Ankunft in Taizé
27.11.2017
Faszination

Taizé

Ein Kraftort mit Spaßfaktor

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Von Laura Konieczny

Woran denkst du, wenn du an Entspannung in Frankreich denkst? An einen Sandstrand? Blaue Bergseen? Ein Kloster in Frankreich, mitten im Nichts, kommt dir wahrscheinlich nicht gleich in den Sinn. Und doch ist Taizé, ein Ort im nordfranzösischen Burgund, für viele junge Menschen der Ort schlechthin, um Ruhe zu finden und dabei jede Menge Spaß zu haben.

Ich war gerade 15 geworden, als ich das erste Mal nach Taizé reiste. Mit einer Gruppe junger Menschen aus meiner Heimatkirchengemeinde in Castrop-Rauxel setze ich mich irgendwann im August früh am Morgen in den Bulli, fuhr acht Stunden lang gen Süden und erreichte schließlich den Ort, der mir in den kommenden Jahren unzählige wundervolle Momente bescheren würde. Mittlerweile bin ich 24 und habe insgesamt neun Mal eine Woche in Taizé verbracht. Höchste Zeit, meine Faszination an diesem Ort mit der Welt zu teilen.

Ein Haus der Taizé-Gemeinschaft

»Das kann man nicht so einfach beschreiben« ist wohl meine häufigste Wortwahl, wenn ich über meine Reisen nach Taizé berichte.

YOUPAX-Autorin Laura

Die Geschichte von Taizé

Taizé ist ein Dorf in Burgund, im Osten Frankreichs. In diesem Dorf kaufte Roger Schulz, besser bekannt als Frére Roger (Bruder Roger), im Jahr 1940 ein Haus, um darin Kriegsflüchtlinge zu beherbergen. 1942 musste er das Land aufgrund der einziehenden Gestapo verlassen, doch kam 1944 zurück nach Frankreich. Bereits zu diesem Zeitpunkt schlossen sich ihm die ersten Christen an, um gemeinsam zu beten. Obwohl Frére Roger nie geplant hatte, eine Gemeinschaft zu gründen, wuchs sie schnell und gilt mittlerweile als eine der bedeutenden christlichen Pilgerstätten in Europa.

Immer mehr Menschen schlossen sich der ökumenischen Communauté de Taizé an, sodass in ihr mittlerweile mehr als 100 Brüder aus 30 Nationen in der Gemeinschaft leben. Jedes Jahr heißen sie bei den einwöchigen Jugendtreffen in Taizé und an anderen Orten der Welt mehr als 100.000 junge Menschen unterschiedlicher Nationalitäten willkommen.

In kleinen Runden wird über die Bibel gesprochen
Gespanntes Zuhören

»Was mich am meisten flasht, ist das friedliche Zusammensein unterschiedlicher Jugendlicher verschiedenen Alters in einer großen Gemeinschaft.«

Hanna Weck (29) aus Dortmund

Was erlebt man in Taizé?

Der Tagesablauf in Taizé ist immer gleich. Der Wechsel aus Gebet, Gesang, Stille und Gemeinschaft macht das besondere Flair aus.

An den internationalen, ökumenischen Jugendtreffen können alle ab 15 Jahren teilnehmen. Was Taizé ausmacht, sind seine Besucher. Jeder und jede ist willkommen – egal, welcher Religion oder Konfession er oder sie angehört. Je nach Jahres- und Ferienzeit teilen pro Woche zwischen 50 und 6.000 Menschen den Alltag in der Gemeinschaft. Das Leben in Taizé ist einfach. Gerade das macht es besonders. Die wichtigsten Tätigkeiten: Beten, Arbeiten, Schlafen und dabei sich selbst und neue Freunde ein bisschen besser kennenlernen.

Der Tagesablauf ist repetitiv: Gottesdienst um 8.30 Uhr, im Anschluss Frühstück - es gibt ein Brötchen und zwei Stücke Schokolade, dazu Kakao oder Tee. Danach: Bibeleinführung oder gemeinsame Arbeit. Danach ein weiteres gemeinsames Gebet, Mittagessen und im Anschluss erneut Bibeleinführung mit Gesprächsgruppe oder eine Arbeitsaufgabe. Nachmittags gibt es Tee und Kekse, danach wahlweise Workshops zu verschiedenen Themen des Lebens und Glaubens oder Zeit für Spaziergänge durch die wunderschöne französische Landschaft und weitere Begegnungen mit anderen Pilgern.

Dem Abendessen folgt das letzte Gebet des Tages. Wer sich Raum für innere Ruhe und Reflexion wünscht, bleibt danach in der Kirche und lauscht den Gesängen (links im Video). Wem nach Lagerfeuerliedern (ohne Lagerfeuer), lustigen Gruppenspielen und Partystimmung zumute ist, kann sich bis 23.30 Uhr im Oyak, dem abendlichen Treffpunkt mit einem kleinen Kiosk, austoben.

Der Spirit von Taizé

„Das kann man nicht so einfach beschreiben“ ist wohl meine häufigste Wortwahl, wenn ich über meine Reisen nach Taizé berichte. Der Ort ist vielfältig und wundervoll. Er schenkt mir Ruhe und Energie zugleich. Taizé ist von tiefer Spiritualität geprägt und zugleich sehr bodenständig. Nirgendwo sonst habe ich bisher so ehrliche und respektvolle Gespräche über meinen christlichen Glauben und den das Nicht-Glauben, über Weltoffenheit, kleine Alltagsfragen und die großen Themen der Politik geführt.

Anbetung

Toiletten und Duschhäuser putzen

Gleichzeitig habe ich nie zuvor zusammen mit fünfzig anderen jungen Menschen ein Duschhäuschen und Toiletten, wie ich sie vom Campingplatz kenne, geputzt und dabei tiefe Freude empfunden. Mit der Melodie von „Let us clean“, in Anlehnung an einen Beatles-Song und „We will, we will clean it“, im Stil von Queen, auf den Lippen, macht auch Klos putzen Spaß. Neben den hundert Brüdern und einigen Nonnen, die im Nachbardorf leben, gibt es keine Angestellten in der Gemeinschaft. Jeder, der in Taizé lebt, übernimmt für die Dauer des Aufenthalts eine Aufgabe. Langzeitfreiwillige, die „Permanents“, koordinieren und leiten die Arbeiten von Kochen über Putzen und Essensausgabe bis hin zu Reparatur und Aufbau von Großraumzelten für die Busy Season im Sommer an.

Gemeinsam beten in Taizé

Zentraler Bestandteil in Taizé: das Gebet

Die Gebete sind der zentrale Bestandteil in Taizé. Das ganze Leben in dem beschaulichen Ort richtet sich danach und währenddessen steht das Leben scheinbar still. Während der Gebete wird sehr viel gesungen – hauptsächlich Einzeiler in verschiedenen Sprachen, die Mantra-artig wiedergegeben und parallel mit Solostimmen untermalt werden. Gänsehaut garantiert. Für das besondere Gefühl sorgen neben Musik und Gemeinschaft der Teppichboden, auf dem man in der Kirche sitzt, und die charakteristischen deckenhohen, orangefarbenen Dreieckstücher, die den Raum in eine bezaubernde Stimmung versetzen. Für Taizé-Neulinge ungewohnt: die Stille während der Gebete. Drei Mal täglich wird nicht nur gemeinsam gebetet und gesungen, sondern währenddessen auch geschwiegen. Sieben Minuten lang.

Mehrere tausend Menschen sitzen in einem Raum und es ist mucksmäuschenstill. Ich nutze diese Gelegenheit immer wieder gern, um aufmerksam in mich hineinzuhorchen. Das absolute Highlight für die meisten der Menschen, die ich in Taizé danach frage, ist die Nacht der Lichter am Samstagabend. „Ein scheinbar völlig normaler Abendgottesdienst wird mit einfachsten Mitteln zu einer unglaublich wirkungsvollen Zeremonie inszeniert. Die gesamte Kirche erstrahlt im Licht von eintausend Kerzen, von denen jeder Besucher eine in der Hand hält. Gänsehaut selbstredend inklusive. Es ist eine der stark bleibenden Erinnerungen, die im Kopf bleiben und ein gelungener Abschluss der Woche in Taizé“, fasst es mein Taizé-Bekannter Christian Eickmann, 31, aus München zusammen.

Hanna (29, links) hat YOUPAX-Autorin in Taizé kennengelernt
Hanna (29, links) hat YOUPAX-Autorin in Taizé kennengelernt

In Taizé ist alles so friedlich

Während meiner Taizé-Aufenthalte begegne ich immer wieder lieben Menschen mit spannenden Lebensgeschichten. Während der Gesprächsgruppen im Anschluss an die tägliche Bibeleinführung, in der Warteschlange fürs Essen, beim abendlichen Musizieren vor dem Oyak oder einfach so, auf dem Weg ins Bad – ständig und überall ergibt sich die Chance, miteinander ins Gespräch zu kommen. Dabei entstehen die inspirierendsten und lustigsten Dialoge. Mit Hanna Weck, 29, aus Dortmund tauschte ich mich im vergangenen Sommer über unserer Erfahrungen in der Communauté aus. Für sie war es das erste Mal in Taizé.

„Was mich am meisten flasht, ist das friedliche Zusammensein unterschiedlicher Jugendlicher verschiedenen Alters in einer großen Gemeinschaft“, sagt sie. Ich stimme ihr zu. Noch nie habe ich in Taizé einen Streit miterlebt. Auch das gemeinsame Singen – in der Kirche und abends im Oyak – habe ihr gut gefallen, berichtet sie weiter: „Die Gesänge und das Gemeinschaftsgefühl sind für mich charakteristisch für Taizé.“ Mit so vielen Menschen gemeinsam zu singen habe für mich auch eine meditative Wirkung. In der Zeit des Schweigens konnte sie gut zu sich selbst kommen. „Taizé ist viel mehr als ein Kloster“, fasst sie schließlich zusammen und ich nicke und lache zustimmend: „Taizé ist ein Kloster und wohl das größte Jugendferienlager Europas.“

Gemeinschaft in Taizé

Frére Roger wurde 2005 während eines Abendgebets von einer psychisch kranken Frau erstochen. Seitdem leitet Frére Alois die Gemeinschaft in seinem Gedenken. Die Brüder nehmen keine Spenden an. Sie leben von dem, was sie durch den Verkauf ihrer Handarbeiten und Bücher einnehmen, die sie in einem Shop in Taizé verkaufen. Um jedem die Reise nach Taizé zu ermöglichen, kann den Teilnahmebeitrag für eine Woche in Taizé jeder selbst bestimmen. Es gibt lediglich eine nach Alter und Herkunftsregion gestaffelte Empfehlung. Mehr auf: www.taize.de.

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