Erneuerbare und fossile Energien nebeneinander - Windkraftanlagen vor einem Kohlekraftwerk.
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03.03.2020
Perspektive

Klimawandel? "Ich bin eher optimistisch"

Prof. Peter Schallenberg darüber, was der Klimawandel mit Gott zu tun hat – und warum er denkt, dass die Menschheit die Umkehr schafft

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von Tobias Schulte

Folge ich Jesus nach, wenn ich plastikfrei einkaufe? Solchen Fragen zum Klimawandel hat sich Prof. Dr. Peter Schallenberg gestellt. Als Moraltheologe an der Theologischen Fakultät in Paderborn beschäftigt er sich damit, was ein gutes Leben ausmacht.

»Wir folgen Jesus nicht alleine dadurch nach, indem wir beten und uns warme Gedanken machen. Sondern wir folgen Jesus dadurch nach, indem wir möglichst vielen Menschen ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen.«

Dr. Peter Schallenberg
Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät in Paderborn

Peter Schallenberg

Herr Schallenberg, betrifft der Klimawandel auch die Theologie?
Ja. Ein wichtiges Feld ist zum Beispiel ethisches Investment: Dabei geht es darum, dass Geld in Projekte angelegt wird, die die Umwelt nicht nachhaltig schädigen. Urwälder in Amazonien werden zum Beispiel abgeholzt, weil etwa Investoren und Unternehmer damit Gewinn machen wollen. Die Moraltheologie beurteilt also Fakten mit theologischen Kategorien.

Papst Franziskus hat schon 2015 zum Thema Umweltschutz mit dem Schreiben Laudato Si Stellung bezogen. Welche Aussage ist für Sie dabei am meisten präsent?
Dass wir die Entwicklung des Menschen nur ganzheitlich betrachten können. Es ist die alte Unterscheidung der griechischen Philosophie: Überleben ist notwendig, reicht aber noch nicht aus, sondern es zählt das gute Leben. Das gute Leben ist aber nur möglich, wenn wir überleben. Und wir sind dabei, die Existenzgrundlage zu verspielen, sodass nachfolgende Generationen vielleicht nicht mehr die Chance zu einem guten Leben haben werden.

Wann ist das gute Leben erreicht?
Immer dann, wenn wir von anderen Menschen geliebt werden und wir die Möglichkeiten haben, andere Menschen zu lieben. Das ist die Botschaft des Christentums. Gott ist die Liebe.

Abgeholzte Regenwälder in Brasilien.
Abgeholzte Regenwälder in Brasilien.

Wenn ich die Aussage von Laudato Si für mich auf den Punkt bringen müsste, wäre das: Alles hängt zusammen. Wenn wir die Umwelt schützen wollen, müssen wir Fortschritt neu definieren und das gesamte Wirtschaftssystem umkrempeln.
Genau, und besser als mit den Waldbränden in Australien kann man es sich nicht negativ vor Augen führen. Jetzt kann man sagen: Was hat das mit Gott zu tun? Nochmal: Das hat dann etwas mit Gott zu tun, wenn wir mit unserer Lebensweise riskieren, nicht überleben und damit nicht lieben zu können.
Die Frage, ob wir Reis oder Nudeln essen, hat mit Gott und Theologie 0,0 Prozent zu tun. Die Frage, ob wir Leinen oder Baumwolle tragen, hat wegen der Anbaubedingungen 0,1 Prozent mit Gott zu tun. Die Frage, ob wir Öl, Kohle oder Windkraft nutzen, hat 70 Prozent mit Gott zu tun, weil es darum geht, ob wir Menschen in der Lage sind, miteinander in Liebe zu leben, ohne dafür die natürlichen Grundlagen zu zerstören.

»Die Frage, ob wir Öl, Kohle oder Windkraft nutzen, hat 70 Prozent mit Gott zu tun, weil es darum geht, ob wir Menschen in der Lage sind, miteinander in Liebe zu leben, ohne dafür die natürlichen Grundlagen zu zerstören.«

Dr. Peter Schallenberg
Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät in Paderborn

Das ist jedoch ein radikaler Gedanke, dass das Streben nach Wirtschaftswachstum aufgebrochen werden muss.
Absolut. Aber: Ich habe neulich einen Artikel über den Zigarettenkonsum in den USA im Jahr 1950 im Vergleich zu heute gelesen. Es haben ab dann weniger Menschen geraucht, als die ersten unabhängigen medizinischen Untersuchungen herausfanden, dass das hoch krebserregend ist. „Ja, wie?“, dachte man damals. Heute geht es um die Erkenntnis, dass das Verfeuern von fossilen Brennstoffen die Atmosphäre zerstört und zu einer Überhitzung führt, die für die Menschheit tödlich sein wird.

Was bedeutet dann ganzheitliche Ökologie für mich als Christen?
Sich kundig zu machen. Es bedarf der Aneignung von Expertise, damit man nicht einfach daherredet. Und dann geht es darum, mich in meinem Bereich für sinnvolle Veränderungen, für ein kluges Drehen an den Stellschrauben einzusetzen. Dazu gehört zum Beispiel, den eigenen Energieverbrauch zu überprüfen, das Mobilitätsverhalten und dergleichen mehr.
In China herrscht zum Teil eine starke Luftverschmutzung.
In China herrscht zum Teil eine starke Luftverschmutzung.

Folge ich Jesus nach, wenn ich plastikfrei einkaufe und nicht fliege?
Nun ja…

Warum zögern Sie?
Weil ich einbauen würde: Wenn ich unnötigerweise Plastik einkaufe und fliege. Wir müssen da Güter abwägen.
In der Ethik sagen wir, dass es in sich Schlechtes gibt: Stehlen, Lügen, Morden. Darüber hinaus ist alles in Abwägungen zu denken. Ich soll mit der Vernunft beurteilen, ob dieser oder jener Flug notwendig ist. Ich fliege auch heute Nachmittag nach Rom ins Büro. Natürlich könnte ich auch mit dem Zug fahren, das ist aber leider Gottes sehr umständlich. Jetzt könnte ich nur sagen: Dann lass ich es sein. Ich bin aber auch Teil eines Ganzen. Wie eine Mutter, die Plastik einkauft, weil es für ihren Haushalt mit Kindern schneller geht. Deswegen zögerte ich bei Ihrer Frage etwas.
Aber: Wir folgen Jesus nicht alleine dadurch nach, indem wir beten und uns warme Gedanken machen. Sondern wir folgen Jesus dadurch nach, indem wir möglichst vielen Menschen ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen.

Von der Erkenntnis, die langsam durchsickert

Warum tun wir uns trotzdem so schwer damit, etwas zu ändern?
Weil wir es nicht mit reiner Mathematik zu tun haben. Die Effekte unseres Handelns sind so langwierig, dass man es leugnen kann. Man sieht das an Menschen wie Trump und Bolsonaro. Und es gibt immer Verrückte , denen Verrückte nachfolgen.
Nochmal zum Vergleich: 1964 hat die Medizin die ersten Entdeckungen über krebserregende Stoffe im Tabak gemacht – wie lang hat es gedauert, bis das allgemeine Erkenntnis war? Ich habe als Student auch noch fröhlich geraucht. Hätte man jemals Maschinenöl zum Frühstück getrunken? Nie.
Das Zweite ist, dass es für große, im Entwicklungsstadium befindliche Volkswirtschaften wie China, Indonesien, Indien fast unmöglich ist, ohne fossile Brennstoffe auszukommen. Wir sprechen darüber, unsere Klimaanlagen und Spülmaschinen mit Windkraft zu betreiben. Indien und China träumen davon.

Aber es gibt ja immer negativere Beispiele. Wenn man immer auf andere zeigt, kommen wir auch nicht weiter.
Nein, nein. Deswegen ist es richtig, was Finnland und wir in Deutschland in Sachen Energiewende machen. Aber das sind im Vergleich zu China, Indonesien und Co. Tropfen auf den heißen Stein. China beginnt nun durch die hohe Luftverschmutzung allmählich umzudenken.

Als wie groß sehen Sie persönlich die Gefahr durch den Klimawandel an?
Ich bin grundsätzlich Optimist. Die Menschheit hat es im Verlauf der Geschichte eigentlich immer geschafft, wenn auch durch Blutbäder hindurch, mithilfe der Vernunft und des Verstandes neue Strategien und rechtzeitige Umkehrwege einzuschlagen. Da bin ich eher optimistisch, vor allem in einer Welt der freien Presse, einer freien Wissensvermittlung.

Herr Schallenberg, vielen Dank für das Gespräch.

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