Milch im Mondschein
12.04.2016

Milch im Mondschein

Jetzt im Kino: „Nomaden des Himmels“

Von Caroline von Eichhorn

Sie werden immer weniger. Kirgisische Nomaden, die in den Bergen leben, die jeden Tag auf schlanken Pferden durch die Hochsteppen galoppieren, ihre weißen Jurten aufstellen und nachts ein Glas Milch in den Mondschein stellen. Das Ritual soll Glück bringen, erzählt eine der vielen kirgisischen Legenden über das Zusammenspiel von Mensch und Natur.

Auf den ersten Blick wirkt das Leben der kirgisischen Familie in „Nomaden des Himmels“ wie eine Idylle. Dahinter steckt allerdings harte Arbeit - nicht nur das ständige Umherziehen. Jeden Tag müssen der alte Hirte, seine Frau, seine Schwiegertochter Shaiyr und die 7-jährige Enkelin Umsunai ihr Überleben sichern: Wasser holen, Kühe melken, Essen zubereiten nimmt eine Menge Zeit ein. Da haut die Kuh der Bäuerin auch noch den Schwanz ins Gesicht.

Tiere und die Jurten sind wenig Besitz, den die Familie hat. Das gemeinsame Abendessen mit viel Tee ist der Höhepunkt des Familienlebens und der einzige Zeitpunkt am Tag, an dem sich alle ausruhen. Am nächsten Morgen ist Umsunais Großmutter wieder streng mit ihrer Enkelin. Diese möchte noch schlafen. „In deinem Alter habe ich längst die Kühe gemolken“, äfft sie in ihre Richtung.

Umsunai vermisst ihren Vater, der in einem Fluss ertrunken ist. Seine Frau Shaiyr blieb bei seiner Familie, damit Umsunai mit den Großeltern und in der Natur aufwachsen kann. Doch als Shaiyr den Meteorologen Ermek kennenlernt, der ab und zu in den Bergen vorbeikommt, liebäugelt sie mit der Sesshaftigkeit.

Nomaden des Himmels

Der kirgisische Regisseur Mirlan Abdykalykov zeichnet mit „Nomaden des Himmel“ ein sensibles Porträt einer Nomadenfamilie. Es spiegelt die Situation des kleinen Landes Kirgisistan wider, das seit dem Fall der Sowjetunion stolz seine Traditionen auslebt, aber gleichzeitig mehr Fortschritt bräuchte, um aus der Armut zu gelangen.

Der Regisseur erzählt aus eigener Erfahrung. „Da meine Eltern ständig arbeiteten, wurde ich in meiner Kindheit von meinen Großeltern aufgezogen“, sagt er. „Als Hüter von Traditionen und Bräuchen gaben sie an mich ihr Wissen, ihre Erfahrung und zuallererst das Bewusstsein weiter, wie wichtig es ist, Traditionen zu bewahren und im Wandel der Zeiten weiterzugeben.“

Mirlan Abdykalykov wurde 1982 geboren und ist seit seinem achten Lebensjahr in der Filmszene aktiv - zuerst als Schauspieler, seit 2010 als Regisseur. Er hat in den original kirgisischen Bergen gedreht. Die Landschaft ist berauschend schön: satte Wiesen und schneebedeckte Gipfel soweit das Auge reicht.

Und dann kommt der einzige Sohn Ulan, Shaiyrs Bruder, aus der Stadt zurück. Er studiert Architektur. Er hat einen Regenschirm mitgebracht. So etwas hat die Familie noch nie gesehen. Die alte Hirtin ist nicht begeistert vom Studium ihres Sohnes. Sie ahnt, was bereits passiert ist. Er hat in der Stadt eine Freundin gefunden und möchte dort bleiben.

Die Familie versucht, ihn davon zu überreden, dass er sich als Architekt an einem Bahn-Bauprojekt beteiligen könnte, das im naheliegenden Tal begonnen hat. Doch die Köpfe der beiden Hirten senken sich tief. Denn mit eben diesen Baumaschinen rückt das neue Zeitalter ganz nah an sie heran.

Der Film „Nomaden des Himmels“ entführt einen ins Leben der Nomaden und illustriert, wie vor allem die Alten damit ringen, dass ihr Lebensstil vielleicht nicht mehr das Richtige für ihre Kinder ist. Ein Konflikt zwischen Jung und Alt, zwischen Tradition und Moderne eines kleinen zentralasiatischen Landes in Zeiten der Globalisierung.

Der Film startet am 14. April in den deutschen Kinos.

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