19.12.2017
Perspektive

Mein Weg in die Selbstständigkeit

Ein Erfahrungsbericht von YOUPAX-Autorin Anna Petri

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Von Anna Petri

Bei mir war es der Umzug. Nach über vier Jahren in Hamburg, wo ich in einer kleinen TV-Redaktion gearbeitet hatte, zog es mich wieder zurück in die Heimat, ins Ruhrgebiet. Ausgestattet mit jeder Menge Berufserfahrung als Redakteurin, inklusive eines zweijährigen Volontariats, war ich guter Hoffnung, in einer der zahlreichen Zeitungsredaktionen oder Verlage in Nordrhein-Westfalen unterzukommen. Dachte ich zumindest. Wie falsch ich damit lag, merkte ich schnell, als ich mich bewerben wollte. Es gab schlichtweg überhaupt keine Stellen.

Ich muss dazu sagen, dass sich die Zeitungs- und Redaktionslandschaft in den fünf Jahren meines Studiums und der anschließenden vierjährigen Festanstellung total verändert hatte. Die Entwicklung des Internets und die Wirtschaftskrise Ende der 2000er Jahren hatten mit entscheidend dazu beigetragen, dass zahlreiche Zeitungsredaktionen und kleine TV-Stationen einfach schließen mussten. Das Berufsbild des Journalisten hatte sich ziemlich verändert. Und da stand ich nun und suchte genau in diesem Bereich einen Job.

Der Schritt muss wohl überlegt sein

»Was ist, wenn ich keine Kunden finde? Oder wenn die Bezahlung so unterirdisch ist, dass ich nicht davon leben kann?«

An die Selbstständigkeit hatte ich zwischendurch schon einmal gedacht. Aber das damit verbundene Risiko ließ mich zuerst zweifeln. Was ist, wenn ich keine Kunden finde? Oder, wenn die Bezahlung der geschriebenen Artikel unterirdisch schlecht ist, wie ich es schon von einigen meiner selbstständigen Kollegen gehört hatte.

Solche und andere Fragen gehen sicher vielen durch den Kopf, die überlegen, den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. Laut einer aktuellen Untersuchung ist Deutschland ein Land mit einem vergleichsweise geringen Anteil an Existenzgründern.

Mir selbst ließ die Situation auf dem journalistischen Arbeitsmarkt keine Wahl und so nahm ich die Sache in Angriff. Glücklicherweise ist die Situation für Leute, die sich hier in Dortmund selbstständig machen wollen, ziemlich gut. Von Seiten der Dortmunder Wirtschaftsförderung bekam ich umfangreiche Beratung und mir wurde genau erklärt, wie ich einen Businessplan erstellen kann – eine wichtige Grundvoraussetzung für alle, die ein Unternehmen gründen wollen.

Time is money
Spaß im Büro muss sein
Ruhe zum Arbeiten

Ist meine Idee tragfähig?

Auch wenn ich zwischendurch das Gefühl hatte, ich gehe wieder zur Uni, soviel Lektüre musste ich als Vorbereitung auf Businessplan und die Entwicklung meiner unternehmerischen Idee durcharbeiten. Aber es hat sich gelohnt. Aus heutiger Sicht würde ich auch jedem, der über eine selbstständige Tätigkeit nachdenkt, empfehlen, sich wirklich ausreichend Gedanken zu machen. Dabei geht es gar nicht mal unbedingt darum, die Leute von der Arbeitsagentur zur Bewilligung des Gründungszuschusses zu überzeugen. Man sollte sich selbst einfach klar darüber sein, ob seine unternehmerische Idee auch tragfähig ist. Denn hat man erst viel Energie, Zeit und Geld in die Unternehmensgründung investiert, ist es umso schlimmer, wenn man dann feststellt, dass es nicht klappt.

Einsamkeit und das liebe Geld

Obwohl es bei mir bisher eigentlich immer relativ gut lief, kenne ich natürlich auch die Durststrecken, wenn man einfach keine Aufträge bekommt und sich überlegt, ob man sich doch wieder fest bewerben will. Dabei fehlen mir manchmal auch Kollegen, mit denen ich in der Mittagspause einfach mal quatschen kann. Man sitzt ja die meiste Zeit eben ganz allein vor dem PC und die Kontakte beschränken sich auf Telefonate und E-Mails mit den Kunden. Daher habe ich es mir angewöhnt, am Nachmittag eine Stunde Pause zu machen, in der ich einen Spaziergang mache und ein wenig einkaufen gehe. So komme ich an die Luft und unter Leute und kann hinterher umso motivierter weiter arbeiten.

Auch finanziell ist die Selbstständigkeit manchmal ein ganz schöner Kraftakt. Nicht immer sind die Kunden bereit, das zu zahlen, was man selbst für angemessen hält. Ein gewisses Verhandlungsgeschick in Honorarfragen muss man sich auch erst einmal erarbeiten, das hatte ich auch nicht von Anfang an. Aufträge, die ausbleiben, verunsichern mich auch heute immer noch und die Frage, die mich dann besonders quält: Kann ich nächsten Monat noch die Miete bezahlen? Daher ist es total wichtig, sich für solche Durststrecken immer ein kleines finanzielles Polster anzulegen: das gibt eine gewisse Sicherheit, auch im Falle einer Erkrankung.

Im Januar dieses Jahres bin ich fast drei Wochen wegen einer heftigen Grippe ausgefallen und Ausfall bedeutet als Freiberuflerin: Totalausfall. Wenn ich nicht arbeite, werde ich auch nicht bezahlt. So ist das. Natürlich kenne ich auch die Tage, an denen ich mich frage, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Mein Glaube hilft mir in solchen Situationen sehr, weil ich Jesus immer an meiner Seite weiß. Ich bin mit ihm nicht allein und fühle mich auch in Krisensituationen getragen und spüre dann, wie er zu mir sagt: Es gibt immer einen Weg.

Freiheit – ein zentraler Faktor für mich

Daher kann ich mir momentan - auch wenn es mal nicht so richtig gut läuft – eigentlich nicht mehr vorstellen, wieder in die Festanstellung zu gehen. Die persönliche Freiheit, die ich in der Gestaltung meiner Arbeit habe, ist für mich von sehr großem Wert. In einem gewissen Rahmen kann ich selbst entscheiden, über welche Themen ich schreiben möchte.

Auch die Vielfalt immer wieder neuer spannender Projekte, mit denen ich mich beschäftigen kann, reizt mich sehr, und kein Tag ist wie der andere. Auch wenn es damals eine nicht ganz freiwillige Entscheidung zur Selbstständigkeit gewesen ist, so bereue ich sie aus heutiger Sicht kein Stück und bin gespannt, was die Zukunft noch so alles für mich bereithält.

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