Die Figur des hl. Cornelius vor einem Kruzifix
16.09.2021
Namenstag

Cornelius und ich

Vom Heiligen des Hornviehs, seinem Umgang mit Sündern, long distance friendships – und was ich damit anfangen kann

von Cornelius Stiegemann

Bei meinen Eltern im Wohnzimmer steht eine kleine Porzellanfigur. Tiara und ein dreifacher Kreuzstab weisen den bartlosen Mann mit der Prinz-Eisenherz-Frisur als Papst aus. In seiner rechten Hand hält er ein Trinkhorn. Anhand dieser Attribute lässt er sich identifizieren: Es handelt sich um den heiligen Cornelius. Meinen Namenspatron. Doch wer ist dieser Heilige mit dem Horn – und was hat er mir heute noch zu sagen?

Figur des hl. Cornelius

Heilige Männer und Frauen sollen uns als Vorbilder und Fürsprecher dienen. Wie bei vielen anderen, war auch der heilige Cornelius Fürsprecher für verschiedene Anliegen. Genau wie meinem Lateinlehrer in der 8. Klasse fiel auch den Menschen früherer Jahrhunderte die sprachliche Nähe zwischen dem Namen Cornelius und dem lateinischen Wort für Horn, „cornu“, auf. Deshalb avancierte er zum Patron aller Tiere mit Hörnern, insbesondere der Schafe, Ziegen und Rinder – und ihrer Besitzer, den Viehbauern.

In einer ländlich geprägten Gesellschaft war ein Fürsprecher für das Vieh verständlicherweise sehr wichtig. Der Kult um den heiligen Cornelius als Beschützer der Nutztiere breitete sich schnell von der französischen Bretagne bis in den niederländischen und deutschen Sprachraum aus – obwohl hier die sprachliche Nähe, anders als im Italienischen oder Französischen, nicht gegeben war.

Die Abteikirche von Kornelimünster bei Aachen

Hierzulande galt der Heilige zusätzlich noch als Helfer bei Epilepsie und Krämpfen. Diese Krankheiten waren für die Menschen früher ein Rätsel, man vermutete, sie würden im Kopf ausgelöst. Man versprach sich deshalb besondere Heilung von Kopfreliquien verschiedener Heiliger. Dabei war relativ egal, ob die entsprechenden Heiligen zu Lebzeiten tatsächlich etwas mit der Krankheit zu tun gehabt hatten oder sich Heilungswunder ereigneten. Kornelimünster bei Aachen, wo der Kopf des heiligen Cornelius verwahrt wird, wurde durch diesen Volksglauben zu einem wichtigen Pilgerziel – genauso wie zwölf andere Orte, die sich im Besitz des echten Schädels wähnten. Wegen der Verbindung zum heiligen Cornelius wurde
Epilepsie lange auch Kornelkrankheit genannt.

Von Bildhauern und steinernen Legionären

Aufgrund seiner Popularität ranken sich allerhand Legenden um Cornelius. Im Rheinland ist er Patron der Liebenden, weil eine Statue des Heiligen der Ehe zwischen einem einfachen Bildhauer und einer reichen Bürgertochter zugestimmt haben soll. In der Bretagne erzählt man sich, Cornelius sei auf der Flucht vor römischen Soldaten bis nach Carnac gekommen. Als er sich dort umdrehte und Gottes Hilfe erflehte, wurde die komplette Legion in Stein verwandelt. Bis heute stehen die bekannten Menhire von Carnac dort in Reih und Glied.

Die berühmten Menhire von Carnac in der Bretagne

Ein Heiliger mit vielen Zuständigkeiten und fantastische Geschichten – doch was fange ich damit an? Um herauszufinden, ob und wie der heilige Cornelius auch für mich Vorbild und Fürsprecher sein kann, schaue ich lieber auf die wenigen Tatsachen aus seinem Leben, die als gesichert gelten können.

Was mir auffällt: Cornelius war ein ganz normaler Mensch. Er entstammte zum Beispiel nicht dem Adelsgeschlecht der Cornelier. Woran man das festmachen kann? An seinem Schreibstil. Denn anders als die römische Oberschicht schrieb er nicht in klassischem Latein, sondern verwendete in seinen vielen Briefen das Umgangslatein der Zeit. Cornelius war weder großer Theologe noch Manager, sondern ein einfacher Priester der römischen Gemeinde. Seine Gegner behaupteten sogar, dass er nur deshalb zum Papst gewählt worden sei, weil alle geeigneteren Kandidaten tot oder im Gefängnis gewesen seien. Genau diese Gewöhnlichkeit macht ihn für mich allerdings nahbar. Cornelius war einfach jemand, der eine Aufgabe übernahm, als man an ihn darum bat. Und Mitte des 3. Jahrhunderts Papst zu sein, war gewiss keine leichte Aufgabe.

Gebot und Gnade

Denn Cornelius‘ kurze Amtszeit von 251 bis 253 war nicht mehr als eine Verschnaufpause zwischen zwei Wellen brutaler Christenverfolgungen. Während der Verfolgungen hatten einige Christen öffentlich den römischen Göttern geopfert. So wollten sie dem sicheren Märtyrertod entgehen. Doch hatten sie dabei klar gegen das erste der Zehn Gebote
– „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ – verstoßen.

Wie damit umgehen? An dieser Frage entzündete sich eine heftige theologische Auseinandersetzung. So heftig, dass die Hardliner, die eine strikte Exkommunikation forderten, sogar den zweiten Gegenpapst der Geschichte aufstellten und ein Schisma riskierten. Cornelius schlug sich auf die Seite derer, die sich für einen milderen Umgang aussprachen und setzte sich auf einem Konzil durch. Den Christen wurde – nach Beichte und Buße – vergeben. Damit steht Cornelius für zwei Punkte, die für mich zentral am christlichen Glauben sind: Dass es um den Menschen geht, und nicht um ein blindes Einhalten von Regeln. Und dass Vergebung immer möglich ist.

Die Figur des hl. Cornelius

Bei diesem Konflikt konnte sich Cornelius auf einen verlassen: Cyprian von Karthago. Mit dem Bischof von Karthago unterhielt der Papst das, was man heute eine long distance friendship nennt. Anstelle von Videocalls kommunizierten die befreundeten Kirchenmänner in Form von Briefen, sehr vielen Briefen, die sie sich auch noch schickten, nachdem sie – die nächste Welle der Verfolgungen war herangerollt – im Exil oder untergetaucht waren. Cornelius und Cyprian gelten als „liturgische Zwillinge“: Ihre früheste Darstellung in der Calixtus-Katakombe zeigt sie nebeneinander und bis heute teilen sie sich den 16. September als gemeinsamen Gedenktag. Was für
ein schönes Symbol von Freundschaft!

Der heilige Papst Cornelius zeigt mir, dass man kein Heiliger sein muss, um einer werden zu können. Sein Eintreten für den Menschen mit all seinen Ängsten und Fehlern inspiriert mich. Und zusammen mit dem heiligen Cyprian verkörpert er für mich den Wert der Freundschaft. In diesem Sinne wünsche ich auch allen anderen
Corneliussen und Cornelias: Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag.

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