August Klar auf der Bühne
August Klar auf der Bühne
30.06.2020
Perspektive

Von der Bühne auf den Bildschirm

KünstlerInnen erzählen, was sich für sie durch die Corona Pandemie verändert hat

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von Finja Greiving

Auf großen oder kleinen Bühnen stehen, ins Mikrofon sprechen, live performen, Publikum lachen hören, Applaus bekommen. Diese Dinge liegen momentan leider in der Vergangenheit und in noch nicht allzu naher Zukunft. Künstler und Künstlerinnen, für die solche Veranstaltungen zum lebenswichtigen Alltag gehörten, stehen jetzt nicht nur vor Fragen, Bedenken und Veränderungen, sondern sehen zum Teil auch ihre Existenz bedroht. Ich habe mit einigen KünstlerInnen über ihre Sicht auf die Veränderungen gesprochen.

August Klar performt auf einem Song Slam
August Klar performt auf der Bühne

Wenn der Beruf auch die Berufung ist

August Klar ist freischaffender Künstler und Workshop Leiter. Sein Arbeitsalltag vor dem Corona-Ausbruch bestand aus Auftritten, Workshops und Konzerten, die zwar sehr unregelmäßig waren, aber bei denen er immer genug verdiente. „Zum Ende hin war ich sogar etwas erschöpft vom vielen unterwegs Sein“, erzählt August Klar.

Deshalb tat ihm die Zwangspause durch die Corona Pandemie sogar zunächst einmal sehr gut – zumindest für die ersten ein bis zwei Monate. Danach wurde der Virus langsam bedrohlich für die Existenz des Künstlers, da er natürlich weiterhin seine Lebensunterhaltskosten bezahlen musste, aber so wie vorher nichts mehr verdienen konnte. In dieser Zeit habe er teilweise auf dem Bau bei seinem Vater ausgeholfen, erzählt er. 

Glücklicherweise starten langsam wieder vereinzelte Auftritte und Workshops, jedoch hat August Klar Bedenken, dass es einen zweiten Lockdown geben wird und große Veranstaltungen in nächster Zeit nicht mehr stattfinden können.

Was er am meisten vermisst? „Das Live-Gefühl, das Reisen, das Gebraucht werden und kreativ Sein“, fasst er zusammen. Vor allem das Gebraucht werden sei für viele Künstler wichtig, erzählt August Klar. „Man bekommt ja auch so viel zurück: Gage, Applaus, Anerkennung, Respekt und generell ein Hoch auf der Bühne.“ Durch die aktuellen Einschränkungen wird ihm noch viel bewusster, dass er diese Dinge braucht, um nicht an sich zu zweifeln.

Deshalb seien Live-Stream-Veranstaltungen für ihn auch keine wirkliche Alternative. Er brauche das Gefühl, wirklich vor Ort zu sein und seine Zuschauer sehen zu können. „Das ist nicht nur mein Beruf, sondern eben auch meine Berufung.“

NaDu

Mehr Zeit für Politik

Seit fünf Jahren tritt Nadine Dubberke unter dem Künstlernamen NaDu als Moderatorin, Kabarettistin und Musikerin in ganz Deutschland auf. Außerdem hat sie das „Female Voices“- Format gegründet, das die Präsenz weiblicher Interpreten in der Kulturszene unterstützt. Hier ist sie für das Booking, die KünstlerInnenbetreuung, Social Media und Moderation zuständig.

Für die zahlreichen Musik-, Comedy und Kabarettveranstaltungen, für die sie vor Corona gebucht worden ist, bekam sie Gage gezahlt und auch die Fahrtkosten erstattet. Diese Comedy- und Musikveranstaltungen muss die Künstlerin jetzt online antreten.

Was sich dadurch verändert? „Ohne die langen Fahrtstrecken habe ich jetzt mehr Zeit, an meinem Album zu arbeiten und meiner politischen Arbeit nachzugehen“, erzählt sie.

Politisch engagiert sich Nadine Dubberke unter anderem für die Seebrücke Paderborn. „Ich halte es für inakzeptabel, dass Menschen auf Grund ihrer Herkunft nicht aus Seenot gerettet werden dürfen“, erzählt sie. „Und im Bürgerkriegsland Libyen erhalten nachweislich geflüchtete Menschen keinen Schutz in den Geflüchteten Camps. Sie werden dort gefoltert, verkauft, vergewaltigt und bedroht.“ Auch sollten die Camps die Möglichkeit haben, Corona-Sicherheitsauflagen einhalten zu können, was aber nachweislich nicht gegeben sei.

Daher ist Nadine Dubberke die Arbeit bei der Seebrücke Paderborn wichtig, die diese Missstände aufklärt, Spenden akquiriert und SeenotretterInnen vor Ort mit Paderborn vernetzt.

Nadine Dubberke beim Aufnehmen ihrer Songs

Des Weiteren organisiert sie MusikerInnen und SprecherInnen für die Black Lives Matter Bewegung in Paderborn, moderiert diese auch und kümmert sich um Presse und Social Media. Die Gleichstellung von Menschen ist ihr sehr wichtig und sie versucht diese auch auf politischer Ebene umzusetzen. Deshalb engagiert sie sich für die Grünen als Bürgermeisterkandidatin in Bad Wünnenberg.

Aber auch für andere Dinge versucht Nadine Dubberke ihre Zeit zu nutzen. Ihre Arbeit steckt sie deshalb neben den Online Auftritten, Songwriting und Produktion von Songs auch in ihre Planungen für 2021 – um zum Beispiel Nachholtermine zu koordinieren. Insgesamt versucht Nadine Dubberke zwar positiv mit der Situation umzugehen, jedoch hat sie natürlich auch Geldsorgen, die ihre Zukunft betreffen. Am meisten vermisst auch sie es, regelmäßig auf Bühnen stehen zu können – dazu sieht sie keine Alternativen.

Niko Sioulis

Das weitermachen, was weitermachbar ist

„Ich glaube, dass wir in der Live-Kunst und -Kultur von dem Virus noch deutlich länger beeinträchtigt sein werden, als er noch eine gesundheitliche Bedrohung ist“, erzählt Niko Sioulis, der nicht nur Poetry Slammer ist, sondern seit 2013 bei Slam OWL auch selber Slam Veranstaltungen organisiert. Des Weiteren leitet er Poetry Slam-Workshops und eine regelmäßig stattfindende Schreibwerkstatt.

Durch die Corona Pandemie können die vorher so zahlreichen Veranstaltungen im Monat nun nicht mehr stattfinden. Seine Arbeit momentan findet nun größtenteils im Internet statt und besteht zum Beispiel aus Live-Stream-Veranstaltungen auf Instagram oder YouTube.

„Ich versuche, das weiterzumachen, was weitermachbar ist“, erzählt Niko Sioulis. Bevor sich wieder mit passendem Abstand getroffen werden konnte, gab er zum Beispiel seine Schreibworkshops per Videokonferenz.

Dadurch, dass Kunst momentan kostenlos im Internet stattfindet, bestehen die allgemeinen Bedenken, dass die Bereitschaft dafür zu zahlen, wenn wieder Veranstaltungen stattfinden, sinken könnte. Niko Sioulis glaubt jedoch an das Gegenteil. „Ich denke, dass die Leute – und gerade das Slam-Publikum – sobald es wieder geht, richtig Bock darauf haben werden, sich das Ganze auch in Live und Richtig anzugucken.“ 

Was er jedoch bedenklich findet, ist dass es aktuell keine sinnvolle bundesweit übergreifende Möglichkeit gibt, die Kultur- und Künstlerszene zu unterstützen. Außerdem befürchtet er, dass wenn kein bundesweites Unterstützen der Kultureinrichtungen erfolgt, nicht nur die Örtlichkeiten für Veranstaltungen wegfallen könnten sondern auch, dass sich einige Kulturakteure gezwungenermaßen in einer anderen Branche festsetzen, um in dieser Zeit an Geld zu kommen und da dann vielleicht auch bleiben. „Eventuell wird die Kulturszene nach der Pandemie dann ein wenig verkleinert sein – ebenso wie die Möglichkeiten und Budgets mit denen dann wieder Live gearbeitet werden kann.“

Alternativen, um trotz der aktuellen Situation an Geld zu kommen sind zum Beispiel Online-Übertragungen mit virtuellem Eintritt oder das Nutzen von Autokinos.

„Wie es jetzt weitergeht, ist ein großes Abwarten“, sagt Niko Sioulis. „Ein großes Abwarten, wann wieder neue Lockerungen kommen und wie damit weitergearbeitet werden kann. Erstmal müssen wir wahrscheinlich so weitermachen wie bisher – das heißt viel im Internet machen und auf die Unterstützung des Publikums hoffen. Momentan ist es auch wichtig, dass wir präsent bleiben, damit die Leute uns nicht vergessen und sobald es wieder losgeht umso mehr Menschen unsere Veranstaltungen besuchen.“

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