02.10.2024
LIFESTYLE

Was andere über mich denken

Jeder muss lernen, mit Vorurteilen zu leben. Im Fall von Sophia Liemke: "reiches Töchterchen" und "gläubig".

von Tobias Schulte

Was andere über einen denken und erzählen… Ist das egal? Wie sehr sollte das einen beschäftigen? Diese Fragen kommen auf, wenn man sich mit Sophia Liemke unterhält.

Sie erzählt, dass sie von einigen im Dorf als „reiches Töchterchen“ abgestempelt wird. Und, dass viele in der Schule sie schräg dafür angucken, dass sie an Gott glaubt, in die Kirche geht und Reli fürs Abi schriftlich gewählt hat.

„Das ist ‘ne Liemke“

Zunächst: Sophia ist 17 Jahre alt und wohnt in Hövelhof. Sie ist gerade in ihr letztes Schuljahr gestartet. Am Gymnasium St. Michael in Paderborn. 

Danach will sie ein Gap Year machen. Mit Freiwilligendienst und Work and Travel, vielleicht in Kanada. Dann kann sie sich vorstellen, ein duales Studium zu machen. Oder erst eine Ausbildung und dann ein Studium. Hauptsache im Bereich Maschinenbau oder Elektrotechnik.

Sophia sagt: „Das kommt aus meiner Familie. Meine Eltern sind beide Ingenieure, mein Opa auch. Das interessiert mich, das macht mir Spaß.“ Sie erinnert sich, wie sie schon als Kind in die Halle des Unternehmens ihrer Familie mitgenommen wurde.

»Meinen Namen kennt jeder in Hövelhof – und die Leute lernen mich dann anders kennen, weil sie ein anderes Bild von mir haben. Ansonsten ist es mir echt egal, was andere Leute über mich erzählen.«

Sophia Liemke

Womit wir beim ersten Stempel wären: „reiches Töchterchen“. Den spürt sie zum Beispiel, wen jemand über sie sagt: „Das ist ‘ne Liemke.“

Sie sagt: „Den Namen kennt jeder in Hövelhof“. Er steht vor allem für die Firma ihrer Familie, die mit über hundert Angestellten Maschinen für die Automobilbranche herstellt. 

„Wenn Leute sagen 'Das ist 'ne Liemke', lernen sie mich anders kennen, weil weil sie ein anderes Bild von mir haben.“ Doch Sophia sagt auch: „Ansonsten ist es mir echt egal, was andere Leute über mich erzählen“. Und: „Ich würde mich als recht bodenständig beschreiben.“

Aber: Was heißt es, bodenständig zu sein? Sophia sagt: „Meine Familie vermittelt mir, dass es egal ist, welche Klamotten ich trage oder welches Auto ich fahre.“

Messdiener – Freunde und zweite Familie

Sophia Liemke im Gespräch

Damit zum zweiten Thema, mit dem Sophia leben muss. Sie sagt: „Wen ich in der Schule sage, dass ich regelmäßig in die Kirche gehe und an Gott glaube, werde ich schräg angeguckt.“

Klar: Sophia glaubt an Gott. Sie hat schon als Kind vor dem Schlafengehen mit ihrem Papa gebetet. Sie ist nach der Erstkommunion Messdienerin geworden und wollte seitdem zur Oberrunde der Messdiener dazugehören. Zu den Großen. 

Nun ist sie in der Oberrunde und sagt: „Die Messdiener sind für mich eine Mischung aus einem riesigen Freundeskreis und einer zweiten Familie“. Sie dienen zusammen, gehen bowlen und in den Kletterpark, fahren auf Leiterfahrt und treffen sich jeden ersten Dienstag im Monat zur Oberrunde und zwei Wochen später zum Stammtisch. 

Weil sie sich bei den Messdienern so wohlfühlt, kann sie die blöden Sprüche ihrer Mitschüler über Glaube und Kirche auch ab. Nervig sind sie trotzdem.

Mal läuft alles schief, mal ist alles gut

Vor allem merkt Sophia, dass viele ihrer Mitschüler „gläubig sein“ damit verbinden, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen. Doch glauben ist für sie noch mehr. Zum Beispiel tut es ihr gut, sich über den persönlichen Glauben an Gott auszutauschen. Das erlebt Sophia beim Jugendalphakurs im Pastoralen Raum Delbrück-Hövelhof genauso wie bei der Bergfreizeit im Sommer oder einer Fahrt im Januar nach Taizé.

Sophia sagt: „Ich finde es sehr interessant, sich mit anderen Menschen auszutauschen und zu hören, wie sie glauben und welche Routinen sie haben.“ 

In ihrem Glauben beschäftigt Sophia oft die Frage nach dem Warum. „Warum passiert mir das jetzt? Warum ist es im Leben manchmal, wie es ist? In bestimmten Situationen läuft alles schief, in anderen alles gut“, sagt Sophia.

Anfang des Jahres hat sie zum Beispiel beschäftigt, dass sie ziemlich Stress mit einer Freundin hatte. Sophia erzählt: „Das ist ziemlich gemein geworden. Sie hat Dinge über mich erzählt, die nicht stimmen. Ich habe ihr öfter die Möglichkeit gegeben, unseren Streit zu klären, aber sie hat es nicht angenommen.“ Momente, in denen Sophia sich fragt: Warum? Warum musste es so weit kommen?

Sie erzählt weiter: „Ich habe dann irgendwann gesagt: ‚Ich habe nichts gegen dich persönlich, aber ich möchte keinen Kontakt mehr, bis du bereit bist, das offen mit mir zu klären.‘ Im Nachhinein denke ich jetzt: Vielleicht ist es besser so. Vielleicht sollte es so sein.“

»Behandle jeden so, als wüsste man nicht, wer das ist. Man weiß nie, was einen Menschen gerade beschäftigt.«

 

Noch eine Frage an Sophia: Der Gründer von Taizé, Frère Roger hat mal gesagt: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es.“ 

Was hat sie vom Evangelium verstanden?

Sophia sagt: „Behandle jeden so, als wüsste man nicht, wer das ist und was hinter dem Menschen steckt. Man weiß nie, was einen Menschen gerade beschäftigt.“ 

Und wie gut klappt das bei ihr?

„Ich könnte jetzt sagen: ‚Es läuft super‘“, gibt Sophia zu, „aber es ist ja schon so, dass man immer Bilder von Menschen im Kopf hat. Aber ich versuche, so zu handeln, als könnte jeder Mensch eine Geschichte haben, die ihn begleitet und die ich nicht kenne.“

Leichter gesagt als getan also, aber Sophia setzt sich für eine Welt ein, in der niemand einfach so einen Stempel aufgedrückt bekommt.

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