Die Abendsonne strahlt durch die großen, rechteckigen Fenster der Abteikirche Königsmünster in Meschede. Das Licht fällt auf rund 250 junge Sängerinnen und Sänger. Diese haben soeben mit einem Begegnungskonzert unter dem Festivalmotto „Cantate Domino – Vielstimmig für den Frieden – #comeandsing“ das Pre-Festival zum 45. Internationalen Kinder- und Jugendchorfestivals der Pueri Cantores im Erzbistum Paderborn gestartet. Tage der Begegnung, des Kennenlernen, des Austauschs und der gespannten Erwartung bevor sie am Mittwoch, 16. Juli, nach München zum großen Chorfest mit insgesamt 4.500 jungen Talenten aus 18 Ländern aufbrechen werden.
Die nächsten Tage sollen zeigen, dass Musik viel mehr ist als einfach nur ein schönes Beiwerk: Sie ist eine Chance, neue Menschen kennenzulernen, sich auszutauschen und sich gemäß dem Motto gemeinsam für ein Thema stark zu machen. „Gerade aktuell ist es wichtig sich für den Frieden einzusetzen. Das Thema ist ja allgegenwärtig. Jetzt in einer großen Gemeinschaft dafürstehen und dafür singen zu können ist etwas sehr Besonderes“, sagt Leonie Dierkes. Sie ist 19 Jahre alt und singt in der Mädchenkantorei am Paderborner Dom.
Nach Barcelona und Florenz ist es ihr drittes Internationales Kinder- und Jugendchorfestival der Pueri Cantores. Zudem war sie vor zwei Jahren mit ihrem Chor auf Konzertreise in den Vereinigten Staaten, hat in New York und Atlanta gesungen. Das Internationale Chorfestival, welches zum ersten Mal seit 2004 wieder in Deutschland stattfindet, ist für sie nicht nur aufgrund des „Heimspiels“ etwas Besonderes: „Es ist jedes Mal ein tolles Erlebnis, wenn so viele Chöre zusammenkommen. Das gemeinschaftliche Singen in einer so großen Gruppe ist immer etwas Außergewöhnliches und macht viel Spaß. Es ist auch ein anderes Gefühl, eine viel größere Stimmgewalt, als eine Chorfahrt, auf der man nur mit dem eigenen Chor singt.“
„Beim Singen ist jeder gleich. Es wird nicht unterschieden zwischen Hautfarbe, Herkunft oder Religion. Wenn man singt, ist man zusammen eine Gemeinschaft. Darum geht es dann und um nichts anderes.“
Leonie Dierkes
Das Festivalmotiv des Friedens wurde auch deutlich anhand des Gastchores, den die Chöre aus Rietberg, Rheda, Wiedenbrück, Hüsten, Erwitte, Meschede und Paderborn im Erzbistum zum Pre-Festival empfangen haben. Der polnische Jugendchor „Młodzieżowy Chór Miejski Canticum Novum“ aus Wodzisław Śląski im Erzbistum Kattowitz wurde von der Mescheder Stiftsmusik aufgenommen und hat das Sauerland erkundet. Eine besondere Symbolik für Frieden und Versöhnung wie Abt Cosmas Hoffmann beim Begegnungskonzert am 13. Juli herausstellte.
Die Abteikirche wurde 1964 am 25. Jahrestag des Überfalls des nationalsozialistischen Deutschen Reichs auf Polen auf den Titel „Christus, König des Friedens“ geweiht. „Angesichts des Festivalmottos und des Anliegens der Pueri Cantores – das Singen für den Frieden in der Welt – freuen wir Mönche uns, Sie in dieser Friedenskirche willkommen zu heißen“, begrüßte der Abt insbesondere auch die polnischen Gäste.
In den letzten Tagen haben die Chöre und die polnischen Gäste das Erzbistum bereist: Nach dem Konzert in Meschede haben sie montags, 14. Juli, im Wildwald Vosswinkel in Arnsberg die Landschaft erkundet. Am 15. Juli, dem Tag der Aussendung, stand „Paderborn“ auf dem Programm. Am Vormittag haben die Kinder und Jugendlichen bei einer Rallye die Stadt entdeckt. Hierbei kam den Gastgeberinnen von Leonies Mädchenkantorei eine besondere Rolle zu: Sie haben den Gästen aus nah und fern die Highlights der Stadt gezeigt.
Zum Abschluss des Tages hat Weihbischof Josef Holtkotte die Sängerinnen und Sänger im Dom in einem Gottesdienst feierlich nach München ausgesandt. Die Botschaft, die er den jungen Sängerinnen und Sängern mitgab: „Es ist ein kleines Stück vom Himmel, wenn Musik etwas bewegt.“
Musik erweitere unseren Horizont, über das was uns bedrückt und unsere Herausforderungen hinaus. So komme ihr eine besondere Bedeutung zu, sagt Weihbischof Holtkotte: „Nicht nur Politiker, die an wichtigen Schalthebeln sitzen, können etwas verändern. Auch Musik bewirkt Veränderungen. Das seid ihr. Ihr könnt etwas bewegen: für euer eigenes Leben, für das, was euch wichtig ist – aber auch für viele andere, die ihr beschenkt, mit dem, wofür Musik und Gesang im Tiefsten stehen.“ Musik machen, für andere und mit anderen, das sei ein Zeichen für Gemeinschaft und vermittle wichtige Werte wie Achtsamkeit. Im Chor müsse man aufeinander hören. Es könne nicht gegeneinander gesungen werden, nur miteinander.
Weihbischof Holtkotte: „Ich selbst habe auch immer den Eindruck, dass mir die Musik neue Welten eröffnet. Räume, die ich sonst gar nicht sehe. Neue Möglichkeiten, in die ich hineinschauen kann. Etwas, was man gar nicht immer bestimmen oder beschreiben kann. Daher möchte ich auch euch sehr wünschen, dass ihr aus der Gemeinschaft in München ein Stück für euer eigenes Leben mitnehmen könnt.“
„Ihr investiert etwas für euch aber auch für andere. Aber von den anderen kommt auch immer wieder etwas zu euch zurück. So entsteht ein Empfinden für Frieden, für Empathie, für gute Dinge, die wir miteinander teilen, für das, was uns im Miteinander guttut. Das geschieht auch in eurem Gesang, der unseren Horizont erweitert. Für mich ist das, was ihr tut, ein Zeichen für Gottes Liebe, für Gottes Güte, für Harmonie – für das, was wir dringend brauchen in unserer Zeit und Gesellschaft.“
Weihbischof Josef Holtkotte
Leonie stimmt Weihbischof Holtkotte zu: „Musik ist etwas, was man weitergibt. Ich selbst möchte auch für andere singen und anderen damit helfen. Musik, egal ob man sie hört oder selbst macht, hilft immer im Leben – wenn es einem psychisch schlecht geht, wenn man Stress hat, sogar wenn es mir gut geht, kann Musik noch helfen.“ Sie erzählt, dass sie schon als kleines Kind gerne gesungen und Klavier gespielt habe. In der Grundschule habe Leonie die Begeisterung dann richtig gepackt. Nach München fahre sie nun mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Voller Vorfreude, aber auch traurig, weil es aufgrund ihres Alters die letzte Jugendchorfahrt mit der Mädchenkantorei sein wird.
„Ich bin schon sehr aufgeregt. Ich freue mich die Chöre, die wir bei den letzten Festivals kennengelernt haben, wiederzusehen – aber auch neue Sängerinnen und Sänger zu treffen und die Stadt München zu erleben.“ Diese Begegnungen und diese Gemeinschaft, die schon in Meschede, Arnsberg und Paderborn spürbar waren, machten das gemeinsame Singen und Musizieren so besonders.