Es ist kurz vor Ostern. Statt, dass ich jetzt so richtig in Feierlaune gerate, blicke ich nochmal bis fast auf den Anfang der Fastenzeit zurück. Die erste Lesung des Zweiten Fastensonntags klingt bei mir noch nach: Genesis 22,1–18. Lest gern mal nach.
Wenn ich mir vergegenwärtige, worum es in der Geschichte geht, dann werde ich richtig demütig. Da ist Abraham, der von Gott aufgefordert wird, seinen geliebten, einzigen Sohn Isaak als Opfer darzubringen.
Die beiden stelle ich mir immer so als Vater-Sohn-Vorbilder vor. Isaak, der auf seinen Vater hört und nichtsahnend das Holz für den Altar sammelt. Er selbst soll darauf geopfert werden. Und dann ist da Abraham. Immer wenn ich versuche, mich menschlich in ihn und in diese Situation hineinzufühlen, dann fühle ich ihn ganz: seinen Puls, seinen Schweiß auf der Stirn, seine zittrigen Hände, die er an seinen Gürtel klammert, damit Isaak nichts merkt. Jeder Schritt aufwärts zum Berg ist ein Schritt tiefer in den Abgrund, den er vor seinem inneren Auge sieht, wenn er an die Worte des Engels denkt, der ihm zuvor eiskalt die Killer-Botschaft Gottes gebracht hat: Töte deinen Sohn, wenn du mich liebst. Krass. Gott ist doch kein Mörder! Fühlt ihr den Schmerz in der Brust Abrahams?
Abraham liebt seinen Gott. Um den Treuebund mit Gott nicht zu brechen, macht er Ernst: Abraham fesselt Isaak schweißgebadet, aber gehorsam. Fast ohnmächtig, aber liebend. So, wie ein Vater seinen einzigen Sohn nur lieben kann. Dann nimmt er das scharfe Messer in die Hand. Isaak schreit vor Angst, er bittet seinen Vater, er möge ihn verschonen. Isaak versteht überhaupt nicht, was er falsch gemacht hat, er denkt, es sei seine Schuld. Er erkennt seinen Vater nicht wieder und bricht in Tränen aus. Die Fesseln. Todesangst.
Abraham erhebt seinen Arm, schaut noch einmal auf. „Mein Gott, was verlangst du nur von mir“, betet er und kann seine Tränen nicht mehr halten. Dann beißt er die Lippen zusammen und holt aus, um seinen Sohn zu töten. Und endlich, endlich kommt die Stimme des Engels. So nach dem Motto: Hey, Abraham, alles gut. Tu deinem Sohn nichts an. Ich sehe, dass du Gott fürchtest. Seht ihr? Das meine ich: Kurz vor dem Herzstillstand kommt die befreiende Nachricht.
Puh – hatte Gott das nicht sowieso schon gewusst? „Wozu diese Probe?“, frage ich und gebe mir die Antwort: „Weil Gott uns frei entscheiden lässt“. Abraham war nicht blind in seinem Gehorsam, im Gegenteil, er war treu. Auch wenn er nicht auf Anhieb verstehen konnte, was Gott mit ihm vorhatte, hat er darauf vertraut, dass ER es zum Guten wenden wird.
Diese krasse Erfahrung, die Abraham und Isaak gemacht haben, ist in meinen Augen eine Art Ostererfahrung. Ostern steht für neues Leben. Und rein menschlich gedacht muss Abraham ein dicker Stein vom Herzen gefallen sein. Isaak wird sich vielleicht noch nicht ganz gefasst haben, aber wetten, die haben sich danach noch lange umarmt, bevor die dann den Widder geschlachtet haben? Wie neugeboren konnten sie ihre Vater-Sohn-Beziehung festigen im Vertrauen auf den einen Gott.
Eine Ostererfahrung wäre eben gar keine ohne die Passion. In Passion stecken Leid und Leidenschaft. Leid, weil es um Todesangst geht. Leidenschaft, weil es die Liebe ist, die durch das Leid hindurch zu neuem Leben führt.
Gott hat Abraham und Isaak verschont. Stattdessen hat ER ein für alle Mal seinen einzigen Sohn für uns hingegeben. Nur durch den Tod Jesu Christi haben wir den Zugang zum ewigen Leben. Durch die Erzählung von Abraham und Isaak spüre ich Gott als Vater noch intensiver. Wisst ihr, was ich meine?