Poesie selbstgemacht
20.06.2016

Poesie selbstgemacht

Slam-Workshop in Dortmund

Von Marie Eickhoff

Ihr rechtes Hosenbein ist höher gekrempelt als das linke. Aber sie steht sicher vor dem Altar. Als Lea Limberg den ersten Ton ins Mikrofon spricht, wird es ruhig in der Dortmunder Heilig-Kreuz-Kirche. Hier ist an diesem Abend zum ersten Mal ein Poetry Slam. Und die Künstler tragen ihre Texte zum ersten Mal vor.

Hinter der Bühne, in der Sakristei wird die Reihenfolge gelost. Kurz vor der Show wächst die Nervosität. Der letzte Tipp vor dem Auftritt: "Nehmt euch Zeit!" Acht Künstler treten beim Dichterwettstreit in der Jungen Kirche Dortmund an. Sie haben jeweils sieben Minuten Zeit, um ihren Text zu präsentieren. Dann stimmt das Publikum mit Wertungskarten ab, wie viele Punkte der Künstler bekommen soll. Beim Poetry Slam ist das Publikum die Jury. "Aber die Punkte sind heute nicht der Punkt", sagt Jay Nightwind den Künstlern. Denn dieser Slam ist ein Workshop. Innerhalb von zwei Tagen haben die Teilnehmer ihre Texte geschrieben und das Wichtigste über eine gute Performance gelernt. Thema der Texte sollte Barmherzigkeit sein. "Und wann schlägt dein Herz?" - das war die Leitfrage. Geplant hat die KHG und die "junge kirche" Dortmund, Jay Nightwind hat den Kurs geleitet. Er ist oft als Poetry Slammer im Ruhrgebiet unterwegs.

"Ich bin kein Kirchentyp", sagt Jay. In einer Kirche zu slammen ist für ihn etwas besonderes. "Ich habe großen Respekt vor diesem Ort, denn er ist das Glaubenszuhause von vielen Menschen." Wegen der hohen Decken hallt es sehr. Es ist als würde sich jede vorgetragene Silbe einen Platz in dem beleuchteten Kuppeldach suchen. Dazu mischen sich die Töne, die Florian Bölker am Klavier anschlägt. Er gestaltet den Abend musikalisch. Gezielt wischen seine Finger über die Tastatur des schwarzen Klaviers.

Lea Limberg ist eine Rampensau. Das sagt zumindest ihr Papa über sie. Sie hat schon Theater gespielt und stand mal mit Klavier auf der Bühne. Aber so wie heute - nur mit einem Blatt Papier in der Hand - das ist neu für sie. "Da ist diese Maske, die wir alle tragen", spricht sie in das Mikrofon. "Irgendwann kriegen wir die Maske nicht mehr ab. Dann ist sie zu unserem Gesicht geworden." Das möchte die 15-Jährige nicht. Sie möchte sie selbst sein. Das hat sie aufgeschrieben und verkündet es in der Kirche. Jeder Text hier ist anders und jeder ist sehr persönlich. "Es gibt ein paar Zaubertricks", sagt Jay Nightwind. Aber der wichtigste Tipp für eine gute Performance sei es, echt zu sein. Lea steht als Teenagerin am Altar. Sie hat etwas zu sagen. "Deshalb passt das hier hin", erklärt Iris Meiser von der Jungen Kirche. "Hier geben andere Zeugnis davon, was sie berührt und bewegt." Und wenn es um das Thema Herz geht werden nicht nur rosarote Worte gesprochen.

Lea gewinnt den Poetry Slam. Ihr frecher, ehrlicher Text hat das Publikum überzeugt. Es sind Gedanken einer 15-Jährigen, aber nicht nur pupertäre Phantasie. Leas Text kommt von Herzen.

Sorgte zwischen den Texten für Musik: Florian Bölker aus Dortmund.

Mix