Einem Menschen, dem es nicht gut geht, zu helfen – diesen Wunsch haben wir oft. Etwas Licht in die Dunkelheit zu bringen. Das ist besonders herausfordernd, wenn jemand keinen Ausweg mehr sieht. Sich das Leben nehmen will. Wie kann ich da helfen?
Etwa alle 57 Minuten nimmt sich in Deutschland ein Mensch das Leben. So sterben hierzulande mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen zusammen. Mehr als 9.000 sind es im Jahr. Unvorstellbar, oder?! Jeder Suizid hinterlässt statistisch sechs Angehörige. Eltern, Großeltern oder Kinder. Die Ehefrau oder den Lebensgefährten.
Und trotzdem: In der Gesellschaft ist Suizid auch heute noch ein Tabuthema – behaftet mit Vorurteilen, die oft verhindern, dass Menschen eine echte Hilfe für Personen mit Suizidgedanken sein können. Wenn sie z.B. nicht nachfragen, banalisieren, schweigen. Zum Welttag der Suizidprävention räumen wir damit auf und haben Tipps, wie du suizidgefährdeten Personen helfen kannst.
Das stimmt nicht. Acht von zehn Menschen, die Suizid begehen, kündigen das vorher an. Entweder direkt oder indirekt. Daher sollte jede Äußerung zu Suizidgedanken ernstgenommen werden. Sprich die betroffene Person direkt darauf an. Menschen, die sagen, dass sie Suizid begehen werden, wollen auf sich aufmerksam machen. Sehr häufig ist das ihr letzter Schrei nach Hilfe.
Manche Menschen denken vielleicht: „Wenn ich jemanden auf das Thema Suizid anspreche, kann ich ihn erst recht auf die Idee bringen, sich das Leben zu nehmen.“ Das ist völlig unbegründet. Kein Mensch nimmt sich das Leben, weil er auf Suizidgedanken angesprochen wird. Im Gegenteil: Oft sind Personen erleichtert, wenn sie auf ihre Gefühle angesprochen werden und offen mit jemandem darüber sprechen können. Reden kann Leben retten! Trau dich und frag nach.
• Abkapseln von Freunden und Familie
• Starke Veränderungen von Ess- und Schlafgewohnheiten (zu viel oder zu wenig)
• Vorangegangene Suizidversuche
• Depression bzw. andere psychische Belastungen
• Große Hoffnungslosigkeit
• Äußerungen wie: „Ich kann nicht mehr“ oder „Mein Leben macht keinen Sinn mehr“
• Kein Interesse mehr an Freizeitaktivitäten und Hobbys
• Verschenken persönlicher wertvoller Sachen
• Selbstgefährdender Lebensstil
Ja, es gibt impulsive, spontane Suizidversuche. Aber: Die meisten Menschen, die Suizid begehen, planen das über einen längeren Zeitraum. Die betroffenen Personen machen sich Gedanken zu den Methoden und stellen einen konkreten Plan auf. Viele bereiten ihren Suizid vor, indem sie sich die nötigen Hilfsmittel besorgen, persönliche Gegenstände verschenken oder Abschiedsbriefe schreiben. Wenn du einer suizidgefährdeten Person begegnest, frag sie, ob sie schon einen konkreten Plan hat. Das deutet oft darauf hin, wie akut die Suizidgedanken sind. Bleib mit der Person im Gespräch darüber!
Suizidale Menschen sind häufig hin- und hergerissen zwischen Leben und Tod. Sie durchlaufen verschiedene Phasen: In der Erwägungsphase am Anfang kommt erstmals der Gedanke an einen möglichen Suizid auf. Vorbilder durch Suizide in der Familie, der Umgebung oder literarische Figuren spielen in dieser Phase eine große Rolle. Die betroffene Person überlegt, wie es wäre, nicht mehr zu leben. Wird Suizid als ernsthafte Möglichkeit in Erwägung gezogen, folgt die Ambivalenzphase. Hier kämpfen selbsterhaltende und selbstzerstörerische Gedanken miteinander. In dieser Phase machen Betroffene häufig Andeutungen zu ihren Suizidgedanken. Nimm diese ernst und frag nach!
Fast jeder Mensch erlebt irgendwann in seinem Leben eine Krise. Manchmal kommt dann der Gedanke auf, es sei besser, nicht mehr zu leben. Suizidgedanken kann jeder Mensch haben. Wenn sie über eine längere Zeit bestehen und/oder es zur Planung eines Suizids kommt, ist professionelle Hilfe von Ärzten und Therapeuten sehr wichtig.
Das Projekt [U25] ist eine Online-Beratung der Caritas für suizidgefährdete junge Menschen. Gleichaltrige Peers tauschen anonym und kostenlos mit den Klientinnen und Klienten E-Mails aus. Deutschlandweit stehen an elf Standorten ausgebildete Peers den Jugendlichen auf der ganzen Welt zum digitalen Austausch bereit. Die Erfahrungsberichte von zwei Peers könnt ihr hier lesen. Mehr Informationen über das Projekt gibt es auf der Homepage von [U25].
Weitere Angebote:
• Nummer gegen Kummer: 0202 2590590
• Telefonseelsorge: kostenlose Beratung rund um die Uhr unter 0800 / 111 0 111, 0800 / 111 0 222 oder 116 123 oder per Mail und Chat unter online.telefonseelsorge.de
• Psychiatrische Ambulanz in der Nähe
• APP „KrisenKompass“ (verfügbar im App Store und bei Google Play)
• IM NOTFALL: 112 wählen!
Für viele scheint der Suizid einer Person eine freie Entscheidung zu sein. Man hat sich dazu entschieden, nicht mehr leben zu wollen. Aber wer unter Ängsten, Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen leidet, kann keine freie Entscheidung treffen. Die Krankheiten nehmen die Entscheidungsfreiheit und können die Ursache von suizidalen Handlungen sein. Davon abgesehen sind die meisten Menschen nicht dafür verantwortlich, welchen Krisen sie in ihrem Leben begegnen. Eine suizidale Person ist alles andere als frei!
Ein suizidgefährdeter Mensch durchläuft meist unterschiedliche Phasen bis es zur Suizidhandlung kommt. Nach der Erwägungs- und Ambivalenzphase folgt die Entschlussphase. Ist die Entscheidung zum Suizid getroffen, wirkt die Person häufig beruhigt und entspannt. Als Außenstehender kann man leicht denken, sie sei „über den Berg“ und es gehe ihr wieder besser. Bleib mit der Person im Gespräch, frag nach und sei für sie da.
Auch das ist falsch. Im Gegenteil: Wer schon einmal einen Suizidversuch unternommen hat, ist besonders gefährdet, es erneut zu versuchen. Ungefähr 20 bis 30 Prozent der Personen mit einem Suizidversuch unternehmen auch noch weitere. Besonders im Jahr nach dem Suizidversuch ist das Wiederholungsrisiko hoch. Begleite die gefährdete Person auch weiterhin!
Suizid ist ein schwieriges Thema, das die Familie und Freunde sehr belasten kann. Folgende Tipps können helfen:
• Nimm die Person ernst und verkleinere ihre Probleme nicht. Versuch zu verstehen, warum die Situation für sie ausweglos erscheint.
• Gib der Person das Gefühl, gebraucht zu werden. Viele Menschen, die nicht mehr leben wollen, denken, dass sie nichts wert sind und nur eine Last für andere sind.
• Mache der Person keine zusätzlichen Vorwürfe. Damit setzt du sie nur noch mehr unter Druck oder erzeugst Schuldgefühle.
• Versuche nicht, die Person umzustimmen oder vorschnelle Ratschläge zu geben, denn dann erzählt sie dir vielleicht nichts mehr. Hör ihr zu und versucht gemeinsam, eine Lösung oder Hilfsangebote zu finden.
• Lass dich nicht unter Druck setzen und achte auf deine eigenen Grenzen.
• Gewinne das Vertrauen der Person, ohne Dinge zu versprechen, die du nicht halten kannst.
• Such dir auch selbst Hilfe. Sprich mit jemandem darüber, dem du vertraust.
• Schau, ob dein Glaube dir in der schwierigen Situation Kraft geben kann.
Die Autorin hat die Tipps auf Grundlage ihrer Ausbildung zur Krisenbegleiterin bei der [U25] Mailberatung der Caritas zusammengestellt.
Empfehlungen zur weiterführenden Lektüre:
Klicpera/Gasteiger-Klicpera/Besic (2019): Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter.
Stork (2018): Seitdem ist alles anders. Wegweiser nach dem Suizid eines Angehörigen.
Teismann/Dorrmann (2014): Suizidalität.