"Ich war der größte Skeptiker"
12.05.2016

"Ich war der größte Skeptiker"

SAINTS4LIFE: Philippus

Von Isabella Henkenjohann

Scheinwerfer sind auf den Altar gerichtet, Techniker diskutieren, Kabel werden verlegt - ein Filmset am See Genezareth. Morgen ist hier Fernsehgottesdienst. Ach, denke ich, ich bin vielleicht nur noch dieses eine Mal hier und setze mich in das Stimmengewirr. Mein Blick schweift über den See, über die Berge ringsherum. Wie viele Geschichten habe ich nicht schon von dir gehört? Richtig vorstellen konnte ich mir dich trotzdem nicht - bis heute.

„Ganz schön viel Aufregung hier, was?“, höre ich eine Stimme neben mir sagen. Auf meinen Baumstamm hat sich ein älterer Herr gesellt. Er wirft einen kurzen, skeptischen Blick hinter sich auf das Filmteam. „Das kann man wohl sagen, aber immerhin haben sie morgen im kalten, grauen Deutschland auch etwas von diesem wunderschönen Ort“, erwidere ich. Er schüttelt sanft den Kopf: „Diese Technik heute! Was der Meister … ähm … Jesus wohl dazu gesagt hätte?“ - „Tja, wer weiß das schon?“, sage ich nachdenklich. Wir schweigen eine Weile gemeinsam in den Lärm hinein.

SAINTS4LIFE

Auf dem See heulen Motoren auf. Wasserskis. Ich zeige in ihre Richtung. „Da hat Jesus vielleicht dem Sturm Einhalt geboten …“ - „Eher dort“, korrigiert mich mein Sitznachbar und zeigt auf die andere Seite des Sees. „Und da, da ist er übers Wasser gelaufen“, ergänzt er schwärmend. Was der so alles weiß … „Je länger ich hier sitze, desto unwirklicher wird das alles für mich. All die Geschichten, die sich hier zugetragen haben sollen.“ Er nickt mir aufmunternd zu. „Das kann ich nur zu gut verstehen. Es hat sich hier viel verändert seitdem, das macht es schwieriger“, sagt er und schaut noch einmal zu den Motorbooten. „Und trotzdem, die Skepsis ist die Gleiche. Was habe ich nicht immer Kontra gegeben! Denk nur an die Brotvermehrung: Dieser Jesus will all diese Menschen satt bekommen. Dafür hätten nicht einmal zweihundert Denare gereicht, was mit zwei Fischen und fünf Broten plötzlich möglich wird. 12 Körbe Brot bleiben übrig. Ich weiß immer noch nicht, wie er das gemacht hat. Aber das muss ich auch gar nicht …“

„Sondern?“ - „Ach, ich glaube über die Jahre habe ich gelernt, dass wir nicht alles vorausplanen können; und dass wir nicht alles verstehen können. Dabei dachte ich das immer, weißt du? Ich war nicht nur das Organisationstalent, sondern auch der größte Skeptiker der Gruppe. Eines Tages erzählen mir die Leute im Dorf von diesem Jesus und ich weiß auf einmal: Das ist nicht irgendein dahergelaufener Prophet, das ist der Messias. Mehr braucht es nicht.“ Ich schüttle energisch den Kopf: „Aber, wie soll ich anderen von ihm erzählen, wenn ich selber an allem zweifele?“ Er schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln und sagt: „Mein bester Kamerad Nathanael ist mir einfach gefolgt, als ich von Jesus erzählte. Er hat gemerkt, dass irgendetwas anders war, dass ich anders war. Da hatte ich selbst noch keinen blassen Schimmer, was dieser Jesus wollte. Und ich habe ja auch nicht gesagt, dass ich aufgehört hätte, zu zweifeln, im Gegenteil. Das sollte Teil von mir bleiben. Aber irgendwann habe ich verstanden, dass man keinen großen Glauben braucht, nur einen Glauben an einen großen Gott.“

Man braucht keinen großen Glauben? Darüber muss ich nachdenken. Mein Sitznachbar klopft mir auf die Schulter, drückt sich mit seiner rechten Hand auf ihr ab und eilt in Richtung Brotvermehrungskirche davon. Interessante Zeitgenossen hier … Bevor ich selbst weitergehe, will ich noch schnell die Speisung am See lesen. Ich schlage die Bibel auf.

Als Jesus aufblickte und sah, dass so viele Menschen zu ihm kamen, fragte er Philippus: Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben? Das sagte er aber nur, um ihn auf die Probe zu stellen; denn er selbst wusste, was er tun wollte. Philippus antwortete ihm: Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll … Philippus … einer der zwölf. Und der Apostel, der nicht alles versteht und doch glaubt. Ich muss grinsen. Wahrlich, ein Zeitgenosse …

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