Bäume gewachsen sind, wo heute die Trockenheit der Wüste herrscht. "Da kann man nur erahnen, wie der Klimawandel diese natürliche Entwicklung noch befeuern wird", sagt Noah.

Von den Auswirkungen des Klimawandels hat Noah schon öfter gehört. Doch im Klimahaus Bremerhaven erlebt er sie mit. Er spürt die Hitze der Wüste. Er blickt in die Gesichter der Menschen, die dort leben. Er hört ihre Geschichten.

Zum Beispiel von Miriam, einem Tuareg-Mädchen, das in der Sahara lebt. In einem Video erzählt sie davon, wie sie schon heute mehrere Kilometer weit laufen muss, um frisches Wasser aus einem Brunnen zu schöpfen. Und dass durch den Klimawandel immer mehr Land und immer mehr Brunnen austrocknen. Irgendwann wird sich die Frage stellen: Ist das Leben in der Wüstenregion selbst für die Tuareg zu krass? Müssen sie ihre Heimat verlassen?

Die Armen und Schwachen trifft der Klimawandel am heftigsten. Obwohl sie am wenigsten dafür können. Anhand des Beispiels wird Noah auch klar, dass der Klimawandel nicht für sich steht. Dass die Klimakatastrophe auch eine soziale Katastrophe ist.

Wen der Klimawandel als Erstes trifft

Hannah und Noah vor einer Nachbildung der Wüste Sahara im Klimahaus Bremerhaven

Verschiedene Welten, ein Planet

Nur wenige Räume weiter geht es von der Hitze der Sahara in die Kälte der Antarktis. Diese beiden extremen Orte, normalerweise Tausende Kilometer voneinander entfernt, liegen hier ganz nah beieinander. Noah staunt darüber, diese beiden Orte kennenzulernen. Und zu spüren: Beide Welten existieren gleichzeitig. Beide gehören zum einen Planeten Erde.

Weiter geht's in die Tropen. Auf die Insel Samoa im Südpazifik. Im Klimahaus führt dieser Weg durch die Unterwasserwelt. Bunte Fische, wie man sie sonst nur aus "Findet Nemo" kennt, flitzen durch Aquarien. Ein Clownfisch windet sich durch die Tentakel einer Seeanemone. Bunte Korallen wachsen entlang des Boden.

Korallenriffnachbildung von Samoa im Aquarium im Klimahaus Bremerhaven

Korallenriffe sind sehr empfindliche Ökosysteme. Der Anstieg der Wassertemperatur führt zum Ausbleichen und Absterbern der Korallen und gefährdert hunderte weitere Fischarten.

Hannah Brinkschnieder träumt davon, mal in ein Urlaubsparadies wie die Malediven zu fliegen und die Korallen und Fische in natura zu erleben. Doch im Gespräch mit Mirko Brüger, Tierpfleger im Klimahaus, erfährt sie jedoch, dass viele Traumziele in den Tropen bedroht sind. "Zum Beispiel, weil der Meeresspiegel steigt und Inseln wie die Malediven schrumpfen", sagt Hannah. "Aber auch, weil die steigende Temperatur der Meere die Korallen zerstört".

Der Grund: Korallen leben in Symbiose mit Algen. Steigt die Wassertemperatur, produzieren die Algen mehr Giftstoffe. Deswegen stoßen die Korallen die Algen ab - wodurch sie sich zeitgleich einer wichtigen Nahrungsquelle entziehen. Die Folge: Die Korallen bleichen aus und sterben früher oder später ab. Das ist tragisch, weil die Korallen ein Kunstwerk der Natur sind. Vor allem aber, weil die gesamte Unterwasserwelt ein empfindliches Ökosystem ist. Sterben die Korallen, hat das auch einen Einfluss auf die mehr als 700 Fischarten, die in ihnen leben.

Hannah Brinkschnieder
Hannah Brinkschnieder

Alles fein aufeinander abgestimmt

Langsam aber sicher bekommen Hannah und Noah ein Gefühl dafür, wie ausgeklügelt die Abläufe auf der Erde sind. Wie fein alles aufeinander abgestimmt ist. Und wie zerbrechlich zugleich. Für diese Zerbrechlichkeit des Klimas steht vor allerm ein Begriff: Kipppunkte.

Damit ist gemeint, dass es im Klima Veränderungen gibt, die ab einem gewissen Zeitpunkt unumkehrbar sind. Die nicht wieder rückgängig gemacht werden können. Selbst wenn die Menschheit dann keine oder nur noch wenig Emissionen ausstößt.

Diese Kipppunkte im Detail zu erklären, würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Deshalb drei Beispiele, die auch im Klimahaus Bremerhaven erklärt werden.

Hannah vor der Nachbildung der Antarktis

1) Die Eisberge in der Arktis und der Eispanzer auf Grönland schmelzen

Schnee reflektiert aufgrund seiner Struktur und der weißen Farbe das Sonnenlicht. Wenn das Eis nun schmilzt, gelangen immer mehr Sonnenstrahlen ins Meer oder auf Felsen. Diese nehmen die Wärme der Sonne mehr auf als das Eis, wodurch sich die Temperatur erhöht und das Eis immer schneller schmilzt. Laut wisschenschaftlichen Studien steigt die Erderwärmung in den hohen nördlichen Breiten doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt.

2) Der Jetstream schwächt ab

Dass die Temperatur in der Arktis schneller steigt als im Rest der Welt hat auch weitere Folgen. Zum Beispiel, dass der Jetstream schwächer wird. Der Jetstream ist ein Luftband in circa 10 Kilometern Höhe, das Hoch- und Tiefdruckgebiete auf der Nordhalbkugel maßgeblich bewegt. Der Jetstream wird dadurch angefeuert, dass es einen möglichst großen Temperaturunterschied zwischen den Tropen und der Antarktis gibt.

Dieser Unterschied schwindet aber durch den Klimawandel. Der Golfstrom wird schwächer, Hoch- und Tiefdruckgebiete bleiben länger an einem Ort. Die Folge: Dürren und Starkregen.

"Climate Justice Now": Klimagerechtigkeit, Folgen des Klimawandels wahrnehmen

3) Der Monsun in Westafrika und Indien verändert sich

Apropos Starkregen. Eigentlich konnten sich die Menschen in Indien und Westafrika darauf verlassen: Zwischen Juni und September kommt der Monsun. Dann regnet es viel, fast drei Viertel der jährlichen Menge. Der Monsun entsteht, weil warme Winde über den Ozeanen Wasser aufnehmen und sich an Land abregnen. Ist der Monsun schwächer als normal, bleibt der Boden trocken und die Ernten werden schlechter. Fällt der Monsun stärker aus, drohen Überschwemmungen.

Durch die globale Erderwärmung könnte der Monsun in Zukunft heftiger ausfallen. Andererseits kühlen die Emissionen durch Kohlenutzung und Verkehr in Indien die Atmosphäre kurzfristig auch ab. Die Aerosole der Emissionen streuen und reflektieren das Sonnenlicht.

Wie der Monsun genau durch den Klimawandel beeinflusst wird, ist schwer vorauszusagen. Doch klar ist: auch der Monun reagiert sensibel auf äußere Einflüsse. In einem Artikel der Frankfurter Rundschau warnt Joachim Schellnhuber, früherer Direktor des Potsdam-Instituts für Klimaforschung (PIK), dass "ein ungebremster Klimawandel die Pendelbewegung zwischen trockenen und nassen Extremen voraussichtlich verstärken werden."

Ein Tag im Klimahaus Bremerhaven

Ein Tag im Klimahaus Bremerhaven geht schnell vorbei. Als Hannah und Noah das Gebäude verlassen, schwirren in ihren Köpfen noch die Bilder der Wüste, der Antarktis und der bunten Korallen. Sie staunen darüber, wie viel fremde Länder es auf dieser Welt noch zu entdecken gibt. Und sie spüren auch eine Last. Noah sagt: "Wenn der Klimawandel alles immer extremer macht, hinterlassen wir den Generationen nach uns fast schon eine zerstörte Erde."

Hannah ergänzt: "Mir hat der Besuch deutlich gemacht, dass wir etwas ändern müssen. Ich höre immer wieder, dass wir die letzte Generation sind, die noch etwas gegen den Klimawandel tun kann. Das ist mir jetzt auch klar."

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