24.03.2019
Politik

Holy Hero: Oscar Romero

»Wenn wir kein Radio mehr haben, dann muss sich jeder Einzelne in ein Mikrofon Gottes verwandeln.«

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von Miriam Pawlak

Oscar Arnulfo Romero – ein Name, den jeder bestimmt schon mal gehört hat.  Mich hat Oscar Romero schon immer interessiert, weil er, obwohl er aus so einem weit entfernten, kleinen Land kommt, auch hier in Deutschland immer wieder erwähnt wird. Er wird aber nicht einfach nur so erwähnt, sondern er zählt zu den wichtigsten Heiligen unserer Zeit. Mit Blick auf das nächste YOUNG MISSION Weekend in Hardehausen, das unter dem Motto Holy Heroes steht, habe ich mich gefragt, was ihn denn so holy macht und wieso gerade das fasziniert.

Romero wurde geboren am 15.08.1917 in der kleinen Stadt Ciudad Barrios in El Salvador; damals lebten dort gerade mal 1.000 Menschen. Er stammt aus armen Verhältnissen, er weiß wie es ist, Hunger zu leiden. Doch das macht ihn nicht unbedeutend, im Gegenteil: Die Armut, die er predigt und lebt, wird zum Charakteristikum seines Priesteramtes. Das prägt seine Karriere als Seelsorger, die ihn durch sein Theologiestudium über Rom zurück nach San Salvador führt.

»Du bist kein Abfall. Du gehörst nicht an den Rand. 
Das Gegenteil ist der Fall: 
Du hast eine große, große Bedeutung.«

Oscar Romero

»Du bist kein Abfall. Du gehörst nicht an den Rand. Das Gegenteil ist der Fall: Du hast eine große, große Bedeutung.« Das Zitat lässt in die Seele Romeros schauen: Was ihn besonders mit Glück und Freude erfüllte, war seine Erfahrung Gottes in den Armen – dass Christus selbst in den Armen, den Hungrigen, den Leidenden und Ausgegrenzten gegenwärtig ist. Seine Zuwendung zu den Menschen, war oft ihr einziger Schimmer Hoffnung in der brutalen Umwelt. Das einfache Volk wird ausgebeutet, reiche Clans kooperieren mit dem unterdrückenden Militär und regieren den kleinen, dicht besiedelten Fleck auf der Landkarte Mittelamerikas. El Salvador, ein Land, das damals wie heute unter den Repressionen der Militärherrschaft leidet, kämpft für seine Rechte und hat lange Zeit nur die Stimme Oscar Romeros. 

Handgefertigte bunte Kreuzchen aus El Salvador.

Die Stimme der Armen

Nach der Ermordung seines guten Freundes und Priesters bricht Romero seine schweigsame, zurückgezogene Art und macht ernst: Er erhebt seine Stimme in den Pfarreien, in denen er unterwegs ist. Damit beginnt sein Weg als Heiliger schon zu Lebzeiten. Als Bischof, ab 1977 sogar Erzbischof, bedient er sich seiner einzigen, aber sprengenden Waffe: dem Wort. Er war fest davon überzeugt, dass der Glaube an die Macht des Wortes Gottes die Welt verändern könne.

Darum scheute er sich nicht, klare Worte zu sprechen, Missstände der Kirche und Politik offenkundig und scharf zu kritisieren. Seine Predigten lebten davon – das Volk jubelte ihm zu. Es sah in ihm einen wahren Hirten, der sich nicht nur um seine Schafe kümmerte, sondern genauso roch wie sie, weil er sich mit ihrem Leid identifizierte. Er entwaffnete die Militärdiktatur mit der Macht seiner Worte, nämlich der Worte der Liebe und des Evangeliums. Als ein Bürgerkrieg auszubrechen drohte, wurde Romero nur noch lauter:

»Wenn wir kein Radio mehr haben, 
dann muss sich jeder Einzelne 
in ein Mikrofon Gottes verwandeln.«

Ein Blick von oben auf San Salvador.

Trotzdem: Es war immer noch ein friedlicher Protest für soziale Gerechtigkeit, im Gegensatz zu dem machtgierigen, eiskalten und mörderischen Militär. Oscar Romero repräsentiert eine Kirche, die den Armen und Schwachen zur Seite steht. Seine Freundschaft und Solidarität mit den Menschen in den Gemeinden und auf den Straßen wurde zu seinem Leitmotiv. Die Liebe zum Volk zeichnete seine authentische Persönlichkeit aus. 

Er suchte stets den persönlichen Kontakt zu den Notleidenden, Ausgebeuteten, meist armen Landarbeitern und fuhr dafür mit seinem Jeep bis an die entlegensten Örtchen. Es ging ihm dabei nicht um Personenkult, sondern, er wollte das Megaphon der Armen sein, die sich alleine nicht wehren konnten; er wollte ein Zeuge des Glaubens und der Gerechtigkeit des barmherzigen Gottes sein, an dem er festhielt. Für YOUPAX ist er ein Holy Hero.

Ein Blutzeuge des 20. Jahrhunderts

Doch nicht alle brachen in Jubel auf, sobald Romero auf der Bildfläche erschien. Durch die öffentliche Kritik an der Politik im Land war er für viele Gegner ein Dorn im Auge. Romero kam politisch stark in die Bredouille, wurde angezeigt, bekam Todesdrohungen – reiche Leute wollten ihm eine Residenz bauen, nur damit er aufhöre zu predigen; auch in den eigenen Reihen wurde er nicht immer anerkannt. Sein Einfluss sollte für immer verstummen. So kam es, dass seine Feinde, den Auftrag erhielten, ihn zu ermorden.

Im Jahr 1980 während einer Messfeier geschah es. Genau in dem Moment, als Oscar Romero Brot und Wein darbringt, trifft ihn die Kugel eines Scharfschützen mitten ins Herz.
Von da an gab es kein Zurück mehr. Romeros Prophezeiung erfüllt sich. Er wird als Märtyrer und Heiliger einer neuen Art gefeiert.

Ein Heiliger der Gegenwart

Noch heute zeichnet ganz Lateinamerika sein Gesicht auf Wände, trägt die Begegnung mit ihm im Herzen, noch heute lebt sein Geist in seinem Volk weiter.

In der Kirche, in der er ermordet wurde, ist die spanische Aufschrift unter dem Kreuz Jesu Christi an der Wand hinter dem Altar angebracht: En este altar Mons. Oscar A. Romero ofrendó su vida a Dios por su pueblo – An diesem Altar hat Mons. Oscar A. Romero Gott sein Leben für sein Volk geopfert. Ist das nicht eine besondere Widmung an einen Heiligen? Nach menschlichem Ermessen kann der Mord Romeros als Scheitern seiner Friedenspolitik angesehen werden. Die meisten jedoch sehen in der wehrlosen Hingabe seines Lebens eine Parallele zu dem Kreuzestod Jesu. Da Jesu Weg, den er freiwillig angenommen hat, nicht am Kreuz aufhört, sondern weitergeht, weil er auferstanden ist und wieder lebt, wird an ihn erinnert, wird er gefeiert – genauso tun es die Angehörigen, Freunde und Anhänger Romeros. Sie lassen ihn durch „Viva-Rufe“ in ihren Herzen weiterleben. In der Bitte um seine Fürsprache, in den Gebeten, in der Verehrung seiner Person: 

VIVA, Oscar Romero – viva! Es lebe ihr Heiliger, es lebe Oscar Romero.

In El Salvador bleibt das Volk, das mit der Kraft eines Mannes atmet, der sich durch seine Klarheit und seinen Kampf gegen die Ungerechtigkeit auszeichnete, nicht mutlos. Sie geben ihre Hoffnung auch weiterhin nicht auf.

2015 wurde Oscar Romero von Papst Franziskus seliggesprochen. 2018 erfolgte die Heiligsprechung.

Sein Gedenktag ist der 24. März.

El Salvador - die Heimat Oscar Romeros.

Literaturhinweise über Oscar Romero: 

- Für die Armen ermordet. Wie der Erzbischof von San Salvador das Evangelium verkündet, Freiburg 1982.
- Blutzeuge für das Volk Gottes, Olten/Freiburg 1985.
- In meiner Bedrängnis. Tagebuch eines Märtyrerbischofs 1978-1980, Freiburg 1993.

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