Maren (vorne links) tanz beim Festival Louder than before - the weekend.
05.06.2024
LIFESTYLE

"Ich tanze, wenn ich alles vergessen will"

Maren Steiger über ihre Lebensfreude, das Gefühl nicht schön genug zu sein und die Angst, ihre Freunde zu verlieren

von Tobias Schulte

Pure Überforderung. Am Vormittag vor diesem Interview hat Maren Steiger ihre mündliche Abiprüfung. In Mathe.

Als die 17-Jährige aus Arnsberg die Aufgaben sieht, kommt der Schock: Im Stochastik-Teil sind ihrer Meinung nach zu wenig Infos gegeben, um die Aufgabe zu lösen. Noch während sie die Aufgabe liest, fängt Maren an zu weinen. „Das war das schlimmste Szenario, das ich mir vorstellen konnte“, sagt sie. 

Maren hat Angst. Sie stellt sich vor, wie sie gleich vor den Lehrerinnen und Lehrer steht und nichts sagen kann. Als sie dran ist, fällt ihr das Reden leichter als gedacht. Die Stochastik-Aufgabe löst sie im Dialog mit ihrem Lehrer – und bekommt am Ende eine 3+. 

Sie geht nach Hause, schüttet ihr Herz bei ihren Eltern aus kommt zum Interview ins Café Comshalom in Arnsberg.

Die Welt sehen

Wie geht’s dir nach deiner mündlichen Abiprüfung?
Schon besser. Ich weiß: Ich kann das jetzt hinter mir lassen.

Was steht jetzt für dich an?
Nächstes Jahr möchte ich Work and Travel machen, vielleicht in Spanien. Ich möchte die Welt sehen, andere Länder und Kulturen kennenlernen. Das ist eine kleine Herausforderung, aber darauf habe ich Lust. Danach möchte ich Sonderpädagogik auf Lehramt studieren.

Und bis dahin?
In diesem Jahr habe ich noch nicht so viel vor, ich muss erstmal 18 werden. Im Oktober reise ich nach Brasilien, vorher möchte ich ein Praktikum an einer Förderschule machen. Ansonsten möchte ich ein bisschen arbeiten, aber da weiß ich noch nicht, wo.

Frei oder unsicher?

Wenn du an die nächste Zeit denkst: Fühlst du dich eher frei oder unsicher?
Es ist eine Mischung aus beidem. Zuversichtlich bin ich, dass sich mit dem Arbeiten etwas ergeben wird. In einem Restaurant oder so werden die mich schon gebrauchen können. Mich verunsichert, dass mein Alltag bis jetzt immer nur aus Lernen bestand und diese Routine jetzt wegfällt. Was mache ich mit meiner Zeit? Ich versuche, viel Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen.

Welcher Freundschafts-Typ bist du? Hast du eine beste Freundin oder eine Clique?
Ich habe eine Freundesgruppe von 10 bis 12 Personen aus der Schule. Zwei davon sind meine engsten Freundinnen.

Jetzt ist die Schule vorbei und ihr seht euch nicht mehr täglich. Wie ist das?
Das ist schon schwer für mich, da geht ein Stück Sicherheit verloren. Ich denke da leider auch zu viel drüber nach.

Maren im Café Comshalom in Arnsberg.
Maren bei der Vigil ...

Warum denkst du darüber nach?
Weil ich im Moment glücklich mit meinen Freunden bin. Ich habe die Freundesgruppe seit anderthalb Jahren. Ich fühle mich wohl mit denen, ich kann mit denen über alles reden, die sind eine riesige Hilfe. Solche Freunde hatte ich noch nie zuvor – und jetzt ist klar: So wie jetzt wird es nicht mehr.

»Solche Freunde hatte ich noch nie zuvor – und jetzt ist klar: So wie jetzt wird es nicht mehr.«

Maren Steiger

Sprichst du mit deinen Freunden auch über deinen Glauben?
Meine Freunde wissen, dass ich gläubig bin, aber weil sie selbst nicht glauben, kommt das nicht oft zur Sprache.

Was ist Glauben für dich?
Eine Sicherheit zu haben. Eine Person, an die man sich immer wenden kann, die genau weiß, was los ist.

Wann und wie machst du das?
Oft. Ich rede dann einfach so vor mich hin. Morgens und abends bete ich laut – wenn ich unterwegs bin und Angst vor etwas habe, rede ich innerlich. Mir geht’s danach besser – und ob da jetzt jemand zuhört, weiß man eh nicht. Aber ich habe schon das Gefühl, dass das so ist.

"Das soll so sein"

Wovor hast du denn Angst?
Vor Klausuren, da bete ich vorher ganz viel. Aber auch wenn ich mich mit Freunden treffe und ich einen schlechten Tag habe. Dann hoffe ich, dass ich eine gute Zeit haben kann, obwohl ich nicht in dem Moment bin.

Es gibt den schönen Satz von Frère Roger : „Lebe, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist.“ Was hast du vom Evangelium verstanden?
Dass Gott mich genauso gewollt hat, wie ich bin. Man sagt ja: Er hat einen nach seinem Ebenbild geschaffen. Wenn ich Probleme mit mir selbst habe, wenn ich mich nicht wohlfühle, denke ich: Das soll so sein, es ist nichts schlecht an mir.

Wodurch fühlst du dich mit dir selbst nicht wohl?
Ich war lange unzufrieden damit, wie ich aussehe. Damit habe ich gekämpft. Angefangen hat das in der Coronazeit, da war ich zuhause und weil ich Spaß am Kochen und Backen habe, habe ich viel gekocht, gebacken und gegessen. Mein Körper hat sich dadurch auch verändert. Es war für mich schwer, im Sommer schwimmen zu gehen.

Wie bist du dann zu dem Gedanken gekommen, dass Gott dich gut findet?
Das war schon gegen Ende dieser ganzen Zeit. Ich habe in den Psalmen gelesen und habe Psalm 139,14 entdeckt. Seitdem kommt mir der Psalm sehr oft in meinen Kopf.

Was hat dir noch geholfen?
Das Ding ist oft, dass man über seine Probleme nicht redet. Das habe ich auch erst nicht, was es nur noch schlimmer gemacht hat. Ich habe eine Therapie gemacht, das hat mir sehr geholfen. Mir fällt es leichter, so etwas einer fremden Person zu erzählen.

»Herr, ich danke dir dafür, dass du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast! Großartig ist alles, was du geschaffen hast – das erkenne ich!«

Psalm 139,14

Maren begrüßt die Teilnehmenden beim YOUNG MISSION-Weekend im März 2024.

Marens Lebensfreude

Wie ist deine Beziehung zu Gott?
Ich würde sagen, dass Gott sehr viel für mich tut. Dass er mir sehr viel schenkt, sowohl Höhen als auch Tiefen. Das gehört immer dazu, aber man sagt ja: Er gibt einem nur Herausforderungen und Aufgaben, die man bewältigen kann. Das fühle ich mittlerweile auch.

Mittlerweile.
Im Rückblick ergeben manche Dinge Sinn – auch wenn das Erlebnis selbst nicht schön war. Ich spüre eine ganz große Dankbarkeit, weil gerade im letzten Jahr viel Positives passiert ist.

Und zwar?
Es hat angefangen mit meiner Freundesgruppe, die intensiver ist als sonst. Das macht mich schon sehr glücklich. Dann einfach so kleine Momente im Alltag, ein gutes Gespräch mit meiner Mutter, ein schöner Spaziergang im Wald. Auch die Entwicklung von mir selbst. Es ist sehr viel besser geworden und darüber bin ich sehr froh. Manchmal schätzt man manches nicht so wert, wie man es tun sollte. Bei mir zum Beispiel, wie viele Möglichkeiten für Reisen sich ergeben haben: London, Paris, der Weltjugendtag in Portugal. Und im Oktober geht’s nach Brasilien.

Maren tanzt Cotton Eye-Joe bei der Party von YOUNG MISSION.

Apropos. Wenn man sieht, wie du bei Louder than before oder YOUNG MISSION tanzt, dann wirkt das eher südamerikanisch als deutsch. Du lächelst gefühlt immer, strahlst so eine Lebensfreude aus …
Danke. Ich mag Tanzen einfach total. Manchmal mache ich mir auch zuhause positive Musik an und tanze, wenn ich alles vergessen will.

Kennst du auch dieses Gefühl, dass man sich überwinden muss zu tanzen, gerade wenn andere Leute zugucken?
Ja. Gerade bei Feiern ist es oft so, dass ich schon Lust zu Tanzen habe, aber niemand sonst sich traut. Dann brauche ich eine weitere Person, die auch weniger Hemmungen hat, um den ersten Schritt zu machen.

Das hat auch was mit Selbstbewusstsein zu tun, oder?
Ja, auf jeden Fall. Ich denke aber, dass es Menschen gibt, denen das noch leichter fällt als mir.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mix