Warum nicht (mehr) alles selbstverständlich ist.
Samstags bei Ikea. Ich bin mal wieder auf der Suche nach ein paar Schönheiten für meine Wohnung. Auch wenn ich eigentlich gar nichts brauche. Aber es macht mir einfach Spaß, mich von den neuesten Wohntrends mitreißen zu lassen. Und dass dabei die eine oder andere Kleinigkeit in meinem Einkaufskorb landet, ist auch selbstredend. Ich sage nur Duftkerzen.
So oder so ähnlich sah für mich bis vor einem Jahr alle paar Wochen ein typischer Samstag aus. Samstags shoppen bei Ikea. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Eigentlich.
Durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen sind wir gezwungen seit gut einem Jahr auf Dinge zu verzichten, die ansonsten eigentlich selbstverständlich sind. Gerade jetzt in der Fastenzeit spielt das Thema Verzicht für mich eine besondere Rolle. Dabei geht es mir nicht darum, einfach nur mal die Süßigkeiten wegzulassen, sondern vielmehr ein Bewusstsein für Dinge und Gedanken zu schaffen, die sonst in meinem Leben weniger Raum einnehmen. Mich selbst ein Stück weit zu hinterfragen oder auch meine Beziehung zu Gott zu vertiefen. Normalerweise gehört das für mich zur Fastenzeit dazu. Doch in diesem Jahr ist vieles nicht normal.
Als ich überlegte, auf was ich in diesem Jahr in der Fastenzeit verzichten möchte, kam mir deshalb die Frage in den Sinn:
Was ist eigentlich in der heutigen Zeit selbstverständlich?
Mir ist bewusst, dass der Verzicht auf Dinge, die für uns selbstverständlich sind, leider für viele Menschen auf der Welt zum ganz normalen Alltag gehört. Krieg, Hunger und so viele fürchterliche Dinge gehören leider zum Leben sehr vieler Menschen.
Ich möchte mich jedoch in diesem Artikel ganz bewusst auf unseren Alltag hier in Deutschland konzentrieren, da mir vor allem wichtig war, die Frage zu schärfen, was für uns hierzulande vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie überhaupt noch selbstverständlich ist.
Meine Mutter und ich, ein kleines Straßencafé, Latte Macchiato. Vor der Pandemie gehörte es zu meinen kleinen Selbstverständlichkeiten, mich einmal in der Woche mit meiner Mutter zu treffen. Gerade nach dem Tod meines Vaters vor drei Jahren sind mir diese Begegnungen noch einmal ein ganzes Stück wichtiger geworden. Da meine Mutter aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe gehört, sind unsere Treffen weniger geworden. Menschen zu treffen, die einem sehr viel bedeuten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Eigentlich.
Die Familie treffen und andere Länder bereisen
Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich die Ostküste der Vereinigten Staaten unglaublich faszinierend finde. Allen voran zählt Boston seit meinem ersten Besuch dort zu einer meiner absoluten Lieblingsstädte. Natürlich war für mich schon vor einigen Jahren klar, dass ich dort meinen runden Geburtstag feiern möchte, der in diesem Sommer auf mich wartet. Bereits im Herbst hatte mich das ungute Gefühl beschlichen, dass es mit dieser Reise im nächsten Sommer wohl nichts werden könnte. Was nun leider immer mehr zur Realität wird. Reisen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Eigentlich.
Ich könnte diese Liste noch viel weiter führen: Konzertbesuche, das samstägliche Mitfiebern im Fußballstadion, durch die Fußgängerzone schlendern und in kleinen Läden stöbern.
Und hinter jedem Geschäft, das schließen muss, hinter jedem Konzert, das ausfällt, stehen auch Existenzen. Menschen, die aufgrund der Corona-Pandemie ihre Einnahmequelle verloren haben oder vielleicht noch verlieren werden.
Sie verlieren ihren Job, der für viele Menschen eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit ist.
Ich möchte den Blick nach vorn richten. In die Zeit nach Corona. Ich frage mich: Welche dieser Selbstverständlichkeiten wird für mich nach der Pandemie noch den gleichen Stellenwert einnehmen werden wie vor der Pandemie?
Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich darauf noch keine abschließende Antwort gefunden. Ich habe aber das Gefühl, dass es nicht mehr sehr viele sein werden. Auf jeden Fall freue ich mich darauf, meine Freunde und meine Familie wieder in den Arm zu nehmen. Mein Konsumverhalten dagegen habe ich schon im Verlauf des vergangenen Jahres mehrfach hinterfragt. Ikea wird mich wahrscheinlich nicht mehr ganz so häufig sehen. Mein Shoppingverhalten gehört sicherlich zu den Dingen, die ich durch meine Erfahrungen im vergangenen Jahr zukünftig mit anderen Augen sehen werde. Ich meine damit, bewusster einkaufen zu gehen und ein Gefühl dafür zu entwickeln, was ich wirklich brauche.
Es fühlt sich irgendwie sogar gut an, meine Gewohnheiten infrage zu stellen. Auch, wenn ich natürlich liebend gern auf eine furchtbare Pandemie verzichtet hätte, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Umso wichtiger ist es mir, den Blick für die Dinge zu schärfen, die wir immer als selbstverständlich angenommen haben, die es aber eigentlich gar nicht sind. Wir haben trotz der Pandemie immer volle Supermarktregale gehabt (das Toilettenpapier mal ausgenommen), unser Gesundheitssystem hat weiterhin funktioniert und von Endzeit-Szenarien, wie sie uns in diversen Hollywoodfilmen begegnen, in denen ein todbringendes Virus die Welt heimsucht, sind wir zum Glück auch meilenweit entfernt.
Ich denke, wenn ich mir das einfach jeden Tag ins Bewusstsein rufe, mich im Zwiegespräch mit Gott darüber austausche, dass es uns hier in Deutschland trotz des Lebens mit einem furchtbaren Virus immer noch verhältnismäßig gut geht, dann komme ich damit schon ganz gut durch die Fastenzeit.
Innerlich Danke sagen zu können, ist für mich dabei noch einmal ein ganzes Stück wichtiger geworden. Ich habe mir fest vorgenommen, häufiger auf das zu blicken, was wir haben, und nicht auf das, was wir nicht haben. Einfach öfters mal eine dankbare Haltung einnehmen. Und nicht jede Selbstverständlichkeit auch als eine solche zu betrachten. Denn eigentlich ist doch alles, was wir haben, ein wunderbares Geschenk und eben nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit.